Problem von Lonely - 26 Jahre

Lohnt es sich noch zu warten??

Hallo liebes KuKa Team,

ich habe gerade ein Bindungsangst-Video von Petra Fürst angesehen und ich wollte euch fragen:

Ist es möglich, dass ich trotzdem eine Chance habe auch wenn ich jeden Fehler den sie darin aufgezählt hat, mindestens einmal gemacht habe und ich meine wirklich mindestens einmal?

Weil ich nicht kapiert habe, dass er tatsächlich Bindungsangst hat.

Genauso wie sie es beschrieben hat, habe ich gedacht, er verarscht mich weil er denkt ich wäre verzweifelt, oder er macht sich nur lustig... Dabei liebe ich ihn so sehr, wie ich noch nie jemand anderen geliebt habe...

Aber trotz allem, was ich von ihm wusste hab ich das wesentliche übersehen... Seine Bindungsangst.

Und auch meine Bindungsangst, denn ihr müsst wissen mit meinem 26 Jahren hatte ich bisher nur eine Beziehung und diese hielt nicht länger als drei Monate und es ist mir erst nach deinem Video aufgefallen das auch er damals Bindungsangst hatte genauso wie ich.

Es ist nicht die gleiche Person gewesen wie die Person um die es jetzt geht.

Die von heute vielleicht nenn ich euch einfach seinen Anfangsbuchstaben: F., hat niemals eine Beziehung mit mir angefangen, einerseits weil wir sehr sehr gute Freunde waren oder sind da bin ich mir gerade nicht so sicher...

Und andererseits, und das ist der wesentliche Punkt: Er ist genau das, was im Bindungsangst Video beschrieben wurde und zwar der aktiven Bindungsangst... das erzähle ich gleich...

Damals als ich mit der anderen Person zusammen war hat es auch ziemlich lange gedauert bis er sich geöffnet hat aber das war mir egal denn ich mochte ihn und wollte für ihn da sein.

Jedoch war er ein in sich gezogener Mensch und ich wollte ihn raus an die Öffentlichkeit bringen sozusagen wieder ins Leben holen.

Aber jetzt ist mir klar warum es damals nicht geklappt hat und dabei ist es genauso wie Petra sagte.

"Ein Mensch mit Bindungsangst hat einerseits Angst, auf etwas einzugehen und dann ist da noch die Angst das man verletzt wird und verursacht damit einen riesen Streit um damit eine Distanz zu schaffen."

Und so war das bei ihm, nennen wir ihn M., und mir damals oft. Und da habe ICH öfters den Streit verursacht, weil er Dinge von mir verlangt hat, die ich ihm nicht geben konnte, da eigentlich ich diejenige war die ihren Freiraum gebraucht hatte und er der Anhängliche...

Also da blieb mir gar keine Zeit ihn zu vermissen, weil der ständig in meiner Nähe sein wollte und weil er mir eigentlich gar keine Luft mehr zum Atmen gegeben hat.

Denn das Problem war ich hatte zu der Zeit sehr viele Prüfungen und selbst wenn ich nur zwei Tage mal gesagt habe "hey ich brauche Zeit für mich weil ich noch lernen", dann war er so maßlos enttäuscht traurig, dass ich dann gesagt habe "okay dann lern ich halt bei dir", aber wie ihr euch bestimmt vorstellen könnt,war Tatsache, dass ich mit ihm nicht lernen konnte...

Und ehrlich gesagt...
Ich weiß auch bis heute nicht ob ich M. wirklich geliebt habe oder ob ich mich einfach nur bei ihm sicher gefühlt habe weil ich unbewusst wusste dieser Mensch hat Bindungsangst. Und dieser Mensch hat Verlustangst. Er würde mich nie verlieren wollen.

Aber dann ist etwas passiert was mich sehr schockiert hat und deswegen konnte ich nicht mehr mit ihm zusammen sein. Und deswegen werde ich auch nie erfahren ob ich ihn vielleicht wirklich irgendwann richtig geliebt hätte.

M. wollte ein ganzes Wochenende mit mir für sich beanspruchen das heißt Freitag morgens bis Sonntag Abend, an sich okay, aber ich hatte schon am Wochenende was mit meiner besten Freundin geplant und er ist total ausgerastet. Er war sehr labil, das wurde mir aber erst dort bewusst.

Es verletzte sich im Nebenzimmer selbst (ARME GERITZT) und dann kam er zu mir sah mich tieftraurig an und hat gesagt: "was hast du getan??" Ich sah nur seine blutigen Arme und bekam einen Nervenzusammenbruch ich habe geheult und gesagt wenn ich ihn dazu bringen dass er sich Schmerzen zufügt, dann will ich nicht mehr mit ihm zusammen sein, dann sollte er nicht mehr mit mir zusammen sein wollen und bin sofort gegangen.

Und ich habe daraufhin sehr schnell die Beziehung beendet denn auch ich bin dadurch sehr labil geworden und im Krankenhaus gelandet und dann habe ich gemerkt, dass mir diese Beziehung niemals etwas bringen wird außer Schmerz...

Eine meiner Fragen ist jetzt:

1. Kann es sein, dass ich selber aktive Bindungsangst habe?

Ist es überhaupt möglich, das wenn ich selbst Kämpfe ausführe um eine Beziehung einzugehen, mich dann erst dann zurückziehen will, wenn es soweit ist und ich mittendrin bin??

2. Und kann es sein, dass sich der Typ von dieser Bindungsangst verändern kann?

Also beispielsweise wenn ich damals aktive Bindungsangst hatte nun zur passiven geworden bin oder bin ich immer noch in der aktiven bindungsangst aber daher dass er überhaupt nicht versucht beziehungsweise nur einen Schritt vorgeht um gleich darauf hin drei Schritt wieder zurück zu machen, dass ich mir MEINER aktiven Bindungsangst nicht bewusst bin?

3. Kann es sein dass ich daraufhin in in die passive Bindungsangst übergegangen bin?

Allerdings mit F. war es immer ganz anders...

Ich lernte ihn 2008 auf Facebook kennen.Er war derjenige der mich angeschrieben hat und es wurde sehr schnell klar dass er bereits damals vergeben war und ich ihn daher nie als potenziellen Partner für mich angesehen habe. Da sind wir sehr gute Freunde geworden und wir haben uns sehr sehr viel unterhalten.

Und jedes Mal wenn er Streit mit seiner Ex hatte also mit seiner jetzigen Ex, dann hat er bei mir antworten gesucht und eines Tages meinte er auch zu mir, dass seine Ex total eifersüchtig wäre und dass er deswegen alle seine weiblichen Kontakte löschen musste aber mich trotzdem behalten hat, weil ich was ganz besonderes für ihn wäre.

Und seit 2012 hat er die Diagnose der Krankheit MS = Multiple Sklerose. Er ist damals in ein sehr tiefes Loch gefallen... denn seine Ex hat ihn zu der Zeit kein bisschen ernst genommen und jeden seiner Schübe als "lächerlich" beschimpft und gesagt er sei kein Mann, weil er seine Arbeit aufgeben musste... und dann hat sie ihn daraufhin Ende 2014 / Anfang 2015 verlassen.

Er war vier Jahre lang mit seiner Ex zusammen und aus dieser Beziehung ist ein Kind hervorgekommen und sie hat sich kaltblütig von ihm getrennt vor allem hat sie ihn die ganzen vier Jahre lang betrogen das kam dann auch noch dabei raus.

Als ich F. letztes Jahr im Mai meine Liebe gestanden habe, was über WhatsApp verlief...

Allgemein alles war irgendwie der falsche Zeitpunkt...

Ich war sehr aufgeregt weil ich der Ansicht war würde vielleicht genauso empfinden, weil es da ein paar Anzeichen gab...

Zu allem Überfluss war das auch noch mitten in der Nacht... weil wir gerade ein Gespräch über verflossene Schwärme hatten und er plötzlich ein Mädel ohne Namen erwähnt hat die vom Charakter und benehmen komplett mit mir übereingestimmt hat und das habe ich als mein "Go" empfunden und dann habe ich erwähnt "ach ja einer meiner Schwärmerei würden ihm gelten"...

ach ja er war auch noch betrunken...

Auch damals hat er sehr widersprüchlich reagiert einerseits hat er geschrieben das freut sich andererseits ist sehr traurig weil er gerade erst aus einer Beziehung raus ist und wieder andererseits denkt er dass ich nur Spaß machen würde...

Am nächsten Tag war er dann ganz abweisend...

Ich habe ihn aber auch sehr genervt und gefragt ja was sehr darüber denkt und etc....

Wie gesagt, es ist noch sehr viel zu sagen und ich weiß nicht ob ich alles hier in diesen Text rein bekomme...

Jedenfalls meinte er dann, er hätte mich nie mehr, als eine gute Freundin, angesehen und ich wäre nicht sein Typ und er will einfach nicht.

Wie ich oben schon erwähnt hatte wir sind sehr gute Freunde bis dato gewesen aber ab da an wurde alles seltsam und kompliziert eigentlich genau das was Petra Fürst in ihrem Video beschreibt..

Wenn er sich mal nicht gemeldet hat, bin ich ihn die ganze Zeit hinterher gerannt und wollte halt mich mit ihm treffen oder sonstiges und wenn er sich dann gemeldet hat habe ich ihm die kalte Schulter gezeigt und noch viele andere Dinge.. und das noch bis vor kurzem... und ich habe ihn noch einmal direkt gefragt was er und dazu empfindet.

4. Glaubt ihr es könnte jemals noch etwas aus uns werden oder habe ich alle Chancen bereits vermasselt?

An Silvester letztes Jahr bin ich auch zu ihm hin und wollte ihm direkt meine Liebe gestehen und ihm dabei in die Augen sehen aber auch das war ein mehr als falsches Timing denn er hatte nicht so gute Laune, weil er lieber gern bei seiner Tochter gewesen wäre aber die Ex den Kontakt verboten hat und ohje.. Er sagte mir, noch bevor ich etwas sagen konnte, als hätte er es geahnt, "lass mich mit deinem Liebesscheiss in Ruhe."

Und ich fragte ihn ob er mir nicht einmal zuhören will, ob ich nicht einmal so viel wert und sein Auge habe, dass ich das Recht habe, zu äußern was ich fühle und er sagte nur "nee keinen Bock".

Dann hatten wir einen riesen Zoff und ich bin daraufhin wortlos gegangen.

Wir hatten kaum Kontakt im neuen also diesen Jahr.

Im März dieses Jahres hatte er mir dann geschrieben, sehr widersprüchlich...

Als erstes hat er sich natürlich für sein Verhalten an Silvester entschuldigt und mir erklärt dass er nicht mehr an seine Ex denkt oder Gefühle für sie hat aber er extreme Selbstzweifel hat, ob eine neue Beziehung funktionieren könnte, eine Beziehung mit mir.

Ob es wirklich funktionieren könnte, da er einerseits Gefühle für mich hat die über Freundschaft hinaus gehen, aber andererseits auch Angst, dass die Freundschaft dadurch zerbricht bzw. er mir weh tun könnte. Und da er sich eine Beziehung wünscht die für immer hält und nicht nach 1-2 Jahren oder zehn Jahren oder sonst irgendwann endet.

Und er hat gesagt, er findet es nicht richtig eine neue Beziehung einzugehen, weil er eine Tochter hat, weil er aus einer zerrütteten Familie kommt und er ihr das nicht auch antun will, was er als Kind erlitten hat.

Dann hat er noch gesagt bzw. mich gefragt welcher Typ an seiner Stelle eine Frau wie mich ablehnen würde, die über Beziehungen genauso denkt wie er, die noch Jungfrau ist, die seine Krankheit, sein Kind und die Tatsache dass er keine Arbeit mehr hat, akzeptieren und über all ist das hinwegsehen würde.

Und er wäre überhaupt nicht abgeneigt und damals als er gesagt hatte ich wäre nicht sein Typ das wäre nur eine Ausrede gewesen, weil irgendwas in ihm sagt "nee, lass dich auf nichts mehr ein".

Das klingt doch erstmal sehr verwirrend findet ihr nicht ich meine klar verstehe ich dass er Zweifel hat vor allem nach so einem Desaster an Beziehung.

An diesem Tag war ich etwas verwirrt und habe sehr seltsame Sachen geantwortet, so als wäre ich bereits schon über ihn hinweg.

Dafür habe ich mich dann zwei oder drei Tage später gemeldet und bin auf den Text noch einmal eingegangen.

Aber er war dann wieder sehr abweisend und meinte "ne darüber müssen wir nicht mehr reden hat sich erledigt" und dann hat er mich einfach in Facebook gelöscht (was für ihn schon damals immer hieß "lass mich in Ruhe").

Aber diesmal fand ich sein Verhalten mehr als unpassend, denn ich habe ihn ja auch nicht abgeblockt!

Ich hätte auch sagen können "hey ganz ehrlich, seit Silvester sind drei Monate vergangen und du hast mich nicht darauf angesprochen jetzt brauchst du auch nicht mehr darüber reden" oder so.

Naja, das Ende vom Lied war dann dass ich ihm auch überall blockiert und gelöscht habe.

Und im Juni hatte ich einen schweren Arbeitsunfall und habe mir eine schienbeinkopf Fraktur zugezogen und war im Krankenhaus und gerade da ruft er mich an, als hätte er es gespürt..

Er nahm meinen Unfall nicht sehr ernst und meinte "ach halb so wild das geht ja bald wieder".

Naja ich war etwas genervt und habe ihn gefragt warum er sich überhaupt meldet wenn er sich nur über mich lustig macht und er meinte dann "blöde Zicke er hat sich eigentlich aus einem bestimmten Grund gemeldet aber ich soll drauf scheißen"

Dann hatten wir wieder lange Zeit keinen Kontakt. Aber ich habe ihm dann doch wieder entblock und er hat das gleich gesehen und mich sofort angeschrieben.

Seitdem reden wir wieder miteinander und wollten uns eigentlich sogar jetzt am Dienstag treffen aber ich bin dann krank geworden und musste das Treffen absagen.

Ich weiß nicht was ich tun soll.. Meine Gefühle sind kein bisschen verblasst... ich dachte wir könnten vielleicht wirklich einfach wieder Freunde sein aber ich habe immer noch Hoffnung dass aus uns was werden kann...

Und das obwohl wir uns jetzt am Dienstag treffen wollten und er nicht einmal abgesagt hat sondern einfach meine Nachricht ignoriert....

Ich weiß nicht ob ihr mir antworten werdet und ich weiß, dass das alles sehr verwirrend ist gerade, ich hoffe nur das mir erstmal darauf geantwortet werden kann...

Es gibt aber noch so vieles was ihr über F. und mich noch wissen müsst... Vielleicht schreibe ich das in einem gesonderten Text..

Weil es ist ja jetzt schon sehr verwirrend und viel...

Wenn ihr noch genaueres über mich und F. wissen wollt, dann dann schreibe ich das in einem gesonderten Text noch einmal, sobald dieser eventuell beantwortet wurde.

Dann erzähle ich da ganz genau wie was warum so gekommen ist und wie es jetzt gerade ist.

Ich hoffe sehr, dass ich eine Antwort bekomme weil ich möchte nicht aufgeben immer noch nicht und das obwohl es schon fast über ein Jahr her ist...

Ganz liebe Grüße eure Lonely

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Lonely,

ich habe mir deinen Text durchgelesen und finde es gut, dass du diese Möglichkeit genutzt hast, dir alles einmal von der Seele zu schreiben. Da du deine Frage schon zum zweiten Mal sendest, wirst du jetzt umso rascher eine Antwort bekommen.

Eines muss ich dir gleich zu Anfang sagen: Ich bin kein so großer Freund davon, Beziehungstips und Verhaltensmuster, die jemand in einem Buch oder einem Video erklärt hat, auf Biegen und Brechen in seine eigene Beziehung hineinlesen zu wollen. Ich habe von Petra Fürst gehört, kenne mich mit der Materie bisher nicht so gut aus, aber ich werde demnächst auf jeden Fall mal ein paar Videos von ihr gucken. Nur darfst du nicht von mir erwarten, dass ich deine Erzählung entlang der Muster deute, die Petra Fürst entworfen hat - noch sonst irgendjemand. Ich kann dir nur sagen, was ich denke und fühle, wenn ich deinen Text lese; ich bitte dich, mir offen zu schreiben, wenn du damit nicht zufrieden bist. Sollte das der Fall sein - ich habe mein Bestes versucht, aber vielleicht fehlen mir noch Denkanstöße von dir, und dann könnten wir in Dialog bleiben.

Bindungsangst? Ich finde das ein schwieriges Wort. Wünschst du dir jetzt eine Beziehung oder nicht? Es kann sein, dass du einen Menschen sehr gern hast, aber das Leben ohne eine Beziehung dir verlockender erscheint. Es kann andersrum auch sein, dass du dich an einen Menschen heftest, der dir gar nicht das bietet, was du dir wünschst, weil du Angst vor dem Allein-sein hast. Wenn ihr zu verschieden seid, wird die Zeit euch voneinander lösen; darauf solltest du dich einlassen. Wenn du aber überlegen musst, ob du mit ihm zusammen sein kannst - ist dein Herz dann bereit für ihn?

Keine zwei Menschen sind gleich. Zu wissen, wo du geboren bist, was die Berufe deiner Eltern sind, welche Religion du hast, welche Schulen du besucht hast, was du arbeitest, wo du wohnst - all das sagt mir etwas über deine Lebensumstände, aber nicht über deine Person. Um dich als Menschen kennen zu lernen, muss ich deine Geschichte erfahren. Bei M. und F., den Männern, die du genannt hast, ist es ganz genauso. Ich kann in deiner Erzählung kein Muster erkennen, dass den Vorannahmen von Petra Fürst oder irgendwem sonst entsprechen würde. Das Einzige, was ich erkennen kann, ist deine Geschichte.

Was deinen ersten Partner, M., betrifft: Denk einmal an die Situation zurück, als er sich im Nebenzimmer die Arme aufschnitt. Manche mögen so etwas auf Bindungsangst zurückführen - ich sehe hier nur eines, nämlich emotionale Erpressung. Dieser Mann war nicht gut für dich, weil er deine grundlegendsten Bedürfnisse nicht akzeptieren konnte, und dich für seine Probleme verantwortlich machte. Eine Beziehung auf Augenhöhe kann nur funktionieren, wenn ihr beide wisst, was ihr aneinander habt. Wenn du nicht sagen kannst, was es dir gibt, mit deinem Freund zusammen zu sein, hast du ein Problem. Denn dann hast du zwar eine Beziehung, aber nur von ungefähr, nicht, weil es dich nährt. Dafür ist jedoch genau eine Beziehung da: Damit dein Partner dich auffängt, dich erdet, dir hilft, dich stärkt, dich sichert. Und du ihn umgekehrt auch. Gute Beziehungen vertragen es, wenn für eine gewisse Zeit einer deutlich schwächer ist als der andere - sei es durch Krankheit, Depression, Trauer, viel Arbeit oder Entfernung. Wenn sich dieser Zustand aber verfestigt, der eine die Bedürfnisse des anderen nicht mehr erfüllen kann oder will, und der eine nicht mehr weiß, wozu er diesen Menschen bei sich hat, dann gerät dieses System aus dem Gleichgewicht. Es gibt Menschen, die ihren Partner die Treue halten, wenn er oder sie nach einem schweren Unfall im Koma liegt - oder die bis an sein Lebensende für ihn sorgen, ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen, selbst wenn er die Lippen nicht mehr bewegen kann. Das ist edel und gut und würdig, aber es ist nicht mehr unbedingt das, was wir mit Beziehung bezeichnen. Solange ihr gesund und zu rationalem Handeln in der Lage seid, habt ihr gewisse Ansprüche aneinander. Die Beziehung hat ein Problem, wenn einer von beiden diese Ansprüche nicht erfüllen kann; sie hat ein Problem, wenn er es nicht will; sie hat ein Problem, wenn die Ansprüche zu hoch sind. Natürlich kann all das auch auf Beidseitigkeit beruhen. Doch irgendwann kommt jeder Mensch an einen Punkt, an dem er sich fragt: "Nährt mich das noch?"

Überwunden werden kann dieser Punkt nur, wenn bei demjenigen Part, der das Problem aufbringt - oder bei beiden, wenn sie es sind - ein Umdenken stattfindet. Und der Weg dahin kann schmerzhaft und steinig und von zahllosen Momente gesäumt sein, in denen alles verloren scheint. Du kannst zu deinem Glück finden durch tausend Streite, durch zehn Trennungen und Versöhnungen mit ein- und derselben Person; das ist möglich. Wichtig ist, dass du merkst, wo das Problem liegt - und er auch.

So wie du F. beschreibst, klingt es für mich keineswegs so, als hätte er Bindungsangst, Lonely. Für mich klingt es eher so, als würde er in viele schöne Worte kleiden, dass er kein so großes Interesse an dir hat. Ich kann es nicht sagen! Ich kann es nur vermuten! