Problem von Laura - 14 Jahre

Ein, zwei (oder mehr) Probleme

Hallo liebes Team. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht ja so:
Ich bin 14 Jahre alt, gehe auf ein Gymnasium und kann mich eigentlich nicht beklagen. Mein Notendurchschnitt ist überdurchschnittlich gut, ich habe ein schönes großes Zimmer und eine Mutter die viel für uns tut. Eigentlich hab ichs also gut. Jedoch gibt es ein, zwei Probleme. Da man die aber nicht so gut trennen kann, kommt hier alles in einem riesigen Text:
Ich hatte schon immer Probleme damit, meine Gefühle und Gedanken auszudrücken. Ihr müsst wissen, dass ich ein sehr tiefgründiger Mensch bin und über sehr schwierige Dinge nachdenke (Sinn des Lebens, Sexualität, Liebe, Krieg...). Desweiteren philosophiere ich gern und liebe es zu lachen. Das weiß nur keiner. Denn ich bin in der Schule zum Beispiel nicht so. Ich glaube es liegt daran, dass ich in der Grundschule schon nie eine richtige beste Freundin hatte und oft einfach benutzt wurde. Da baut man gewisse "Mauern" in sich auf und kann es gar nicht so richtig glauben, dass einer einen wirklich mag. Ich werde schnell pampig, wenn mir jemand nahe steht, nur, um diese Personen auf Abstand zu halten (glaube ich jedenfalls). Es ist zum Beispiel so, dass ich nun an meinem Gymnasium sehr gute Freunde gefunden habe, die mich aber auch nicht komplett kennen. Ich bin auf Klassenfahrt schnell mies gelaunt, da ich die Nähe anderer nicht gut aushalte. Jetzt habe ich ein Image als "Die-mies-gelaunte". Und wenn ich dann mal zwei Tage am Stück nicht mies drauf bin kommen Sticheleien wie "was ist denn mit dir los? Du lächelst ja sogar". Ich glaube nicht, dass sie es böse meinen, aber es verletzt mich schon. Und da kann ich noch so lange lächeln und grinsen wie ich will, selbst wenn ich nach drei Wochen erst wieder mies drauf bin, dann heißt es gleich wieder: "Du bist immer so schlecht gelaunt." Ich finde das nicht fair. Auch meine Freundinnen sind mal schlecht drauf und maulen mich an, aber sie werden dann einfach in Ruhe gelassen. Es ist doch nicht fair, dass ich dann wieder die Blöde bin, nur weil ich mal keinen Bock habe, so zu tun als sei mein Leben komplett in Ordnung.
Außerdem glaube ich, dass mich keiner versteht. Das hängt mit den oben genannten Dingen zusammen. Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, schwing sich sofort ein Lächeln auf meine Lippen und ich sage wie mechanisch: Gut. Dabei geht es mir fast nie gut. Ich hätte gern eine Person, die mir dann in die Augen sieht und sagt: Sag mir die Wahrheit, oder die mich in den Arm nimmt, wenn ich sie anschreie, weil sie versteht, dass ich ihr wehtue, weil ich es satt habe, verletzt zu werden. Aber die habe ich nicht. Ich sehne mich nach Liebe und Nähe, aber ich reagiere trotzdem (wenn auch nur ausversehen) jedes Mal abweisend. Ich finde das total frustrierend. Ich hasse, es, wenn ich so bin und ich will es nicht mehr sein. Ich will so sein, wie ich tief in mir bin - freundlich, intelligent, Weltveränderer. Aber ich bin und bleibe nun mal so abgestempelt. Und mich öffnen schaffe ich nicht, ich habe es versucht. Aber diese Freundin hat mich auch nur wieder verletzt (auch wenn sie es nicht weiß), und ich bin in sie auch noch verliebt - aber das ist etwas ganz anderes, was ich jetzt hier nicht erklären möchte. Wir sind 5 in unserer Qlique, also bleibe ich häufig. Das war so ziemlich das erste Problem, dass mich seit über 3 Jahren schon beschäftigt.
Als nächstes kämen wir dazu, dass ich mich irgendwie undankbar finde. Ich weiß, dass meine Mutter und mein Vater sehr viel für uns tun, denn sie halten uns den Rücken frei und lieben uns (mich und meinen Zwillingsbruder) sehr. Ich weiß das alles, aber ich zeige es meiner Meinung nach zu wenig. Auch wenn ich meiner Mom öfter sage, dass ich sie liebe und es toll finde, was sie für uns tut, finde ich mich zu faul was den Haushalt o.ä. angeht. Dabei stimmt das nicht unbedingt. Es ist wahr, dass wir nicht sonderlich viel tun müssen, aber ich helfe beim Essen machen, Wasche / Trockne ab, Wasche auch mal Wäsche oder Bügle, trage Müll raus, helfe im Garten ...(das meiste eben aus der Unufriedenheit freiwillig) Aber ich will ihr irgendwie noch mehr zeigen, wie lieb ich sie hab. Oder bin ich einfach zu streng mit mir?
Hinzu kommt noch, dass ich häufig selbstbewusst auftrete und meine Meinung verbal extrem sicher verteidige. Sobald ich aber in unbekannte Situationen komme, dann weiß ich nicht, was ich machen soll oder habe einfach extrem viel Angst, einen Fehler zu machen. Kurz und knapp zusammengefasst bin ich wohl irendwie Perfektionistin. Daher hasse ich es, einen Fehler zu begehen und kann die meistens schon gar nicht zugeben (bei einigen geht es, bei anderen fällt es mir sehr schwer). Ich kann Leute nicht leiden ,die ihre Fehler auf andere schieben. Trotzdem bin ich selbst so jemand. Mein extremer Ehrgeiz (dem ich aber größtenteils meinen Erfolg in der Schule verdanke) hilft mir da auch nicht weiter.

