Problem von Laura - 26 Jahre

Kritik/Einen-Fehler-machen wirft mich komplett aus der Bahn

Liebes Team,

vor ein paar Tagen habe ich aus Unachtsamkeit einen Fehler begangen. Dieser hatte eigentlich keine schlimmen Folgen, dennoch habe ich dafür von einem Vorgesetzten massive Kritik erhalten. Ich habe eingesehen, dass ich einen Fehler gemacht habe, die Kritik dafür hat mich jedoch völlig aus der Bahn geworfen.
Ich kann seit Tagen nicht aufhören über die mail nachzudenken in der die Kritik geäußert wurde. Ich führe in meinem Kopf andauernd ausgedachte Gespräche mit der Person, in der ich versuche mich zu erkären und in der ich mich erneut entschudlige (ich habe das natürlich bereits gemacht). Ich muss mich ständig dazu zwingen nicht Tag und Nacht über den Vorfall nachzudenken, um schlafen zu können oder nicht in Tränen auszubrechen. Insgesamt fühle ich mich sehr niedrgeschlagen und bin nicht die selbe Person wie davor. Ich bleibe zum Beispiel bis sehr spät nachts auf, oder treffe fast jeden abend Freunde zum Trinken gehen, damit ich dann erschöpft ins Bett falle und die Gedanken nicht wieder kommen.
Ich weiß, das meine Reaktion übertrieben ist, aber ich schaffe es einfach nicht aus dem Loch herauszukommen.
Habt ihr einen Idee wie ich die Situation auflösen kann?
Liebe Grüße,
Laura

Anna Anwort von Anna

Liebe Laura,

vielen Dank für Dein Vertrauen uns gegenüber.
Stundenlange innere Gespräche führen, sich ablenken und verausgaben, um sich nicht dauernd mit den selben Gedanken beschäftigen zu müssen und eine starke innere Unruhe seit einem bestimmten Vorfall, für dessen zustande kommen man sich selbst die Schuld gibt - unter solchen Gefühlen leidet man immer wieder und sie sind Ausdruck dafür, dass das Erlebnis für einen selbst, innerlich, weitreichende Folgen hatte und jetzt entsprechend vom Unbewussten verarbeitet werden muss.
Dieser Verarbeitungsprozess dauert unterschiedlich lange und kann dadurch beschleunigt werden, in dem man ihm bewusste Aufmerksamkeit schenkt - das heißt: darüber mit jemandem spricht und/ oder die Gedanken aufschreibt. Hauptsache Du ver-äußerst sie - dann schwirren sie Dir nicht mehr im Kopf herum und der Gedankensturm legt sich ein wenig. Besonders hilfreich kann es sein, wenn Du eine andere Meinung dazu einholst. Wenn das Verhalten Deines Chefs so offensichtlich übertrieben war, wirst Du von Deinem Gesprächspartner sicherlich Zuspruch bekommen und genau der kann Dir helfen, Dich in Deinem Recht bestärkt zu sehen.

Wenn ich Deinen Text richtig deute, passiert Dir es aber öfter, dass Du Dich in solchen Situationen wiederfindest, oder? Ich glaube, dass es hier nicht nur die Kritik des Chefs war, die Dich so aus der Bahn wirft, sondern die Art und Weise, wie er sie rübergebracht hat. Stelle Dir einmal vor, Dein Chef hätte Dir sehr freundlich und sehr aufbauend gesagt, dass Du einen Fehler gemacht hast. Dass das vielleicht nicht so gut war, aber dass er weiß, dass Du es besser kannst - ein freundliches Gespräch eben. Würde es Dir dann jetzt auch so schlecht gehen? Und würde Dich das Ganze wirklich länger als vielleicht einige Stunden beschäftigen?
Ich denke, dass Du ein sehr empathischer Mensch bist, der selbst große Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen nimmt und Kritik, wenn Du sie überhaupt übst, dann sehr freundlich und zurückhaltend, immer darauf achtend, die Gefühle des Gegenübers nicht zu verletzen. Dein Chef ist nicht so. Dein Chef reagiert nur in seiner Rolle als Chef und nicht als empathischer, einfühlsamer Mensch, der auf die Gefühle der Mitarbeiter Rücksicht nimmt. Wahrscheinlich hatte er nur das Ergebnis der Arbeit und seine Ansprüche im Blick und ärgert sich dann, wenn ein Mitarbeiter dem nicht entsprochen hat.
Und hier möchte ich auf den zweiten Punkt zu sprechen kommen, diesmal einen Gedanken, der Dir die Last vielleicht nehmen kann - und zwar, dass es nicht PERSÖNLICH gemeint war. Deine emotionale Reaktion auf dieses Erlebnis zeugt davon, dass Dir das Ganze sehr nahe geht, dass Du es persönlich genommen hast, einfach weil Du persönlich ja auch viel Kraft und Perfektion in die Arbeit investierst. Du betrachtest Dich als Einheit, als ganzen Menschen und nicht als eine Funktion auf der Arbeit, nicht in der Rolle der Mitarbeiterin, die ihr Bestes tut und halt eben manchmal Fehler macht. An der Stelle muss ich sagen, dass ich es eigentlich sehr gut finde, dass Du Dich als ganzen Menschen betrachtest, auf der Arbeit wie im Privaten und Dinge Dich sehr berühren, nur leider sind es genau die Menschen, die sehr empathisch und sensibel sind, die "kein dickes Fell" haben, die unter grenzüberschreitender und unhöflicher Kommunikation, wie man sie ja sehr häufig am Arbeitsplatz findet, sehr leiden.
Dinge nicht persönlich zu nehmen, zwischen sich und der Welt eine sichere Grenze zu wissen und die eigene Seele immer als unantastbar zu erleben, ist sehr erleichternd. Muss aber geübt werden.

Ich denke, dieses Erlebnis und die Gefühle, die es in Dir ausgelöst hat, sind ein wunderbarer Einstieg, Dich selbst besser kennen zu lernen. Folgende Fragen können Dir dabei helfen:
- Was erwartest Du im menschlichen Miteinander von Deinen Mitmenschen?
- Welche Erwartungen und Ansprüche stellst Du an Dich selbst?
- Was bedeutet für Dich das Thema Grenzen und Grenzen setzen?
- Musstest Du schon öfters Grenzüberschreitungen erleben?
- Was würde Dir helfen, besser Grenzen setzen zu können und Dinge nicht persönlich zu nehmen?
- Wie reagierst Du auf Grenzüberschreitungen?
- Was weißt Du über Deine Selbstbehauptungsfähigkeiten? Kann Du Dich durchsetzen? In welchen Bereichen fällt es Dir leichter, in welchen schwerer?

Im Folgenden würde ich Dir sehr gerne noch einige Übungshefte empfehlen:
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Und auch noch eine Soforthilfe von unserer Kummerkasten-Seite:
http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/53/Hochsensibilitaet.html

Ich hoffe auf jeden Fall, dass es Dir bald besser geht und sich der Sturm bald legt und würde mich freuen, nochmal von Dir zu lesen. :-)

Viele Grüße,

Anna