Anwort von Anna

Hallo Du,

ich erinnere mich an Deine Nachricht vor einer Zeit und hoffe, dass Du den Schock über den Verlust Deines Halbbruders einigermaßen verarbeiten konntest. Eine solche Erfahrung zu machen, ist auch für Angehörige nicht leicht und ich hoffe, dass es Dir und auch Deinem Vater und seiner Freundin damit wieder etwas besser geht als noch am Anfang.
Dass Dich die Nachricht über eine neue Schwangerschaft verunsichert und für Dich sehr zwiespältig ist, kann ich verstehen; das war es bei der ersten Schwangerschaft ja auch schon für Dich.

Eigentlich erzähle ich hier nie etwas über mein eigenes Leben, aber Deine Situation erinnert mich sehr stark an meine eigene als ich 14 Jahre alt war. Damals ging es mir wie Dir - ich war in den Höhen und Tiefen der Pubertät (was an dieser Stelle nicht bedeuten soll, dass das die eigenen Probleme besser oder schlechter macht - sie sind ja nun mal echte Probleme, die sich echt scheiße anfühlen) und hatte mit mir selbst mehr als genug zu tun. Als meine Mutter dann schwanger wurde, war ich richtig wütend auf sie und habe mich von meinen Eltern irgendwie hintergangen gefühlt. Ich wusste, dass das Gefühl eigentlich nicht berechtigt war, denn sie hatten ja jedes Recht, ein Baby zu bekommen. Aber ich war trotzdem richtig wütend und dachte, dass sich nun mein ganzes Leben ändern wird. Keine laute Musik mehr hören, immer Rücksicht nehmen, mehr im Haushalt machen, keine Aufmerksamkeit mehr bekommen, auf das Kind aufpassen müssen und, und, und. Ich glaube, meine Mutter hat es sehr verletzt, dass ich so abweisend ihr gegenüber war und die Schwangerschaft so abgelehnt habe, aber damals habe ich nur mich und meine eigene Welt gesehen und was das alles in meinem Leben ändern wird.
Und dann kam mein kleiner Bruder auf die Welt und - es klingt komisch - aber all meine Ängste und Sorgen darüber haben sich nicht bestätigt. Ich habe sofort ein Beschützergefühl für ihn entwickelt und liebe ihn vom ersten Tag an bis heute unendlich! Und damals habe ich dann gemerkt, dass ich zu alt bin um eifersüchtig auf ein kleines Baby zu sein und habe mich in der Rolle der großen Schwester viel wohler und besser gefühlt.
Denn es hat auch große Vorteile, wenn der kleine Bruder 14 Jahre jünger ist als man selbst - man muss mit ihm nichts teilen, kein Essen, kein Spielzeug - man kann einfach mit ihm spielen, ohne sich dabei zu streiten, man kann einfach die große Schwester sein, zu der der kleine Bruder immer irgendwie aufblicken wird.

Und ich glaube, dass es bei Dir auch so sein wird. Wenn das Baby erstmal da ist, wirst Du sicher ganz anders über seine Geburt fühlen. Natürlich wird es Dein Leben verändern. Das Baby wird immerhin ein neues Familienmitglied, das seinen Platz einnehmen wird. Aber es wird Dein Leben positiv verändern, denn Du bekommst die Möglichkeit eine verantwortungsbewusste, interessante, geliebte große Schwester zu werden und dieses Privileg hat nicht jeder. :-)

Ich hoffe, ich konnte Dich mit meiner Geschichte ein wenig aufmuntern und wünsche Dir weiterhin alles Gute!

Liebe Grüße,

Anna