Problem von Lara - 18 Jahre

Beziehungsunfähiger Freund

Hallo :)
Ich muss heute mal wegen einem Problem schreiben, was mir einfach nicht aus dem Kopf geht...
Im Sommer habe ich jemanden kennen gelernt, Daniel.
Wir haben uns über das Internet geschrieben, viel geschrieben, uns sehr gut verstanden und wenig später getroffen.
Wir haben uns direkt beim ersten Treffen geküsst und er wollte auch mehr.
Ich war damals aber noch nicht über jemand anderen hinweg und ich wusste, dass er auch nur was lockeres gesucht hat.
Einen Monat später haben wir uns dann wieder geschrieben und uns da auch wieder getroffen.. als wir geschrieben haben war er betrunken und hat mir auch zum ersten mal gesagt, dass er sich nach was festem sehnt.
Ich kam damals aber immer noch nicht damit klar und so hatten wir nach zwei Treffen wieder keinen Kontakt mehr.
Durch Zufall haben wir dann ab Dezember wieder geschrieben und auch wieder darüber, dass wir eigentlich beide was festes suchen. Aber beide wirklich schwierig sind.
Dazu muss man wissen, dass ich Borderlinerin bin.
Er hat vorher lauter Affären gehabt, weil er Beziehungen einfach nicht vernünftig dauerhaft führen kann.
Er war als Kind auch in Therapie wegen Soziopathie.
Wir hatten dann bis Anfang Februar eine Affäre, sind aber auch händchen haltend rumgelaufen, haben uns sehr gut verstanden, und auch wenn wir beide nie drüber geredet haben.
Deshalb kam es zwischenzeitlich zum Streit und wir hatten 2 Wochen keinen Kontakt, bis wir uns zufällig in einer Bar wieder getroffen haben und spontan geküsst haben.
Da hat er sich dann für uns entschlossen und seitdem waren wir auch zusammen und sehr sehr glücklich.
Es hat perfekt gepasst, wir konnten mit den gefühlsmäßigen Problemen des anderen gut umgehen, ich habe ihn sehr geliebt und er mich auch.
Uns ist es immer schwer gefallen das zu zeigen aber das wurde immer besser..
Bis vor etwa einer Woche wo es immer mal wieder komisch war aber zwischenzeitlich wieder normal.
Am Donnerstag haben wir uns dann getroffen und er war sehr komisch..
Hat mich am Ende lange umarmt, auf die Stirn geküsst und meinte er braucht Zeit, man hat gemerkt dass es ihm wirklich schlecht ging.
Da war mir eigentlich schon klar, dass das ein Ende war.
Später hat er mir dann geschrieben, dass es ihm Leid tut, aber er einfach keine Gefühle mehr für mich hat, dass er einfach extreme Probleme mit Beziehungen hat, weil er die Gefühle nicht halten kann, weshalb er sich in der Regel auf keine einlässt.
Ich wäre anders gewesen, er hätte noch nie jemanden wie mich getroffen, deshalb hätte er es probiert.
Weil er so glücklich mit mir war , aber er wolle nicht dass ich unglücklich wäre, weil er die Gefühle nicht mehr entsprechend erwidert.
Ich wäre ein wundervoller Mensch, alles was er sich wünschen würde aber er könne mich nicht weiter verletzen, weil er die Gefühle weder zu mir noch zu jemand anderem erwidern könnte.
es täte ihm so leid mir weh zu tun, aber es würde ihn seit einer Woche beschäftigen und ich hätte etwas besseres verdient.
Viele meiner Freunde denken das wäre nur eine Masche, aber ich bin mir sicher das ist es nicht.
Sein bester Freund meinte noch zu mir, Daniel sei einfach nicht so weit jemandem voll zu vertrauen, was seine psychischen Probleme angeht.
Ich weiß nicht mehr weiter.
Durch meine eigene psychische Erkrankung verstehe ich ihn gut und glaube wenn er zur Therapie gehen würde und wir miteinander reden könnten wir es hinbekommen.
Auch sein bester Freund sagt, es wären Gefühle da, nur wäre Daniel eben anders.
Er hatte immer schon große Angst mir weh zu tun, wollte mich beschützen und mir der perfekte Freund sein.
Das möchte ich gar nicht.
Ich würde das ganze so gerne durchstehen, habe mich sehr in das Thema Soziopathie eingelesen und glaube wirklich wir könnten es schaffen, er hat selbst so oft gesagt, ich wäre sein perfektes Gegenstück, und das stimmt wirklich.
Nur habe ich keine Ahnung wie ich an ihn heran kommen soll, ob ich es probieren soll und eine Chance habe.
Ich sehe wie er leidet, er spricht oft, wenn er betrunken ist von einer Leere, aber nüchtern bekommt er es nicht hin über Gefühle zu sprechen.
Ich würde ihm so gern helfen, und ich weiß, dass wir das hinbekommen können...
Ich bin mir im Klaren, dass Soziopathie sehr schwierig ist, aber das ist Borderline auch.
Für ihn bin ich bereit das alles durchzumachen, aber dafür muss er uns selbst eine Chance geben.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihm wirklich egal ist.
Ich habe ihn gestern abend gesehen und er sah völlig fertig.
Ich weiß nicht was ich tun soll..
Könnt ihr mir vielleicht einen Tipp geben?
Liebe Grüße Lara

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Lara,

du gehörst zu den Menschen, die die beeindruckende Fähigkeit haben, die Antwort auf ihr Problem bereits selbst zu formulieren:

ER muss euch eine Chance geben. Ich bewundere sehr, wie aus deinen Zeilen deine tiefe Liebe zu ihm spricht. Allerdings kannst du nicht mehr tun, als ihm diese zu versichern. Der entscheidende Schritt - nämlich, es gemeinsam zu wagen -, der muss von ihm kommen.

Deine Erzählung scheint zu belegen, dass Daniels bester Freund schon recht hatte: Er ist getrieben, er ist schwankend, und tut sich schwer, sich zu öffnen. Offenbar hat er aber erkannt, dass er dir besonders wichtig ist, und spricht von dir als seinem Gegenstück. Das ist ein Anfang - auch wenn es die Therapie wohl braucht. Guter Wille allein ist etwas Wichtiges, aber er sollte auch professionelle Hilfe bekommen. Das wird vielleicht schwerer, ihm das zu vermitteln, als dass du ihn liebst. Und du solltest auch darauf bestehen, dass er diese Hilfe aufnimmt. Denn alles Andere erhöht für euch beide das Risiko und macht es unnötig schwer - schwerer, als es bereits ist. Es ist ehrenvoll, dass du bereit bist, trotz deiner eigenen Schwierigkeiten die Sache mit ihm anzugehen, jedoch solltest du auch nie vergessen, dass du auch für dich selbst lebst. Ihr könnt es schaffen, da bin ich sicher; aber du musst dir selbst auch den Freiraum gewähren, dich deinen eigenen Problemen, die vor ihm bestanden haben, widmen zu können. Wenn sie durch deinen unermüdlichen Einsatz für ihn nicht verbessert, sondern verfestigt werden, weil du dich so um ihn sorgst, ist am Ende niemandem geholfen. Wenn du ihn deshalb kontaktierst, solltest du von Anfang an auch deutlich machen, dass du dir von ihm wünschst, dass er die Therapie versucht. Und dass du - genauso wie du für ihn da sein möchtest - auch seine Unterstützung gebrauchen kannst. Ich finde es wirklich toll. welchen Mut und welche Zuversicht du aufbringst, und ich denke, sie könnten einmal belohnt werden - aber genauso wichtig ist, dass du dich selbst schützt. Das erste entscheidende Hindernis ist seine Haltung. Selbst wenn er dir heute sagt, er möchte es versuchen, kann er auch in diesem Entschluss wanken, sich wiederum einreden, es sei ohnehin sinnlos, du hättest ihn gar nicht verdient, und so weiter. Dann solltest du damit rechnen, auch streng sein zu müssen. Ohne Anstrengung wird es nicht funktionieren. Dir ist das bereits klar - du musst eher Acht geben, dass du nicht zu kurz kommt. Er ist sich dessen noch nicht so bewusst, auch wenn du ihn für deinen Plan gewinnen und an deiner Seite halten kannst. Du bist diejenige, die es ihm erklären kann. Aber eben auch nur, wenn er sich dafür offen zeigt.

Eines darf nie vergessen werden: Daniel hat genauso wie du ein gewichtiges Problem, das er sich bewusst machen muss, dass er auf Dauer nicht verstecken und verdrängen darf. Er darf sich aber auch nicht darauf ausruhen. Du musst sicherstellen, dass ihr beide die Energie und den Willen findet (besonders er!) das Ding durchzuziehen. Niemand ist genützt, wenn du ihn eher mitschleifst, ihm zuredest, er aber innerlich noch nicht bereit ist. Es wird notwendig sein, ihn immer wieder zu bestärken. Aber auch du wirst Stärkung und Zuspruch und Zärtlichkeit brauchen. Die kann er dir nur geben, wenn für ihn das Ziel, trotz aller Zweifel, unverrückbar feststeht. Wenn er sich nur aus Gutmütigkeit oder weil er sich gedrängt fühlt, darauf einlässt, oder weil du ihm geschmeichelt hast, kann daraus nichts werden. Er muss es im vollen Bewusstsein tun, dass auch von ihm etwas gefordert ist. Allzu schnell nämlich wird aus den eigenen Problemen ein Schutzwall, hinter dem man sich verschanzt, um nicht sehen zu müssen, dass sie nicht normal sind, dass man selbst sich damit auseinandersetzen muss - dass auch die Anderen Rücksicht erwarten können und dürfen. So ist es nun einmal, und diese Erfahrung ist für niemanden schön. Ich glaube zwar nicht, dass sein Verhalten "eine Masche" ist; aber ich sehe doch die Gefahr, wenn du um jeden Preis erreichen willst, dass er es versucht, in ihm unbewusst das Gefühl wachsen könnte, dass du unendlich belastbar wärst. Das bist du jedoch nicht. Ihn aber könnte es verleiten, der Lösung seiner Probleme (will heißen: Sich selbst zu überwinden!) aus dem Weg zu gehen.

Schreib ihm, oder besser noch, ruf ihn an, oder, am besten: Sprich mit ihm. Gib ihm zu verstehen, dass er für dich etwas ganz Besonderes ist, dass er dich in deinem Lebenswillen bestärkt hat, und dass du gerne mit ihm gemeinsam eine Zukunft hättest. Ganz gleich, wie er reagiert - es ist nicht gesagt, dass das seine endgültige Meinung ist. Trotzdem solltest du es vorerst so stehen lassen. Wenn er dich abweist, wird er sich hoffentlich bei dir melden; wenn er dir zustimmt, setze ihn ebenfalls nicht unter Druck. Ihr steht am Anfang eures Weges - und er hat es in der Hand, ob er hier erst beginnt, oder schon zuende ist. Du kannst ihn nicht dazu zwingen, auch wenn es zu seinem eigenen Besten ist. Es macht nicht viel Sinn, ihn unter Druck zu setzen - er ist es, bei dem ein Denkprozess stattfinden muss. Zwar könntest du ihn jetzt wieder und wieder anrufen, ihn bitten, als gelte es dein Leben; doch du weißt nicht, ob damit etwas zu erreichen wäre. Es ist wichtig, dass auch du Stärke beweist und zeigst, dass du nicht um jeden Preis zu haben bist. Denn wie schon gesagt: Auch wenn er sich auf deinen Vorschlag einlässt, liegt das eigentlich Schwierige noch vor euch. Du musst auch auf dich selbst achten und deine Belastungsgrenzen kennen, andernfalls wirst du an deinem Vorhaben zerbrechen. Dein Ziel muss sein, auch ihm zu vermitteln, dass er in dir etwas Besonderes gefunden hat - du solltest seiner Eitelkeit (die hat jeder Mann) aber auch nicht zu sehr zuarbeiten. Sein Einsatz ist genauso gefragt wie deiner. Wenn er ihn dir gewährt, gibt es Hoffnung. Und ich wünsche euch beiden sehr, dass ihr gemeinsam euren Weg findet.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul