Problem von Anonym - 17 Jahre

Meine Mutter hasst mich.

Hallo lieber Kummerkasten,
Vorab möchte ich einmal sagen dass ich es sehr bewundere was ihr hier für Arbeit leistet und dass ihr den Menschen hier helft, das ist alles andere als selbstverständlich.
Nun zu mir, ich bin 17 Jahre alt, weiblich und wohne bei meiner Familie mit noch 3 anderen Geschwistern.
Seit ein paar Wochen, hat sich die Situation hier sehr zum schlechten verändert. Meine Mutter ist seit knapp 4 Jahren in einer neuen Beziehung mit einem Mann, der 24 ist, also sehr viel jünger als sie. Sie hat sich also vor 4 Jahren von meinem Papa scheiden lassen, und wir wohnen jetzt mit ihrem neuen Freund, von dem sie mittlerweile auch ein Kind hat in einem Haus. Ich verstehe mich sehr gut mit ihm, kann immer mit ihm reden und es war auch alles immer gut - ich dachte ich bringe diese Information mal mit rein.
Jedenfalls hat alles vor ein paar Wochen angefangen. Ich leide an Bindungs- und Beziehungsangst, weshalb ich nicht wirklich fähig bin Nähe oder richtige Gefühle ( die lange andauern ) zu zulassen. Ich weiß das erst seit ein paar Wochen, und soll auch bald zum Psychologen, ich freue mich darauf da ich hoffe danach endlich normal zu sein. Jedenfalls hatte ich vor ein paar Monaten einen Freund, er war 21 und wir waren 4 Monate zusammen, bis ich dann so unglücklich war und mich unwohl gefühlt habe dass ich Schluss gemacht habe - so wie es vorher auch schon immer war. Meine Mutter mochte ihn sehr sehr gerne, er war oft bei uns und ich habe mich darüber gefreut dass die beiden sich so gut verstehen. Er hat auch immer alles für mich getan, alles versucht um mich glücklich zu machen, mich unterstützt wo es nur geht und alles dafür getan dass es mir gut geht. Es tut mir unglaublich leid dass ich ihn so verletzt habe, das tut es wirklich, ich wusste wie sehr er mich liebt. Ich konnte das alles aber einfach nicht mehr, hab ihn nicht mehr geliebt und hab mich nur eingeengt gefühlt, obwohl er mich nicht eingeengt hat, aber das liegt alles an meiner psychischen Störung, es war bei meinen vorherigen Beziehungen nämlich immer das gleiche. Naja, auf jeden Fall war meine Mutter sehr enttäuscht als die dann erfahren hat dass ich ihn verlassen habe. Wir beide gingen aber im Guten auseinander und hatten keinerlei Streit oder sowas in der Art, er wollte den Kontakt abbrechen - was ich voll und ganz verstehe, aber das wars dann auch. Irgendwann fing es dann an, dass ich nicht mehr einkaufen gehen durfte ( weil er dort gearbeitet hat ). Ich habe mich natürlich dran gehalten, wollte ihm das alles nicht noch schwerer machen. Meine Freunde fingen an sich auf seine Seite zu stellen, trafen sich mit ihm, und ließen mir gegenüber dauernd irgendwelche Kommentare ab. Ich konnte das noch akzeptieren weil er natürlich auch mit ihnen befreundet war und ich nicht wollte, dass es ihm noch schlechter geht, also ließ ich das über mich ergehen ohne irgendwas zu sagen.
Nach ein paar Wochen kam es dann dazu dass er nach X ziehen wollte. Er meinte er brauche einen Neuanfang und er wollte schon immer in X wohnen da viele gute Freunde von ihm da wohnen und ihm die Stadt generell gut gefiel. Ich habe mich für ihn gefreut als ich das erfahren habe, ich meine das war sein Traum, und ein neuanfang konnte ihm nicht schaden. Und natürlich war ich auch etwas erleichtert, da ich hoffte das zwischen mir und meinen Freunden jetzt wieder alles wie vorher sein würde.
Dann kam meine Mutter auf den Trip, dass sie sich mit ihm treffen wollte, um sich von ihm zu verabschieden. Ich konnte das noch irgendwie akzeptieren weil ich dachte es würde nur einmal sein, ich wäre da eh nicht zuhause weil ich arbeiten musste und er würde danach ja auch weg sein, also war es ok.
Dann ging es aber an, dass ich wieder Nachrichten von ihm bekam, die nicht gerade nett waren. Bei meinen Freunden erzählte er dann dass er mich auf den Tod verabscheuen würde und ich eine mega schlampe sei, natürlich habe ich Fehler gemacht, aber ich habe ihn nie betrogen oder derartiges und auch niemals nur daran gedacht. Das hat mich alles ganz schön fertig gemacht und die Schuldgefühle wurden natürlich noch schlimmer.
Jedenfalls kam es dann so, dass er sich immer öfter mit meiner Mutter traf. Er erzählte ihr Geschichten, die so nie passiert waren und ich konnte sie nicht davon überzeugen mir zu glauben. Ich habe dann natürlich versucht ihm zu schreiben und ihn anzurufen, ihn zu fragen was das soll, aber er hatte mich einfach überall blockiert. Das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter wurde immer schlimmer und schlimmer. Ich habe aber natürlich immer noch nichts gesagt. Irgendwann, an einem Dienstag war ich dann auf dem Weg von der Arbeit nachhause, als meine Mutter mich angeschrieben hat. Sie meinte sie müsste gleich zuhause mit mir reden, also bin ich nachhause und wir haben geredet. Das ganze Gespräch bestand eigentlich daraus dass sie versucht hat mich zu überreden wieder mit ihm zusammen zu sein. Ich habe ihr gesagt wie ich mich gefühlt habe, dass was nicht stimmt, und sie meinte sie wusste das schon vorher und hat mich gefragt ob ich gerne zum Psychologen gehen will. Als ich ja gesagt habe, meinte sie das würde nur gehen wenn ich wieder mit ihm zusammen bin, weil ich ja gucken müsste was ich zulassen kann und was nicht. Ich habe ihr dann gesagt dass ich ihn nicht mehr liebe, dass ich das nicht will. Sie hat das nicht verstanden. Sie meinte er hätte zu ihr gesagt dass er mich noch so lieben würde und zurück will, usw. Ich wollte aber trotzdem nicht, habe ihr gesagt dass ich das Gefühl hätte mich nur selber anzulügen und ihn gleich mit wenn ich wieder mit ihm zusammen kommen würde, aber das wollte sie nicht hören. Erst versuchte sie es mit der "du bist mein Kind und ich will dass es dir gut geht, und er kann dich glücklich machen" Nummer, und als sie merkte das das nicht gezogen hat kam sie dann mit der "der ist eh viel zu gut für dich und du hast den nicht verdient" Nummer und wurde total sauer. Dann hat sie erstmal ein paar Tage nicht mit mir geredet.
Ich hatte dann vor kurzem Geburstag, und mein ex schickte mir Rosen und ein armband. Die Rosen habe ich dann ins Wohnzimmer gestellt, das Armband direkt meiner Mutter gegeben damit sie es ihm wiedergibt.
Dann war auch ne Zeit lang alles okay. Vor ein paar Tagen dann, eher Wochen, habe ich mitgekriegt dass er sein auto an einen meiner Freunde verkauft hat, und weil er ja jemanden brauchte der ihn nachhause fährt hat er dann meine Mutter gefragt ob sie ihn nachhause fahren könnte. Ich meine er hat eigene Eltern, eigene Freunde, die hätten ihn alle fahren können, aber nein, er muss meine Mutter fragen. Sie hat es natürlich gemacht und da ist mir der Kragen geplatzt. Ich bin trotzdem nett geblieben und habe ihr gesagt dass ich das nicht gut finde. Da ist sie total ausgerastet, meinte ich kann ihr nicht vorschreiben wen sie treffen darf und wen nicht. Jetzt redet sie seit dem nicht mit mir, und wenn dann schreit sie mich nur an. Sie sucht die verrücktesten Gründe, wollte mich vorgestern rausschmeißen weil ich mein Zimmer nicht vernünftig aufgeräumt hatte. Sie hat mir Nummern gegeben von Leuten die eine Wohnung vermieten und meinte ich soll zu sehen dass ich bis Ende Oktober aus unserem Haus raus bin. Bis jetzt hat sie nichts mehr dazu gesagt und ich habe sie angefleht mich nicht rauszuschmeissen, ich hoffe sie lässt mich weiter Hier wohnen. Naja, ich habe oft versucht mit ihr zu reden, aber alles was von ihr kam ist dass ich der verlogenste und dümmste Mensch sei den sie kennt, dass sie nichts mehr mit mir zutun haben will, dass ich nichts wert sei, und das alles tut so unglaublich weh. Meine Mama und ich hatten immer so ein gutes Verhältnis, ich konnte ihr immer alles sagen, wir waren wie beste Freunde. Das fehlt mir. seit der Sache mit meinem ex ist alles anders. Ich bin nur noch depressiv, gehe kaum noch raus außer um zur Schule oder zur Arbeit zu gehen, ich bin einfach total ausgelaugt. Ich will nicht mehr. Ich liebe meine Mama über alles, das weiß sie und das sage ich ihr oft, ich war schon immer ein richtiges Mama Kind, und es bringt mich fast um dass sie so zu mir ist und sowas zu mir sagt. Ich bin wirklich kein schwieriges Kind. Ich habe einen guten Realschulabschluss, ich mache gerade die FOS in soziales und Gesundheit, ich gehe nebenbei arbeiten und verdiene mir mein Geld selber von dem ich Klamotten, Schuhe, pflegeprodukte, schulsachen usw selber kaufe, ich passe wann es nur geht auf meine Geschwister auf, wasche meine Wäsche selber, helfe im Haushalt. Ich gehe nicht oft weg und bin generell sehr vernünftig. Ich will mich nicht selbst loben, aber ich tue was ich kann. Ich meine es ernst, ich habe so oft versucht mit ihr zu reden in den letzten Tagen, aber es kommen immer nur Beleidigungen oder sie flippt komplett aus, oder blockt total ab. Ich hab alles versucht. Zu meinem Papa kann ich nicht, der ist nur alle 2 Wochen am Wochenende zuhause, weil er LKW Fahrer ist und sehr viel arbeitet. Und zuhause wird es immer schlimmer. Ich hab so ziemlich niemanden mehr. Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Soll ich wirklich wieder mit ihm zusammen kommen ? Vielleicht wird dann alles wieder gut ? Aber ich liebe ihn einfach nicht. Und was anderes weshalb sie sauer sein könnte ist wirklich nicht vorgefallen. Was soll ich tun? Ich weiß es echt nicht, ich brauche Hilfe. Wirklich, bitte helft mir, das ist nicht ausgedacht, sondern ein wirklich ernstes Problem. Ich weiß nicht mehr weiter, ich hoffe ihr könnt mir irgendwie helfen. Danke.

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

keine Angst, ich finde deine Aussagen sehr glaubwürdig und auch deine Beschreibung deiner Bindungsangst deckt sich mit den klassischen Erscheinungen dieser Störung. Alles Weitere sollte aber tatsächlich psychotherapeutisch abgeklärt und behandelt werden. Ich möchte dir auf den Weg geben, dass Bindungs - bzw. Beziehungsangst durchaus abgeschwächt oder manchmal auch komplett "verjagt" werden kann, wenn die Problemeinsicht und Änderungsmotivation vorhanden sind - und das scheint bei dir ja der Fall zu sein. Das sind super Voraussetzungen für die Therapie - und wenn du gut auf dich schaust und immer wieder dein Verhalten reflektierst, kannst du bestimmt in Zukunft angstfreier an neue Beziehungen herangehen. Bitte habe Geduld mit dir, es wird ein harter Weg, aber er lohnt sich! Allein dein Wissen, dass du bindungsängstlich bist, ist schon ein großer Schritt in Richtung positiver Veränderung, denn es ist oft sehr schwer für Betroffene, sich dies überhaupt einzugestehen.

Die Sache mit deinem Ex ist sehr heikel. Denn zum Einen kann ich dir garantieren, dass es nicht das Mittel der Wahl ist, "einfach wieder mit ihm zusammen zukommen und dann ist alles wieder gut". Das würde ja allein schon deine Bindungsangst verhindern. Denn auch wenn ihr euch am Anfang wieder gut verstehen würdet und zärtlich zueinander wärt, würdest du dich nach einer Weile wieder eingeengt und dadurch bedroht fühlen. Der Teufelskreislauf würde also wieder von Neuem beginnen.
Andererseits ist es für Bindungsängstliche auch typisch, dass sie (angeblich) keine Liebe für den betreffenden Menschen (mehr) empfinden. Oder treffender: Dass sich die Liebe nie richtig aufbauen konnte, weil die dafür nötige Nähe nicht (mehr) zugelassen wurde.Es kann also durchaus sein, dass dein Ex ein Mensch ist, der gut zu dir passen würde und sich unter günstigeren Bedingungen Liebe entwickelt hätte.

Ich empfehle dir, als Erstes die Therapie zu fokussieren und dann, wenn du der Ansicht bist, dass es sich lohnen könnte, einen Schritt auf deinen früheren Freund zuzugehen. Aber bitte mache dir deswegen keinen Druck - du musst nicht mit ihm zusammenkommen, wenn du das absolut nicht möchtest!
Wahrscheinlich wäre es ratsam, ihm genau das mitzuteilen. Dass der Ist - Zustand von deiner Unsicherheit bezüglich der Zukunft geprägt ist und du erstmal alles "klarkriegen", Ordnung schaffen und mit deiner Mutter auf ein vernünftiges Level kommen musst. Und dass du nicht versprechen kannst, dass ihr eines Tages wieder enger in Kontakt stehen werdet (von einer erneuten Beziehung mal ganz zu schweigen).

Was deine Freunde angeht, wären klare Fronten ebenso wichtig. Es wird Zeit, dass sich die Spreu vom Weizen trennt: Wer ist wirklich deine Freundin/dein Freund - und wer glaubt blind blöde Geschichten und Lügen über dich?!

Deine Mutter ist in dem Ganzen das größte Mysterium und wohl eine wirklich harte Nuss. Ich tue mir ein bisschen schwer, meinen Verdacht zu äußern, aber ihr Verhalten deutet darauf hin, dass sie eigennütziger handelt, als sie es nach außen hin erscheinen lassen will. Es ist leider nicht auszuschließen, dass sie deinen Ex selbst nicht verlieren will. Entweder will sie mit ihm befreundet sein und schafft es nicht, dass offen und ehrlich zu kommunizieren, oder es steckt noch mehr dahinter...
Im Endeffekt wirst du gerade wie ein Ball hin - und hergespielt und deine psychischen Probleme instrumentalisiert. Das ist absolut nicht in Ordnung und von deiner Mutter inakzeptables Verhalten. Letztlich ist es psychische Gewalt, wenn sie dich so unter Druck setzt, mehrere Tage nicht mit dir redet und dir fragwürdige Fragen stellt.
Vielleicht wäre ein Weg zu einem besseren Verhältnis, dass dein zukünftige:r Therapeut:in eine Brücke schlägt, indem deine Mutter z.B. einmal mit zu einer Sitzung kommt.

Bis zur Therapie sollte aber schon ein "gesünderes" Verhältnis zwischen euch herrschen. Ich sehe da nur den Weg, dass ihr unter vier Augen in Ruhe redet und du sie fragst, was genau das Problem für sie ist. Ist es ihre Überforderung, dass du psychisch instabil bist? Ist es ihre Trauer über den Verlust deines ehemaligen Freundes, den sie so ins Herz geschlossen hat? Hat sie generell gerade eine schwierige Zeit und lässt daher leichter Frust an dir aus? Es kann gut sein, dass es auch alles ist oder noch etwas Anderes...
Ich würde euch z.B. einen langen Waldspaziergang empfehlen, der mehrere Stunden dauert. Natur wirkt sich positiv auf die seelische Verfassung aus, erdet und lässt die eigenen Gedanken besser zu, als es der Alltag mit seinen Ablenkungen vermag. Vielleicht würde sie sich dir dann mehr öffnen und du könntest an euer altes intensives Mutter - Tochter - Verhältnis anknüpfen. Schließlich ist das auch eine wichtige Ressource: Deine Mutter ist eine sehr wichtige Bezugsperson für dich, was auch in der Therapie wesentlich sein wird.
Falls sie sich weiter so (pardon) daneben benimmt, wäre es das Beste, spätestens dann deinen Vater mit ins Boot zu holen. Arbeit hin - oder her, er muss sich die Zeit für dich nehmen! Und wenn du nur jedes 2. Wochenende bei ihm wärst - das ist schon ein Anfang.

Ich wünsche dir alles Gute!
Nuala