Problem von Anonym - 16 Jahre

Heimweh

Hallo, ich bin vor etwa sechs Monaten Zuhause ausgezogen, um meine Ausbildung abzuschließen. Aufgrund der Entfernung komme ich nur alle 7-8 Wochen nach Hause, was mich extrem belastet. Ich mache mir ständig sorgen das etwas bei meiner Familie passieren könnte, ich aber nicht dort sein kann. Ich hab einfach Angst. Inzwischen kann ich nachts kaum schlafen und sobald ich alleine bin brechen die Gefühle aus mir heraus und ich könnte Stundenlang heulen.
Diese Ausbildung ist mein größter Traum und den möchte ich auf keinen Fall aufgeben, egal wie schlecht es mir geht. Nur weiß ich nicht was ich machen soll. Ich kann doch nicht ständig rumheulen, mich macht das alles so verdammt fertig. Meine Familie weiß nicht wie es mir wirklich geht, sie denken ich bin hier glücklich und genieße die Zeit, dabei ist es das komplette Gegenteil. Keiner weiß wie es mir wirklich geht, da ich mich ungern jemanden gegenüber öffne, nicht mal meine beste Freundin weiß bescheid. Ich weiß nicht an wen ich mich sonst wenden soll, da das hier anonym ist fällt es mir etwas leichter. Bitte, habt ihr eine Idee was ich machen kann?
Ich hab auf keinen Fall vor mich zu verletzten oder der gleichen.

Anna Anwort von Anna

Liebe Anonyme,

vielen Dank für Dein Vertrauen uns gegenüber. Heimweh gehört zu den schwierigen Erfahrungen, die man oft in jungen Jahren machen muss. Dass Du erst 16 bist, macht das Ganze nicht einfacher, aber darum finde ich es umso bewundernswerter, dass Du diese Erfahrung für Deine Ausbildung und Deinen Traum schon so früh auf Dich nehmen willst!

Heimweh ist das schmerzliche Gefühl, wenn man aus dem bekannten Umfeld gerissen und wie eine umgetopfte Pflanze in ein neues gesetzt wurde. Es kann lange dauern, bis man sich mit all seinen Wurzeln und Gewohnheiten auf das neue Umfeld eingelassen hat und die Zeit bis dahin ist meist durchzogen mit Angst, Trauer und an guten Tagen Aufregung und Zuversicht. Denn schließlich ist ein Auszug von zuhause und an einen neuen Ort nicht nur negativ, sondern kann auch mit vielen positiven und vielleicht sogar befreienden Gefühlen verbunden sein.
Um Heimweh zu lindern, ist es wichtig, die "in der Luft hängenden Wurzeln" an den neuen Ort anzuschließen, mit dem neuen Umfeld zu verwachsen, es sich eben vertrauter zu machen.
Das Gefühl, "nur" wegen der Ausbildung da zu sein, ist wahrscheinlich das, was die ganze Sache am schwierigsten macht. Daher ist es wichtig, dass Du versuchst, Deinem Leben dort neben der Arbeit noch andere Aspekte zu geben, die es lohnenswert machen, dort zu sein. Verabrede Dich doch mit einer Bekannten, nutze die Zeit am Wochenende um mal mit Leuten wegzugehen oder auch einfach nur was Ruhiges zu machen. Hauptsache, Du fühlst Dich wohl dabei und lernst die Menschen dort ein bisschen besser kennen. Und ganz wichtig: macht viele Fotos zusammen! So wird die schöne Erinnerung an den Abend nochmal positiver verstärkt und Du hast auch eine kleine Trophäe für danach.
Ganz wichtig ist es auch, dass Du den Ort, an dem Du wohnst, so schön und persönlich wie möglich gestaltest. Du verbringst viel Zeit in Deinem neuen Zuhause und daher sollte es dort so schön sein, wie es eine Wohnung verdient. Kaufe Dir einen schönen, weichen Teppich, eine neue Nachttischlampe und schöne Poster. Hänge Fotos von Deiner Familie und Deinen Freunden zuhause auf. Erinnerungen an zuhause müssen nicht wehmütig stimmen, sondern können auch bestärkend und motivierend sein.
Nimm Dir auch Zeit, die neue Umgebung dort kennenzulernen, in dem Du dort spazieren oder laufen gehst oder die die Sehenswürdigkeiten vor Ort anguckst. Mache an den Orten, die Dir besonders gefallen, viele Fotos.

Auf vielen Webseiten zum Thema Heimweh steht dann auch, man solle möglichst wenig Kontakt nach Hause haben. Das ist Quatsch! Nach dem Kontakt zu Deiner Familie oder Deinen Freunden dort fühlst Du Dich doch sicher immer sehr gut und es geht wieder mit dem Heimweh, oder? Ich fand es immer bekräftigend, wenn ich nach Hause telefonieren konnte und mir ging es danach viel besser als vorher! Ich denke, entscheidend ist hier die Art des Kontakts! Du sollst ja nicht mit Deinen Eltern telefonieren, um Dir haarklein vorzustellen und ausmalen zu lassen, wie das Leben dort ohne Dich weitergeht und wie schön es wäre, wieder dort zu sein. Versuche viel mehr die Lebenserfahrung Deiner Eltern zu nutzen und erzähle ihnen von Deinen Gefühlen. Sicher können sie Dir auch einige wertvolle Tipps geben. Erzähle auch viel von Deinem Leben dort, wo Du jetzt wohnst und lass SIE an DIR und DEINEM Leben teilhaben, nicht andersrum. Sicher ist es für Deine Eltern auch sehr schön zu erfahren, wie das neue Leben dort ist.

Mache für Dich mal eine Liste, was Dir an Deiner neuen Umgebung alles gefällt, von Leuten, der Arbeit, Deiner Wohnung und der Landschaft. Versuche einmal ganz gezielt und bewusst darüber nachzudenken, was Du dort SCHÖN findest und was Du vermissen wirst, wenn Du wieder wegziehst. :-)

Heimweh ist es sehr trauriges Gefühl, dass einen manchmal nie so richtig loslässt. Du kannst Dich sehr glücklich schätzen, dass Du eine Familie, Freunde und ein zuhause hast, dass man so sehr vermissen kann. Und halte Dir vor Augen, dass Du dort, wo Du bist, sein WILLST, dass Dir die Ausbildung sehr gefällt und genau das ist, was Du möchtest. Du bist kein hilfloses Kind, das man irgendwo gegen seinen Willen reingesteckt hat - und genau das ist der springende Punkt: Du hast eine eigene, reife, vernantwortungsbewusste Entscheidung getroffen und dafür die Entfernung in Kauf genommen.
Ich finde das unglaublich bewundernswert und sehr willensstark!

So, ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig helfen und hoffe auch, dass es Dir bald besser geht. Versuche, nach Vorne zu sehen und Dich nicht immer nur an Dein zuhause zu erinnern. Dein Leben, Dein Mittelpunkt ist da, wo Du gerade bist und ich bin sicher, dass Du mit der Zeit Vertrautheit zu Deinem neuen Zuhause aufbauen kannst, wenn Du es zulässt. :-)

Viele Grüße,

Anna