Im Großen und Ganzen bin ich wahrscheinlich zu streng mit mir und der Welt, aber ich kann dieses mich-nicht-leiden-können nicht ablegen. Für mich gibt es immer etwas an mir zu kritisieren und wenn es nur meine Zeichenkunst etc. ist.
Ich denke viel an diese Dinge und vergleiche mich ständig mit anderen. Andererseits bin ich aber auch oft glücklich, nämlich wenn ich allein bin. Manchmal kann ich Alleinsein aber nicht ausstehen.
Ich verschrecke viele ruhigere Leute mit meiner lauten Art (aber nur wenn ich sie kenne) und sonst bin ich schüchtern.
Ich bin echt kompliziert, oder?
Ein wenig Angst habe ich auch, wegen diesen Dingen in eine Depression zu verfallen (manchmal bin ich wirklich traurig und wütend auf mich selbst und ich glaube nicht, dass es nur an der Pubertät liegt). Es gibt eben sehr viele Dinge, die ich nicht leiden kann oder in denen mir die Welt nicht passt, manchmal bin ich das, manchmal die Politik, manchmal die vorurteilbehaftete Gesellschaft und noch so vieles mehr. Am liebsten würde ich die ganze Welt retten und ich bin traurig und wütend zugleich, weil es zu wenige gibt, die da wie ich denken. Oder eben zu wenige, die wissen, wie ich denke.

Ich brauche jetzt dringend einen Rat. Bis ich den habe flüchte ich mich ins Korrigieren eines literarischen Textes. (Kann sein, dass hier einiges grammatisch oder orthografisch falsch ist, sorry dafür, ich hatte keine Lust darauf zu achten :P)

GLG und Danke an den oder die, der/die es bis hier geschafft hat mit lesen
Laura

Anna Anwort von Anna

Liebe Laura,

vielen Dank für Dein Vertrauen und für Deinen langen Text. Ich finde es sehr beeindruckend, wie gut Du Deine Gefühle und Gedanken in Worte fassen kannst und wie reflektiert Du über Dich und Deine Umwelt nachdenkst.

Zunächst einmal - ich kann gut verstehen, dass Du Dich nicht so wohl fühlst. Jeden Tag von morgens bis nachmittags in der Schule zu sein und dazu gezwungen zu sein, mit immer denselben Leuten Kontakt zu haben, ist gar nicht so einfach. Ich erinnere mich selbst daran, als wie anstrengend ich manche Zeiten empfunden habe, vor allem immer dann, wenn ich Streit mit einer Freundin hatte oder sonst wie negative Aufmerksamkeit bekommen hab. Am liebsten hätte ich einfach meine Ruhe gehabt, aber auf der anderen Seite will man ja auch dazu gehören. Also bleibt einem meist nichts anderes übrig, als darübe nachzudenken, wie die anderen einen behandeln, was am Tag mal wieder so vorgefallen ist und mit seinen Freundinnen darüber zu diskutieren, was der und jener Spruch oder Blick wohl bedeuten könnte.
Da man nun in einer festen Klassengemeinschaft ist, von der man übers Handy/ Internet auch noch nach der Schule einiges mitbekommen muss, ist es gar nicht so leicht, wenn man eigentlich merkt, dass man sich von den meisten unverstanden fühlt, wenn man das Gefühl hat, einfach nicht so richtig zu den anderen zu passen.
Du sagst, Du philosophierst gerne und denkst oft über tiefgründige Dinge nach - nun - ich könnte mir vorstellen, dass das nicht so die Hauptgedanken der meisten anderen sind. Damit will ich nicht sagen, dass die anderen alle oberflächlich sind und nie mal über was Ernstes nachdenken, aber ich kann es mir eben gut vorstellen, dass Du Dich somit nicht so auf einer Wellenlänge mit den anderen aus Deiner Klasse siehst. Fühlst Du Dich von Deinen Freundinnen wenigstens etwas verstanden oder sprecht ihr auch nur über eher oberflächlichere Themen? Wichtig ist es immer, dass man jemanden hat oder kennen lernt, der ähnliche Gedanken teilt, bei dem man sich aufgehoben fühlt und wo man sich verstanden fühlt. Es macht nichts, wenn die Person nicht in der selben Klasse ist, aber irgendwann mal mit jemandem über das reden zu können, was Dich beschäftigt, ist sehr wichtig, weil es einfach unglaublich gut tut! Oft ist es aber auch so, dass man in der Schule nicht dazu kommt über was Ernsteres oder Tiefgründigeres zu sprechen. Viele wollen ihr "wahres Gesicht" dort auch gar nicht zeigen, weil sie sich, wie Du, irgendwie eingemauert haben. Vielleicht auch, weil sie selbst schlechte Erfahrungen gemacht haben in Freundschaften und es ihnen so schwerfällt Vertrauen aufzubauen. Es lohnt sich also immer Menschen näher kennen zu lernen, denn erst dann weiß man, was wirklich in ihnen vorgeht. Zum Beispiel findest Du ja auch, dass Du manchmal sehr schüchtern bist, vor allem in Situationen, die Dir fremd sind. In der Schule, in so einer großen Klassengemeinschaft, wo jeder immer alles vom anderen mitbekommt - da fällt es nicht schwer, sich fremd zu fühlen.

Ich kenne Dich zwar nicht persönlich, aber ich könnte mir vorstellen, dass Du hochsensibel bist. Hochsensibilität kommt bei ungefähr 15-20% der Menschen vor und bedeutet, dass man ein sensibleres Nervensystem als andere hat.
Hier kannst Du noch mehr darüber nachlesen: http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/53/Hochsensibilitaet.html
Hochsensiblen Menschen wird es schnell mal zu laut und zu hektisch - das liegt daran, dass ihr Nervensystem einfach viel mehr Sinnesreize verarbeiten muss. Ein Schulalltag kann da je nach Verfassung schnell mal zu einer richtigen Herausforderung werden und man ist schneller erschöpft als es andere sind. Was auch passt, ist dass einem Klassenfahrten schnell zu anstrengend sind, da man viel Zeit für sich alleine braucht und es sich so beinahe als unerträglich anfühlen kann, dazu gezwungen zu sein, die anderen rund um die Uhr zu sehen.
Aber Hochsensibilität bringt auch sehr viele Vorteile mit sich - man ist sehr kreativ und feinmotorisch, man hat sehr tiefgründige Gedanken, schaut irgendwie hinter die Fassaden und erkennt schnell Zusammenhänge. Man interessiert sich eher für Philosophie und für Themen, über die man erstmal länger nachdenken muss und vor allem kann man oft viel intensivere und tiefere Freundschaften führen, da man das Gegenüber richtig kennenlernen will und es reicht einem nicht, oberflächliche Kontakte zu führen.
Es ist nur in unserer schnelllebigen, materialistischen Welt nicht immer so einfach, die Vorteile eines sensiblen Nervensystems für sich zu erkennen und zu nutzen.

Ich finde Dich nicht kompliziert, oder zumindest nicht komplizierter als andere Menschen. :-) Aber ich kann verstehen, dass Du Dich selbst kompliziert findest, weil Dir im Moment vielleicht noch einfach die Übersicht über Deine sehr vielen Gedanken fehlt. Es hilft zu schreiben und die Gedanken auf Papier zu bringen. Es mag Dir vielleicht schwerfallen, sie anderen von Angesicht zu Angesicht mitzuteilen, schriftlich konnte ich Dich aber sehr gut verstehen und ich finde, dass Du Dich für Dein Alter wirklich sehr gut ausdrücken und vor allem schreiben kannst. Da könnte man doch was draus machen, oder?
Ich verstehe auch Deine Einsamkeit - die Sehnsucht nach jemandem, der einen einfach so richtig versteht, wo man sich sehr aufgehoben fühlt. Ich weiß nicht, ob es Dich tröstet oder Dich frustriert, aber ich glaube, so jemanden zu finden, ist sehr sehr selten! Ich habe bisher erst zwei Menschen kennen gelernt, bei denen ich mich so gefühlt habe, aber ich weiß, dass es mir einfach seelisch soo gut getan hat. Ich wünsche Dir auch, dass Du mal so jemanden triffst, denke aber, dass Du nicht zu enttäuscht sein solltest, wenn das nicht so schnell geht, wie Du es vielleicht jetzt brauchst.

Liebe Laura, ich wünsche Dir alles Gute und wünsche Dir viel Erfolg und Kraft auf Deinem Weg. Wenn Du noch weiter darüber schreiben möchtest, melde Dich einfach - ich würde mich freuen. :-)

Viele liebe Grüße,

Anna