Problem von Anonym - 17 Jahre

Bruder im Gefängnis

Liebes Kummerkasten-Team,
wundert euch bitte nicht , wenn ich nicht ganz so offen bin ,wie vielleicht manch ein anderer,aber ich gehe nicht gern mit Problemen auf Leute zu.
Ich habe nur wenige Freunde und eigentlich keine Engen mit denen ich darüber reden wollen würde.
Meine Famiele ist toll, ich bin glücklich mit ihnene und sie sind meine engste Bindung, aber seit ich mich erinnern kann gibz es Probleme mit mienem großen Bruder (Ende 20).
Er war schon immer anders als ich und meine Schwester. Das liegt vielleicht zum Teil daran, dass Papa in mit adoptiert hat, als Mama und er geheiratet haben (Mutti hatte ihn schon vorher). Auf jedenfall war er schon immer schwierig , was je älter er wurde immer mehr zunahm. Wie man es so kennt : Ballerspiele, Zigaretten, Kiffen, Drogen, seinen Schulabschluss hat er nachgeholt,als er eine gute Phase hatte (vor etwa 1 Jahr). Arbeiten geht er nur wiederwillig und unregelmäßig, außerdem wohnt er noch bei und zu Hause. Durch ihn war immer Spannung in der Familie, meine Mutter wollte ihm helfen, was Papa mit der Zeit immer weniger verstand. Mama hat mit ihm gestritten,war frustriert und hat dann mit Papa gestritten, warum eer sich immer raushalten würde.
Schließlich kam es dazu dass er in den U-Haft musste.(Mama hat geweint, Papa war sauer auf ihn dass Mama wegen ihm weint).
In dieser Zeit stellten wir fest, wie ruhig und normal es ohne ihn war. Wir waren froh, dass er nicht da war (Alle bis auf Mama).Sowas ist doch nicht normal,oder?
Nach den paar Tagen U-Haft kam er wieder. Am Anfang lief es gut, bis es wieder schlimmer wurde. Ich fand Crystal im Bad, was wir uns teilen. Der nächste Reisenkrach folgte.
Jetzt ist es soweit und das Urteil des Gerichts lautet etwas über 2 Jahre Haft. Der Termin steht für den Haftantritt fest und liegt als Hoffnungsschimmer in der Nähe , selbst Mama will ihm nicht mehr helfen (Was läuft falsch bei uns, wenn wir uns freuen,dass er in den Knast geht????).
Heute gab es wieder Streit,weil er jetzt erst zu realisieren scheint, dass er da nicht mehr raus kommt.
Liebes Kummerkasten-Team ich weiß nicht wie ich mit diesem Druck umgehen soll, ich musste es einfach irgendwie los werden. Außerdem habe ich Angst, was passiert, wenn er wieder draußen ist. Ich will nicht, dass er unsere Familie zerrüttet, aber es kann doch auch nicht sein, dass wir ihn loswerden wollen, das ist doch nicht normal.
Danke fürs zuhören bzw. zulesen

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte!

Zuerst einmal: nein, es ist nicht unnormal oder falsch, sich zu freuen, wenn eine "Störquelle" endlich weg ist. Das ist menschlich und völlig logisch. Dein Bruder hat wohl die Familie oftmals sehr aufgemischt, war der Grund von Streitigkeiten und Zwist und hat auch nicht gerade dazu beigetragen, die Situation zu entschärfen und zu entspannen.

Von daher: es ist völlig natürlich, sich zu wünschen, dass diese Situation "einfach weg" ist, was mit einem Gefängnisaufenthalt ja auch der Fall ist. Und es ist natürlich, dass man solch eine Situation nicht mehr will (ach, wäre er doch einfach für immer weg...muss er wirklich wieder kommen??). Sprich dich da bitte frei von Schuldgefühlen aufgrund dieser Gedanken. Die hat man.

Die Frage, die sich aber auch stellen sollte, ist die: was kann ICH selbst tun, damit die Situation besser wird? Was kann innerhalb der gesamten Familie passieren, damit Entspannung eintreten kann? Ist wirklich nur der Bruder der Sündenbock oder lief da einfach auch einiges falsch? Warum ist er so geworden, wie er jetzt ist? Was fehlte ihm? Was könnte man ihm geben, damit er besser durchs Leben läuft? Was KANN man überhaupt tun, dass sich alles bessert? Was sollte er tun, was ihr?

Für mich ist es immer sinnvoll, auch die andere Seite zu beleuchten, wenn es Probleme gibt. Denn Probleme schaffen sich meist nicht von alleine, sie haben einen Ursprung. Sicher, dein Bruder ist euch ein Dorn im Auge und er hat viel getan, damit das Verhältnis abkühlt. Aber woher kommt es, dass er "anders" ist? Habt ihr es ihm oft gezeigt, dass er anders ist? Wie kommt es, dass er so einen Weg eingeschlagen hat? Nur falsche Freunde? Oder auch "falsches Verhalten" seiner Familie? Wenn sich jemand nicht geliebt fühlt, nicht anerkannt fühlt, nicht respektiert fühlt oder den Eindruck hat, "hinten runter" zu fallen, dann kann sowas schon passieren.

Er war der, der "anders" war, der nicht in die Familie gepasst hat. Sein Vater weg, sein Stiefvater hatte mit dir und deiner Schwester eine eigene Familie aufgebaut, zusammen mit eurer Mutter, die auch seine Mutter ist...und zuerst war. Das ist für ein Kind oft nicht so leicht und wenn es nicht aufgearbeitet wird, können Frust, Enttäuschung und Wut seltsame Wege einschlagen. Es gibt Kinder, die dann über die Stränge schlagen, Kinder, die sich depressiv in sich selbst zurück ziehen, Kinder, die offen damit umgehen und Kinder, die sich so zur Wehr setzen, dass sie innerlich gesund bleiben, weil sie einfach alles gleich sagen, was sie stört. Und dein Bruder scheint zur ersteren Gattung zu gehören. Über die Stränge schlagen, negative Aufmerksamkeit ist auch Aufmerksamkeit...und dann in eine Bergab-Schleife geraten, aus der man kaum mehr heraus kommt.

Ich möchte ihn nicht total in Schutz nehmen, aber ich möchte dich/euch gerne sensibilisieren dafür, dass er sicher nicht einfach als "Sündenbock" und "Stein des Anstoßes" gesehen werden sollte. Was allerdings stimmt: man muss irgendwann die Verantwortung abgeben, man kann nicht ewig für ihn "haften", egal, ob finanziell oder seelisch. Auch sollte überlegt werden, ob er danach wirklich wieder in der Familie einzieht, oder woanders unterkommen kann, ob es Möglichkeiten für ihn gibt, zb in Wohngruppen oder auch alleine. Da helfen die Sozialarbeiter ja meist mit. Auch die Integration ins "normale Leben" wird ja von Sozialhelfern begleitet. Eine Freundin von mir ist genau in so einem Job, daher weiß ich das. Ämtergänge und Behörden werden begleitet und es wird aktiv mit nach Wohnungen gesucht. Dazu sollte er aber familiären Rückhalt bekommen, denn Ablehnung ist wirklich das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Vergebung und offen bleiben für die Belange des Bruders sind zwar schwer umzusetzen, aber meiner Meinung nach nötig, damit ihr alle wieder Frieden finden könnt. Und wenn ihr den Bruder verstehen lernen würdet, wäre schon ein großer Schritt getan und vielleicht wäre es für ihn dann auch leichter, sich der Familie wieder zu stellen. Denn er wird auch merken, wie er versagt und das ist echt schwer zu schlucken. Macht es ihm nicht so schwer...

Ich weiß, sagt sich alles leichter, aber ich habe schon mehrfach Vergebung bei Menschen geübt und weiß, dass es heilt und hilft. Ich kann es nur bestens empfehlen.

Alles Liebe,

Dana