Problem von Marie - 23 Jahre

Abendliche Traurigkeit und Schlaflosigkeit

Hallo liebes Kummerkastenteam, ich würde dir gerne meine kleine Geschichte erzählen.
Ich bin 23 Jahre alt, in einem Jahr habe ich meinen Bachelor in BWL fertig und werde danach im Controlling arbeiten, wo ich derzeit auch schon nebenbei im Studium 15h die Woche jobbe. Das Studium und die Arbeit überlasten mich eigentlich nicht. Ich lerne nicht den ganzen Tag nur, ich habe auch genügend Freizeit, die ich mit meinen Freunden und meinem Freund verbringe. Mit ihm bin ich 3 Jahre zusammen, waren einmal vor langer Zeit kurz getrennt, mittlerweile aber sehr glücklich und wollen nächstes Jahr zusammen ziehen. Außerdem habe ich eine tolle, liebevolle Familie, mit der ich nie Probleme hatte. Ich habe auch viele gute Freunde. Allerdings ist mein bester Freund weggezogen, mit dem ich immer über alles geredet habe und jetzt haben wir nicht mehr so viel Kontakt.
Eigentlich bin ich auch ein sehr fröhlicher Mensch, vor anderen immer gut gelaunt. Seit 4 Monaten aber werde ich abends plötzlich immer traurig und muss oft weinen und wälze mich einige Stunden im Bett und kann nicht schlafen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht woher das kommt. Ich habe das bereits meiner Mama und meinem Freund erzählt, aber ich denke die nehmen es nicht so hundertprozentig ernst. Ich traue mich nicht mich damit an jemanden zu wenden, weil ich vor und für alle anderen lieber stark sein will. Eigentlich läuft in meinem Leben doch alles so gut, aber diese abendliche Traurigkeit will nicht verschwinden. Wenn ich abends etwas unternehme, geht es mir gut. Auch mit autogenem Training,Baldrian und Johanniskraut aus der Drogerie habe ich es schon probiert, aber das funktioniert alles nicht so. Aber man braucht doch auch mal Ruhe, ich habe auch starke Schwierigkeiten mich zu konzentrieren oder mich selbst zu entspannen – Buch lesen ist nicht mehr. Ich wäre einfach gerne wieder so unbeschwert abends wie sonst immer, wieder zufrieden und glücklich. Ich weiß nicht ob es an der Leistungsgesellschaft liegt oder ich mir vielleicht mehr Gedanken um andere als um mich mache. Ich weiß einfach nicht wie ich wieder glücklich werde, wenn bei mir Ruhe einkehrt und ich alleine bin.
Vielen Dank schonmal an euch!

Anna Anwort von Anna

Liebe Marie,

vielen Dank für Dein Vertrauen uns gegenüber. Zunächst einmal finde ich es sehr bewundernswert wie selbstreflektiert Du bist, bereit, in Dich hinein zu blicken und hinterfragst Dich, Dein Leben und Dein Leben in der Gesellschaft. Ich denke die Bereitschaft kritisch zu hinterfragen und der Wunsch etwas an Deiner emotionalen Situation zu ändern, sind sehr gute Voraussetzungen dafür, wieder glücklicher zu werden.

Ich gehe nun einmal davon aus, dass es Dir körperlich gut geht, Dein Blutbild in Ordnung ist und Du zur Zeit auch keine hormonellen Schwankungen oder Probleme mit der Schilddrüse hast. Ich habe nicht vor (und halte auch nichts davon) seelische Unruhen gleich auf körperliche Schwächen herunter zu brechen, denke aber, dass es erwähnt werden sollte. Lass beim Arzt abklären, ob diese Dinge im grünen Bereich liegen, denn dann hast Du Dir (vorerst) viel Grübeln erspart.

Die Zeit Anfang der Zwanziger, nachdem man ausgezogen ist und anfängt sein eigenes Leben abseits vom Elternhaus aufzubauen, ist meist geprägt durch eine zweite Pubertät. Hier geht es nicht darum, wie in der ersten, sich einfach nur abzugrenzen, sondern nun, nachdem man sich abgegrenzt und klar gemacht hat, dass man jemand ANDERES ist, auch herauszufinden, WER man denn eigentlich ist. In dieser Zeit probiert man sich aus, führt die ersten festen Beziehungen, beginnt, einen eigenen Haushalt und eigenes Geld zu verwalten und muss für sich einen Platz in der Gesellschaft finden. Dazu gehört es, die bisherigen Wertevorstellungen von einem selbst und die der Eltern zu hinterfragen und für sich neu zu definieren. Dieser Umbruch ist zuweilen sehr schwer und oft begleitet von einer großen Orientierungslosigkeit, die man innerlich bewältigen muss. Auf der Suche nach sich selbst, kommt es auch vor, dass man bewusst und intensiv beginnt, die eigene Kindheit zu verstehen, aufzuarbeiten und die Erziehung der Eltern kritisch zu hinterfragen. Dies alles sind innere Vorgänge, die sich auch ganz unbewusst anbahnen können und das, was man mitbekommt, ist Orientierungslosigkeit, Trauer, vielleicht Wut, vielleicht depressive Stimmungen und vor allem innere Unruhe, als wäre man mit einem Floß auf dem Meer und wüsste nicht, wo der nächste Hafen ist und dann auch noch einer, wo es einem gefällt.
Ich denke, Du bist das Ganze schon ganz gut angegangen und hast Dich bisher darauf konzentriert, Deinen Körper zu entspannen. Wenn Johanniskraut nicht wirkt, versuche es doch mal mit Baldrian oder Lavendel. Das hier kann ich empfehlen und gibt es in der Apotheke auch rezeptfrei: http://www.lasea.de/
Und hier findest Du noch weitere Entspannungstechniken: http://hochsensibelsein.de/category/entspannungstechniken/

Du sagst, dass Dein Leben eigentlich perfekt ist und alles gut läuft. Das erstmal freut mich natürlich sehr für Dich und erleichtert das Ganze erheblich. Wichtig ist jedoch, dass Du auch weiterhin hinterfragst, wo Dein Platz im Leben ist, in welchen Umständen Du Dich gut und wohl fühlst, was Du an der Leistungsgesellschaft kritisieren würdest und welche Welt Du Dir für Dich vorstellen kannst.
Deine Traurigkeit kann ein Hinweis auf ein nicht verarbeitetes schlechtes Erlebnis sein, dass sich erst jetzt langsam aufdrängt. Durchforsche Deine Vergangeneit. Wann warst Du glücklich und welche Zeiten wölltest Du nicht nochmal durchleben? Gab es auch sehr schlimme Ereignisse in Deinem Leben? Lasse Dich auf dieser Reise von Deinem Gefühl leiten. Überlege nicht, was schlimm gewesen sein muss, sondern hake dort nach, wo es sich nicht gut anFÜHLT.
Sich selbst zu finden ist ein schwieriger und langwieriger Prozess von dem man sagt, dass er vielleicht nie vorbei ist. Schaue Dir doch mal diese Übungshefte an:
http://www.amazon.de/gp/product/3941837680/ref=s9_simh_gw_p14_d0_i9?pf_rd_m=A3JWKAKR8XB7XF&pf_rd_s=desktop-1&pf_rd_r=0FTCP7C08P0BK3T9NSHM&pf_rd_t=36701&pf_rd_p=862808927&pf_rd_i=desktop
http://www.amazon.de/Das-kleine-%C3%9Cbungsheft-Seelische-Bibliothek/dp/395550137X/ref=pd_sim_14_9?ie=UTF8&dpID=516euiAPT6L&dpSrc=sims&preST=_AC_UL160_SR124%2C160_&refRID=0M6HF16GAWXCYAH918SY
http://www.amazon.de/Das-kleine-%C3%9Cbungsheft-Lebenstr%C3%A4ume-verwirklichen/dp/3941837931/ref=pd_sim_14_27?ie=UTF8&dpID=513vv1tRS5L&dpSrc=sims&preST=_AC_UL160_SR124%2C160_&refRID=0QEG53M3HY6RSYXG1AE3
Du kannst dort ja auch mal durchstöbern, welche der Hefte Dich spontan ansprechen. Ich kann sie nur empfehlen!

Ich finde es gut, dass Du bereits Deiner Mutter und Deinem Freund davon erzählt hast. Dass die beiden Dich oder das Erzählte nicht so ernst nehmen, sollte aber nicht so sein. Versuche ihnen deutlich zu machen, dass es Dir zur Zeit nicht gut geht und vor allem auch, dass Du das Bedürfnis hast, mit ihnen darüber zu sprechen. Beobachte ihre Reaktionen. Blocken sie ab oder gehen se auf Dich ein, wenn Du deutlich machst, dass es Dir ernst ist?
Dein Leben scheint perfekt zu sein, nach außen hin bist Du immer gut gelaunt - das klingt nicht realistisch. Jeder Mensch hat seine Schattenseite, jede Familie ihre Probleme und kein Mensch ist immer gut gelaunt. Hinterfrage Dein Umfeld - wird diese gute Laune von Dir erwartet oder vertraust Du den Menschen um Dich herum nicht weit genug um auch mal Deine negativen Gefühle zeigen zu können?

Ich wünsche Dir auf Deinem Weg viel Geduld, Kraft, Mut und den Willen mehr vom Leben zu fordern, als dass es immer perfekt ist.

Viele Grüße,

Anna