Problem von Anonym - 21 Jahre

Ich kann mich selber nicht leiden

Guten Abend,

ich lege einfach mal los. Ich bin 21 Jahre und weiblich. Ich hasse mich selber. Ich hasse meinen Körper und meinen Charakter. Ich bin unbeschwert aufgewachsen und auch bis jetzt ist mir nichts widerfahren, wodurch mein Verhalten erklärbar wäre. Es ist einfach so seit ein paar Jahren. Es ist nicht so als wäre ich Übergewichtig oder sonstiges (was nicht abwertend klingen soll). Ich sehe andere Menschen und ich frage mich: Wieso bist du so wie du bist? Häufig breche ich in Tränen aus. In meiner Beziehung habe ich große Probleme. Ich habe ein Eifersuchtsproblem fernab von Gut und Böse. Ich wäre einfach gerne jemand anders. Ich stehe vor dem Spiegel, sehe mich an und ich muss weinen, weil ich mich manchmal einfach nicht sehen will.

Vielleicht identifiziert sich jemand mit meinem Problem und hat Lust ein paar Takte dazu zu schreiben. Ich würde mich freuen!

Viele Grüße

Judith Anwort von Judith

Liebe Unbekannte,

Vielen Dank für Deine Email. Was Du beschreibst geht -leider- vielen so.
Sich selbst anzunehmen und mit sich im Reinen und zufrieden zu sein, das ist eine Aufgabe, die das ganze Leben dauert. Und das ist nicht leicht.

Du schreibst, dass nichts passiert sei, was Deinen Selbsthass erklären würde.

Weisst Du, meine Liebe, es muss nicht immer „etwas objektiv Schlimmes“ passieren, damit man leidet. Krankheit, ein traumatisches Erlebnis, Tod eines Angehörigen, Verlust des Partners… Das sind sicher Dinge, die einen Menschen prägen und wo die Mitmenschen sagen: „Du darfst leiden.“

Das heisst im Umkehrschluss leider auch oft: „Wie? Nichts „wirklich Schlimmes“ ist passiert? Na dann hab Dich mal nicht so! Jammer nicht! Anderen geht es noch schlimmer als Dir.“

Ich hatte mal einen Bekannten, der war „Meister“ darin, anderen und sich selbst das Recht abzusprechen zu leiden. Das Essen schmeckt nicht? Mecker nicht – in anderen Teilen der Welt hungern die Menschen. Du hast eine Erkältung? Jammer nicht – andere haben keine Medikamente. Etc.

Ich bin keine Psychologin, aber ich habe oft gehört und gelesen, dass Mädchen und Jungen grossen Druck fühlen von den Eltern. Besondern, wenn die Erziehung darauf basiert, dass man immer fröhlich sein muss, „funktionieren muss“. Die starke grosse Schwester sein, der kleine Sonnenschein. Das Lebensglück der Eltern, gut in der Schule, das keine Sorgen macht. Usw. usw. All das übt Druck auf ein Kind bzw. auf einen jungen Menschen aus. Auch wenn die Familie es „nur gut meint“, dann können solche Erwartungshaltungen der Eltern dazu führen, dass man sich und auch seine kleinen Macken und Besonderheiten nicht annehmen kann. Dass man denkt (unbewusst), man ist nur „gut“, man ist nur dann „liebenswert“, wenn man die Erwartungen anderer erfüllt. Das führt auch zu eifersüchtigem Verhalten - weil man im Grunde nicht glaubt, dass man "liebenswert" für den Partner ist.

Natürlich ist es sicher erstrebenswert, dass man die Erwartungen der Umwelt versteht. Wenn hier jeder das machen würde, was er möchte, wäre ein gesellschaftliches Zusammenleben kaum möglich. Aber eben: Wir alle haben eigene Wünsche und Eigenheiten. Und sich ständig an den Erwartungen anderer zu messen und sich nicht in seiner Eigenheit anzunehmen, ist sicher nicht gesund.

Was kann ich nun Dir raten?
Ich denke, Du solltest lernen, Dir selbst wohlwollend gegenüber zu sein. Miss Dich nicht an den Ansprüchen anderer, sondern an Deinem eigenen Standard. Du bist ein liebenswerter, interessanter, begabter Mensch. Punkt. Was macht Dir Freude? Musik? Kunst? Natur? Gönne es Dir, Deinen Stärken und Neigungen nachzugehen. Lobe Dich selbst und sei stolz auf Dich, auch ohne das Lob anderer,

http://www.gedankenpower.com/5-tipps-um-sich-selbst-zu-lieben/

http://www.lebenshilfe-abc.de/selbstbewusstsein.html

Ich wünsche Dir alles Gute auf Deinem Weg!

Herzlich,
Judith