Problem von Anonym - 29 Jahre

Er lässt keine Nähe mehr zu

Vor 3 Wochen hatte ich einen heftigen Streit mit meinem Freund. Es ging um seine Mutter, für die er viel Zeit investiert und die ihm wichtiger ist als ich. Er hat mich daraufhin aus seiner Wohnung geworfen. Eine Woche später kam es zur Aussprache. Wir wollten einen Neuanfang. Er möchte getrennte Wohnungen und dass wir uns 2-3 Mal die Woche sehen. Er will es langsam angehen lassen. Mittlerweile ist es so, dass er sich von allein überhaupt nicht meldet. Wenn er einen freien Tag hat, sagt er mir am Vortag noch, er überlegt sich was wir unternehmen könnten. Ich warte dann den ganzen Tag bis er sich meldet, aber da kommt nichts... Er meldet sich nicht. Später erfahre ich, dass er bei seiner Mutter war. Wenn ich ihn dann anrufe und frage, ob ich vorbeikommen kann, hat er nichts dagegen. Will ich ihm einen Kuss geben, stößt er mich einfach weg oder dreht sich weg. Vor 2 Tagen zum Beispiel konnte ich ihm noch einen Kuss geben, jetzt plötzlich nicht mehr. Wenn ich ihn streichel oder die Hand nehme, reagiert er nicht darauf. Er nimmt mich nicht in den Arm, streichelt mich nicht, von ihm kommt kein Körperkontakt. Wenn ich ihn an Stellen berühre, die intim sind, stößt er mich wieder weg. Er wollte einen Neuanfang, aber kann das so funktionieren? Er behandelt mich als wäre ich ein Kumpel, aber nicht seine Freundin. Würde ich nicht die Initiative jedesmal ergreifen, würde ich wochenlang nichts von ihm hören. Ich bin es langsam leid und frage mich ernsthaft, ob er das mit dem Neuanfang ernst meint oder nur mit mir spielt. Wie will er die Beziehung retten, wenn er sich so abweisend verhält und mich mit seinem Verhalten verletzt? Ich weiß nicht mehr wie ich mich verhalten soll oder was ich tun soll.

Judith Anwort von Judith

Liebe Unbekannte,

Das sind ja heftige Wochen, die Du hinter Dir hast, das tut mir leid zu lesen.
Ich will gern versuchen, Dir hier einen Rat zu geben.

Weisst Du, es ist sicher nicht einfach, wenn man zwischen zwei Personen, die man liebt, entscheiden soll. Dein Freund ist für seine Mutter da und Du fühlst, dass Du zu kurz kommst, dass sie ihm wichtiger ist als Du. Ich weiss nicht, ob es einen Grund gibt, dass er sich so intensiv um sie kümmert (ist sie krank?), aber wie dem auch sei: es ist ihm wichtig, Zeit mit ihr zu verbringen.

Wenn Du ihn vor die Wahl stellst, dann wirst Du ihn nur weiter von Dir wegtreiben. Und da hilft es dann auch nicht, wenn Du Dich ihm fast schon aufdrängst bzw. ihn bedrängst (körperlich). Es besteht offensichtlich noch Klärungs- und Redebedarf.

Also, was kannst Du machen?
Ich denke im ersten Schritt frage ihn mal, was er erwartet um in einer Beziehung glücklich zu sein. Und dann lege ihm mal ganz objektiv und nüchtern da, wie Du Dich fühlst. Dabei hilft es, die sog. www Regel anzuwenden: Wahrnehmung-Wirkung-Wunsch. Also zum Beispiel:

Ich nehme wahr, dass Du viel Zeit mit Deiner Mutter verbringst und dass Du auch keine Initiative ergreifst, mit mir abzumachen.
Das wirkt auf mich, als würdest Du Deine Mutter vorziehen und nicht aktiv an unserer Beziehung arbeiten wollen.
Mein Wunsch ist, dass wir uns auf ein gemeinsames Ziel verständigen (zB. 2x pro Woche sehen, an Abmachungen halten, jedes Wochenende was unternehmen, ggf. mal gemeinsam mit der Mutter).

Wichtig ist, dass Du mit „Ich Botschaften“ arbeitest. Also ihm erzählst, wie Du Dich fühlst und was Du Dir wünscht. Und dass Du nicht ihn beurteilst („Du liebst mich nicht! Alles andere ist wichtiger! Du bemühst Dich nicht!“), sondern Deine Wahrnehmung beschreibst („Wenn ich mich Dir nicht nähern kann wirkt das auf mich als magst Du meine Nähe nicht mehr“).

Du schreibst nicht, was Du für ein Verhältnis zur Mutter Deines Freundes hast. Vielleicht hilft es, wenn ihr einen positiven Kontakt miteinander aufbaut.

Wenn ihr emotional geklärt habt, was ihr möchtet und wie die Beziehung aussehen soll, dann kann Dein Freund sich auch wieder körperlich einlassen. Wenn aber das noch wie ein Elefant im Raum steht, den keiner zur Sprache bringt, dann klappt das mit dem Neuanfang nicht. Eben weil man nicht weiss, was man ändern möchte. Verzeihen allein hilft noch nicht; man muss wissen, was man in Zukunft anders machen möchte.

Hier noch ein Artikel zu dem Thema:
http://www.mopo.de/ratgeber/gesundheit/psychologin-gibt-tipps-wie-mann-zum-muttersoehnchen-wird---und-was-frau-tun-kann-5529932

Alles Gute!
Herzliche Grüsse,

Judith