Anwort von PaulG

Lieber Mario,

also hier nochmal die Kurzfassung aus meiner Sicht:

Du liebst deine Freundin, sie liebt dich, euer Sex ist schön. Sie hat vor deiner Zeit mit anderen Männern geschlafen, von denen sie auch weiterhin hört, was aber (ihrer Ansicht nach) nichts weiter bedeuten muss. Dir lässt das keine Ruhe; ständig denkst du dir, sie könne ja gar nicht mit dir zufrieden sein, und willst unbedingt mehr über ihre Vergangenheit erfahren, was dich nur noch unruhiger werden lässt.

Da sie dich liebt, denke ich nicht, dass sie dich deswegen gleich verlassen wird. In jedem Fall aber bist du auf dem besten Weg, dir durch deinen Zwang zur Selbsterniedrigung den Spaß an deiner Liebe und auch am Sex zu verleiden. Nehmen wir mal an, die Männer, mit denen deine Partnerin schreibt, wären alle ein bis zwei Jahre mit ihr liiert gewesen, hätten sich aber alle im Guten getrennt und unabhängig voneinander einen freundschaftlichen Kontakt behalten. Wie würdest du es dann wahrnehmen? Würdest du deiner Freundin diese Kontakte verbieten wollen, weil die Männer, um die es sich handelt, mit ihr intim gewesen sind? Was ist der eigentliche Grund, warum dich das stört - auch oder gerade, weil es "nur" Sexbeziehungen waren? Ich meine diesen zu erkennen: Du fühlst dich schlecht. Du glaubst, du könntest nicht gut im Bett sein. Die Tatsache, dass sie mit früheren Sexpartnern Kontakt hat, macht dir Angst, weil du glaubst, sie könnte sich an sie erinnern und in Momenten, in denen du sie nicht befriedigt hast, nach ihnen Sehnsucht bekommen. Um dich daraufhin zu verlassen. Wäre es dir denn lieber, wenn sie dir ständig sagen würde, wie langweilig es mit dir ist? Vermutlich nicht. Glaub mir: Ihr werdet noch an den Punkt kommen, an dem sich eine gewisse Gewöhnung einstellt, und Unzufriedenheiten auftauchen. Bis dahin, genieße doch aber erst einmal das Schöne, das gegenwärtig ist! Denn diese Kontakte mögen wirklich auf kumpelhafter Basis stehen, eher scherzhaft sein - und selbst wenn es von Seiten der Männer mehr ist, gilt es doch, sich zu sagen, dass deine Freundin nicht ihr Spielball und nicht der ihrer Sexualität ist, sondern ein denkendes Wesen, die genau weiß, was sie an dir hat. Und sich das bewahren wollen wird. Schließlich gibt es mehr im Leben, mehr, was man von einer Liebe erwartet, als das rein Körperliche.

Es fällt dir schwer, einzusehen, dass du ein guter Liebhaber sein sollst. Tja, vielleicht bist du ja ein Naturtalent? Das meine ich ganz ernst. Wem, wenn nicht der Frau, von der du geliebt wirst, möchtest du denn da vertrauen? Du bist in sie verschossen. Du begehrst nicht nur ihren Körper, sondern du möchtest sie glücklich machen. Glaubst du nicht, dass dieses Gefühl dir einen ganz anderen Umgang mit ihr eingibt, als reine Begierde es könnte? Ja, ich denke, du kannst ihr glauben, dass du sie glücklich machst, auch sexuell. Auch, wenn du mit ihr dein erstes Mal hattest. Man kann schließlich auch schnell lernen. Doch selbst wenn es nicht ganz perfekt wäre, wenn es Luft nach oben gibt - das hieße noch lange nicht, dass sie dich verlassen muss. Woher nimmst du die Gewissheit, dass ihre früheren Sexpartner "besser" waren? Da ihr schon lange zusammen seid, reicht es ja, wenn du genauso gut bist, oder? Und daneben, wie bereits gesagt: Vielleicht ist es wirklich so, dass die Tatsache, dass sie mit ihnen Zeit verbracht hat, einfach eine gewisse Vertrautheit bedingt. Eine freundschaftliche. Angenommen, du hättest eine Exfreundin, mit der du trotz der Trennung sehr vertraut bist: Würdest du nicht vielleicht in Versuchung kommen, sie um Rat zu fragen, wenn es in eurem Sexleben ein Problem gibt? So nach der Art: "Also, sag doch vielleicht mal... du so als Frau..." Könnte das nicht sein? Es ist problematisch, wenn du deiner Freundin Kontakte verbietest, immer. Denn das lässt ihren Frust im Zweifelsfall nur noch anwachsen. Dass sie mit Männern schreibt, mit denen sie intim war, muss ihre Liebe zu und ihre Zufriedenheit mit dir überhaupt nicht beeinträchtigen. Du bist gefordert, ihr zuzutrauen, dass sie das Gute, das ihr habt, und was sie schätzt, und das vielleicht auch ganz Nette der Vergangenheit, auseinander halten kann. Wenn du es nicht möchtest, dass sie mit ihnen schreibt (und menschlich ist es ja erst einmal ganz verständlich, dass es dich unangenehm berührt), muss man doch sagen, dass es nicht nur etwas über dein Selbstwertgefühl aussagt, sondern auch über das Ausmaß des Vertrauens, das du ihr entgegen bringst. Willst du sie wirklich so enttäuschen?

Für dich wäre es gut, dich mit dem Gedanken anzufreunden, dass du ihre Chatkontakte zunächst nicht wissen musst. Die Szenarien, die du dir ausmalst, mögen im Bereich des Möglichen liegen - irgendwie, irgendwann. Jedoch, das tun sie immer. In jeder Beziehung. Mit deiner Eifersucht schadest du zuerst dir selbst, und dann vielleicht auch eurer Beziehung. Versuche, deinen Drang, mehr über ihre Vergangenheit zu erfahren, im Zaun zu halten. Wenn sie nämlich weiß, dass du vor allem mehr darüber erfahren willst, um Nahrung für deine Angstgebilde zu gewinnen, und dass du alles, was sie dir so über ihr Leben erzählt, theoretisch darin einbauen kannst - dann wird das zu einer Unsicherheit ihrerseits führen. Was kann ich ihm noch erzählen? Wie belastbar ist er? Das kann nicht nur die Rede über Ex-Beziehungen betreffen, sondern quasi alles. Denn deine Angst vor ihrem Verlust, ihrer Untreue, macht ja womöglich irgendwann vor anderen Bereichen nicht halt? Dann hast du vielleicht Angst, sie würde in ihre Heimatstadt zurückziehen wollen, oder ein gefährliches Hobby wieder aufnehmen...? Du siehst, so kommst du nicht weiter. Die Lage ist sicher nicht so drastisch, wie du sie dir ausmalst; aber du hilfst dir selbst nicht und eurer Beziehung auch nicht, wenn du selbst so bereitwillig zur Hand bist, dir jeden Spaß daran zu verleiden und sie in Zweifel zu ziehen. Dies ist eine Prüfung für dich - und ich bin sicher, du wirst sie bestehen. Denn das bist du der Liebe deines Lebens doch schuldig, oder?

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul