Problem von Michelle - 18 Jahre

Mitschuld am Suizid?

Hallo,
Zunächst möchte ich sagen dass es mir nicht um einen rechtlichen Rat geht. Den dürft ihr mir nicht geben, das weiß ich. Es geht mir nur um eine moralische und menschliche Meinung.

Ich bin in einem Forum angemeldet. Dort ist mir recht schnell ein anderer User aufgefallen, nennen wir ihn mal Z. Z hat öfters misanthropische und fast schon depressive Beiträge verfasst. Er schrieb öfters dass er sterben wolle, aber Angst hätte es durchzuziehen. Irgendwo war mir aber immer klar dass er es wahrscheinlich irgendwann durchziehen würde. Dennoch habe ich nichts getan, ihn weder kontaktiert noch gemeldet. Es war ja nur ein Gefühl, so dachte ich..

Nun ja, das Ende vom Lied: er hat sich im Sommer 2014 das Leben genommen. Nun fühle ich mich schuldig weil ich nichts getan, nicht gehandelt habe obwohl ich es geahnt habe. Sind meine Vorwürfe berechtigt oder wie seht ihr das?
Wie gesagt, es geht mir nicht um die Rechtslage sondern nur um den moralischen Aspekt.

Grüße,
Michelle

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Michelle.

Die Frage habe ich mir selbst hier im Kummerkasten auch schon oft selbst gestellt: was ist, wenn ich hier ein Problem lese, worin ein Suizid angedroht wird? Und ich antworte nicht?
Bin ich dann Schuld, wenn sich der dann tatsächlich umbringt?
Es mag Dir hart erscheinen.
Ich persönlich kann mich mit fast jedem Problem auseinandersetzen.
Will es auch: deshalb schreibe ich hier im Kummerkasten noch!
Magenschmerzen bekomme ich immer dann, wenn jemand mit Konsequenzen droht, die ich nicht beeinflussen kann.
Wer uns eine Antwort abnötigt.
"Wenn Du nicht antwortest (und meinen Schmerz genau aus dem erkennst, was ich Dir geschrieben hatte, bringe ich mich um! Morgen um 12 Uhr!)"
Aber für mich fängt es bei den Worten an: "Suizid" oder "Selbstmord"?

Für mich persönlich gibt es keine Verharmlosung: es gibt Menschen, die vom Leben überfordert sind. die keinen Ausweg suchen und keine Hilfe annehmen (können).
Was ich Dir als Rat mitgeben will, liebe Michelle, ist das, was mich trotzdem hier immer noch schreiben lässt:
"Suizid" ist wohl eher ein "Terminus technicus". Eine Wortschöpfung, die wohl eigentlich nur die Begrifflichkeit des Wortes selbst "MORD" umgehen sollte.

Mache Dir einmal ganz klar: Deine Internetbekanntschaft hat Selbstmord begangen!
Er hatte alle Entscheidungsmöglichkeiten!
Und hat sich für genau seine Variante entschieden!
Er hat euch nicht wirklich in seine Entscheidungsprozesse einbezogen?!

Wenn Du für den Selbstmord Deines Bekannten verantwortlich bist ....
Kann ich mir selbst und viele vom Kummerkasten sich selbst den Strick (oder die Kugel) geben.

Stell Dir vor, Du bist Lokführer in einem Güterzug, Du siehst auf einmal einen vor Dir im Gleis stehen.
Der schaut Dich auch noch an!
Du löst eine Notbremsung aus. und weißt genau, dass es etwa 1000 m braucht, bis Dein Zug stehen kann.
Der Dich anschaut weiß, dass Du keine Chance hast!

Mein Mitgefühl gilt dem Lokführer!
Sicherlich nicht dem, der einen Unschuldigen für sein provoziertes Versagen "mitverantwortlich" machen wollte.

Alles Liebe

Bernd