Problem von Anonym - 13 Jahre

Vater hatt Krebs, ich weiß nicht mehr weiter

Halla liebes Kummerkasten-team.
In letzder Zeit gibt es in meinem Leben so viele Probleme das ich nicht weiß wie ich es kurz zusammen fassen soll.
Alles hatt angefangen als mein Vater vor circa 3 Jahren Darm Krebs bekommen hatt.
Er wurde in die Klinik verschrieben und blieb dort ein Jahr.
Dort hatte er eine Operation,bei der ihm ein Stück des Darms herausgeschnitten wurde und eine Chemotherapie..Noch dazu kommt das er jetzt auch noch an Alzheimer erkrankt ist,was wahrscheinlich auch an dem Krebs liegt. Jetzt ist mein Vater total komisch.
Er kann nicht mehr 16-9 rechnen und ist total unhöflich geworden. Ich kann nicht richtig beschreiben wie er sich verhällt. Er ist einfach anders als früher. Früher war er ein so aufgeweckter,höflicher und lustiger Mensch,aber jetzt ist er einfach total schlimm geworden und ich kann nicht anders als seinen Charakter zu hassen. Meine Mutter meint das das alles an der Chemotherapie liegt.
Mein Vater hatt sich sehr um mich und meinen Bruder gekümmert und hatt viel dafür gegeben das wir gebildete Kinder werden.
Das macht er alles nicht mehr. Es ist als wäre er tot, nur das er irgendwie trotzdem noch da ist.
Ich will meinen alten Vater wieder zurück!!!
Und auch mein Bruder leidet unter diese Situation.
Er verschanzt sich nurnoch in seinem Zimmer und tut so als wäre alles normal.
Er kappselt sich total von der Welt ab, verabredet sich selten mit Freunden und war auch noch mit keinem Mädchen zusammen,obwohl er schon 18 ist.
Ich mache mir um meine ganze Familie total Sorgen.
Um meinen Vater,weil er so komisch ist, um meinen Bruder weil er sich so abkapselt und um meine Mutter, weil ich nicht weiß wie fiel sie noch aushällt.Ich hallte es einfach nicht mehr aus. Ich weiß das sich die Zeit mit meinem Vater genießen sollte,weil er aufgrund des Alzheimers in ca. 3 Jahren nicht mehr wissen wird wer ich bin. Aber er ist einfach so komisch und anders.Er ist total still geworden und redet nicht mehr mit uns. Er bleibt jeden Tag zu Hause und starrt durch die Gegend..
Ich will das einfach nicht mehr, alles ist so kompliziert und ich wünsche mir so sehr einfach jemand anderes zu sein. Ich will das einfach nicht mehr und ich habe schon oft an daran gedacht das ich mich ritzen soll, oder Selbstmord begehe, doch das kann ich meiner Mutter einfach nicht antun.
Und ich will auch niemanden anvertrauen wie scheiße es mir geht und wie oft ich in letztder Zeit das sitze und weine.
Es ist mir peinlich vor Freunden und meiner Mutter will ich es nicht erzählen,weil sie sich dan nur totale Vorwürfe machen würde und sich ständig Sorgen machen würde.
Ich habe mich schon im Internet erkundigt und viele Anzeichen für Depressionen treffen bei mir zu.
Ich bin in letzter Zeit sehr nachdenklich,habe schon längere Zeit Probleme mich zu konzentrieren und habe eine Schlafstörung.
Ich habe sehr starke Selbstzweifel und habe keinen Spaß an allem was ich bissher total lustig fand, ich bin total antriebslos und muss mich zu den kleinsten Sachen zusammenreißen.Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich weiß nicht wem ich mich anvertrauen soll. Aber ich will das irgendjemand endlich darauf aufmerksam wird wie dreckig es mir geht.Ich weiß einfach nicht mehr was ich tun soll.

Anna Anwort von Anna

Hallo liebe Anonyme,

Dein Text hat mich sehr berührt und sehr traurig gemacht und ich hoffe, dass ich Dir in Deiner jetzigen Situation wenigstens ein bisschen weiterhelfen kann - und wenn Du einfach nur weißt, dass ich Deinen Text gelesen habe und es irgendwo auf der Welt jemanden gibt, der unglaubliches Mitgefühl mit Dir hat.

Es ist ein furchtbarer Schicksalsschlag, wenn ein Elternteil eine schwere Krankheit bekommt bei der man nie weiß, wie es weitergeht. Plötzlich ändert sich in der Familie alles, denn jeder Einzelne wird plötzlich mit etwas konfrontiert, das zu verarbeiten einfach zu krass ist: dem Tod. Natürlich hat man immer mal wieder erlebt, dass jemand gestorben ist, aber meistens waren es dann doch eher ältere Leute, Menschen, die einem vielleicht sehr nahe standen, aber deren Tod man irgendwie AKZEPTIEREN konnte; deren Tod irgendwie normal ist, weil sie eben schon alt waren und vielleicht schon viele Jahre krank und immer schwächer wurden.
Dass Du nun aber mit der Krankheit Deines Vaters fertig werden musst und das mit 13 Jahren, das ist einfach zu viel. Das ist auch für Deinen älteren Bruder zu viel und für Deine noch ältere Mutter, aber 13 ist wirklich ein Alter, in dem man mit sowas nichts zu tun haben sollte. Aber das Traurige ist, dass man sich das nicht aussuchen kann - dass man die Dinge im Leben so nehmen muss wie sie kommen und dann kann man nur noch entscheiden wie man sich ihnen gegenüber verhält. Und wie man ja auch in Deinem Text lesen kann, ist es nicht nur der eine Mensch, der vom Tod bedroht wird und den man vielleicht verlieren muss, sondern man erlebt ja auch, wie sich die anderen Familienmitglieder verändern und mit sich selbst kämpfen. Und dabei spielt es oft keine Rolle wie viel Lebenserfahrung man schon gesammelt hat - wenn man unerwartet mit der Krankheit eines nahestehenden Menschen konfrontiert wird, wirft einen das immer komplett aus der Bahn.

So ist es zum Beispiel bei Deinem Bruder. Seine Art und Weise damit umzugehen, ist es, sich einzuigeln, sich zu verkriechen und kommt nur mit der Situation klar, in dem er so tut als wäre alles ok. Ich bin mir sicher, dass er sich auch Sorgen um Dich und um Deine Mutter macht, aber er kann einfach keine Art von großen Gefühlen zeigen - er ist wie eingefroren. Ein Zustand, der es ihm ermöglicht, wenigstens noch IRGENDWIE klarzukommen und nicht die ganze Palette an schlimmen Gefühlen fühlen zu müssen. Und Deine Mutter ist wahrscheinlich auch total überfordert, sorgt sich um ihren Mann, um Dich und Deinen Bruder, um sich selbst wahrscheinlich auch, weiß aber genauso wenig wie ihr, was sie tun soll.
Dass Dein Vater seinen Lebenswillen verloren hat, ist sehr sehr schlimm und schade. Ich kann mir vorstellen, dass bei so Diagnosen schnell passiert, aber für die nahen Angehörigen macht es alles nur noch schlimmer, weil es ist, als WÄRE er seelisch schon gestorben, aber körperlich doch immer noch da ist. Diese Umgangsweise erinnert mich ein wenig an die Deines Bruders - er schaltet einfach komplett ab, resigniert, will und kann das alles nicht mehr ertragen und verfällt so in eine Totenstarre.

Ich denke, dass Deine Art und Weise damit umzugehen, gesünder ist. Bei Dir sind da die ganzen Gefühle, Du bist wütend, traurig, verzweifelt und denkst über Verzweiflungstaten nach. Dein Vater tut das schon lange nicht mehr. Ich finde es toll, wie Du es geschafft hast, Deine verzweifelte Situation so gut in Worte zu fassen, wie reflektiert Du über Dich und Deine Gefühle sprichst und man merkt einfach, da ist was, was einfach nur ausbrechen will, das Alles hinter sich lassen will. Dieser Wille ist goldwert, denn er zeigt, dass Du noch immer mitten im Leben stehst. Dass Du das alles so nicht annehmen willst, dass Du bereit bist zu kämpfen. Dass Du zwar mit den Nerven am Ende bist, wütend, enttäuscht, traurig, absolut desillusioniert und am Boden zerstört, aber es gibt Dich und dieses Feuer wird es Dir ermöglichen Du selbst zu bleiben, durchzuhalten und irgendwann aufatmend die besseren Zeiten zu erleben.

Nur wie soll man in so einer Situation mit dem Leben umgehen? Ich weiß nicht, ob es dafür ein Rezept gibt, aber ich denke, worauf man sich konzentrieren sollte, sind die Menschen, die noch da sind, die noch nicht resigniert haben, mit denen man sich verbunden fühlt. Eine schwere Krankheit kann eine Familie auch eng zusammenrücken lassen. Man lernt sich und die anderen besser kennen, ist füreinander da, weil man weiß, man muss füreinander da sein, wenn nicht alles zerbrechen soll und weil man die anderen liebt und es einem wehtut sie leiden zu sehen. Du hast geschrieben, dass es Dir unangenehm wäre mit Deiner Mutter darüber zu reden. Hast Du eine Ahnung warum das so sein könnte? Und wenn Du es mal versuchst? Vielleicht macht sie sich Sorgen, dass Du Dich auch abkapseln könntest und würde gerne mit Dir darüber sprechen?
Ich kann mir gut vorstellen, wie furchtbar die Stille und gedrückte Atmosphäre für Dich zuhause sein muss, ständig verbunden mit schlimmen Ängsten um die Zukunft und die Anderen. Das Einzige was dagegen hilft, ist Krach, Lautstärke - dass mal jemand herausschreit, dass er es nicht mehr aushält. Streiten und Schreien ist besser als resignieren und Du hast dafür noch die Kraft und das ist auch wunderbar! Teile Dich mit, verstecke Dich nicht, sprich aus, was Dich stört. Du kannst Deinen Vater nicht heilen und auch die anderen müssen selbst wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen, aber DU kanst auch für Dich einen Weg wählen, mit dem DU am besten zurecht kommst. Damit Du Dich nicht mehr so hilflos fühlst und damit Du nicht so tief in eine Depression versinkst wie zum Beispiel Dein Bruder. Wäre es nicht auch möglich, zu ihm mehr Kontakt aufzunehmen? Wenn nicht, zwing Dich nicht dazu, aber Du selbst solltest darauf achten, Dich unter dieser Last nicht allzu sehr zu bücken.

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich Dir und Deiner Familie noch die Deutsche Krebshilfe empfehlen. Dort kann man sich kostenlos beraten lassen, wenn man selbst oder als Angehöriger von dieser Krankheit betroffen ist. Da die Reaktionen von Dir und Deiner Familie ganz normal ist bei solchen Schicksalsschlägen und Krankheiten, kennen die dort auch die besten Tipps, um sich vor einer Depression zu schützen und trotzdem noch irgendwie Lebenswillen zu behalten.
https://www.infonetz-krebs.de/ Hier kann man sich telefonisch beraten lassen, aber man kann auch schauen, wo die nächste Anlaufstelle für ein persönliches Gespräch ist: https://www.krebshilfe.de/helfen/rat-hilfe/familiaerer-krebs/zentren-fuer-familiaeren-darmkrebs/

Liebe Anonyme, ich wünsche Dir alles alles Gute für Dich und Deine Familie und hoffe sehr, dass es Dir gelingt, irgendwie mit der Situation fertig zu werden. Oft hilft es zu wissen, dass man nicht alleine ist.

Viele herzliche Grüße,

Anna