Problem von Anonym - 17 Jahre

Ständig Streit mit Vater

Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Seit einigen Jahren erreicht mich eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Vor ein paar Jahren fing alles damit an, dass drei meiner besten Freunde mich einfach im Stich gelassen und mich ignoriert haben. Das hat mich sehr verletzt und dazu geführt dass ich schwere Depressionen bekommen habe und immer noch Schwierigkeiten habe, anderen zu vertrauen. In dem zwei darauffolgenden Jahren starben meine Großeltern, denen ich sehr nahe stand. Doch das schlimmste Erlebnis war, als meine Mutter letzten Sommer dann kurz darauf verstarb. Da ich ein Einzelkind bin, bin ich meistens alleine zu Hause, muss viel im Haushalt helfen und muss mit meinem Vater leben. Es war schon immer so, dass ich mich nicht sehr gut mit ihm verstanden habe und wir uns oft gestritten haben, doch seitdem meine Mutter tot ist, gibt es niemanden mehr, der mich verteidigt. Es soll nicht heißen, dass ich nur mit meinem Vater streite, oft verstehen wir uns auch gut. Aber meistens, wenn er von der Arbeit zurückkommt oder wenn wir zu viel Zeit miteinander verbringen, schreit er mich wegen Kleinigkeiten an. Zum Beispiel wenn ich einen einzigen Löffel auf der Spüle liegenlasse, obwohl ich den Rest abgespült habe (außerdem wasche ich so schon die gesamte Wäsche und muss auch Hausaufgaben für die Schule machen). Ich habe oft versucht aus solchen Situationen rauszukommen oder sie zu vermeiden, aber das war erfolglos. Ich bin nur noch frustiert, wenn ich nach Hause muss. Mein Vater versetzt mich auch sehr oft für seine neue Freundin (mit der ich mich nicht wirklich gut verstehe, auch da er sie bereits 3 Monate nach dem Tod meiner Mutter schon nach Hause gebracht hat). Mein Plan war es auch eigentlich zu warten, bis ich nach meinem Abi in die Usa kann, aber dafür müsste ich mit meinem Vater darüber reden und davor fürchte ich mich, weil er mich nicht verstehen wird.
Was soll ich also tun, um nicht wegen allem angeschrien zu werden? Und wie erkläre ich meinem Vater dass ich in den Usa studieren will?

Anna Anwort von Anna

Liebe Anonyme,

vielen Dank für Dein Vertrauen uns gegenüber und für die offene Schilderung Deiner Situation. Dass es Dir zur Zeit nicht gut geht, in kleinen Situationen wie im großen Ganzen, kann ich sehr gut nachvollziehen. Du hast Furchtbares durchgemacht in den letzten Jahren und ich möchte Dir an dieser Stelle mein Beileid dafür aussprechen, dass Du so viele Menschen in so kurzer Zeit verlieren musstest.

Mit dem Tod Deiner Mutter ist das System Familie ein anderes geworden. Sie ist nicht nur als Mensch verstorben, sondern auch in ihrer Rolle als Mutter, als Ehefrau, als Person, die das Gleichgewicht bei euch gehalten hat. Einen solchen Verlust in einer Familie zu kompensieren, ist beinahe unmöglich und nun stehst Du und Dein Vater vor der traurigen, aber wichtigen Aufgabe, euch beide und die Familie, die ihr jetzt bildet, so zu akzeptieren, wie sie ist und anzunehmen als die einzige Familie, die euch beiden bleibt. Du hast gschrieben, dass Deine Mutter Dich schon immer in Schutz genommen hat, dass Du Dich schon vorher schnell mit Deinem Vater in die Haare bekommen hast. Jetzt, wo Deine Mutter nicht mehr als Vermittler zwischen euch steht, bedeutet das zwar, dass ihr euch jetzt nur noch mehr streitet bzw. Du Dich den Launen Deines Vater schutzlos ausgeliefert fühlst, aber auch, dass jetzt die Chance besteht, dass ihr beiden euch annähert. Nun ist niemand mehr da, der euch auseinander hält oder auseinander halten muss, das bedeutet, dass ihr nun selbst dafür verantwortlich dafür seid, wie eure Beziehung zueinander aussieht, ihr selbst dafür verantwortlich seid, dass ihr Vater und Tochter in einer positiven Weise sein könnt.
Wichtig ist, dass Du versuchst, Deine eigene Rolle in diesem System, in dieser Familie, zu ändern. Versuche, Dich nicht mehr als Opfer der Launen Deines Vaters zu betrachten und biete ihm, so gut es Dir möglich ist, die Stirn. Dein Vater ist in seinen eigenen Sorgen, seiner Wut, seiner Trauer, seiner eigenen Gefühlswelt so gefangen, dass er sicherlich nicht sieht, wie sehr Dich sein Verhalten verletzt. Mach ihm deutlich, dass er so nicht mit Dir umzugehen hat, und das schaffst Du auf der einen Seite, in dem Du auf seine Angriffe oder Wutausbrüche im Gegenzug ebenfalls mit Wut reagierst und in dem Du ihm in ernsten und ruhigen Gesprächen (die am besten dann zu einer anderen Zeit stattfinden) ganz offen sagst, was Dich an seinem Verhalten stört und ihn im Gegenzug auch fragst, was in ihm vorgeht und was es ist, dass ihn so stört (und das ist mit Sicherheit kein zurückgebliebener Löffel).

Was ihr beide nun meistern müsst, ist unheimlich schwer und ihr könnt von Glück reden, dass ihr es überhaupt irgendwie schafft. Ich finde es sehr beeindruckend, dass Du trotz Deines schlimmen Erlebnisses noch immer an Deine Zukunft denkst, an Deine eigenen Ziele und auch vorhast, diese zu verwirklichen. Vertraue auf Deine Intuition, wann der richtige Zeitpunkt ist, um mit Deinem Vater über Dein Vorhaben zu sprechen. Solange Du es selbst sehr gut durchdacht hast und Dir vielleicht schon einen Plan aufgestellt hast, wie Du das Ganze umsetzen möchtest, dann wird Dein Vater bestimmt auch nicht so ablehnend dem Gegenüber reagieren. Tut er es doch, gib ihm etwas Zeit, Dein Vorhaben zu verarbeiten und sprich ihn nach einer Zeit nochmal darauf an. Er muss wissen, dass es Dir ernst ist und auch merken, dass es keine flüchtige unbedachte Idee ist, sondern ein Plan, der realistisch zu verwirklichen ist. Nimm die Planung selbst in die Hand, warte nicht auf Hilfe und überlege, was Deine Mittel sind, um die Zeit in den USA zu verwirklichen.
http://www.nach-dem-abitur.de/auslandsjahr-usa.html
http://www.gls-sprachenzentrum.de/292_gap_year_nach_dem_abi.html

Ich hoffe sehr für Euch, dass ihr eure kleine Familie weiterhin so gut wie es eben geht, führen könnt und würde mir sehr für euch wünschen, dass ihr euch durch diese Krise, durch diese schwere Zeit finden könnt. Euch selbst und auch zueinander.

Viele Grüße,

Anna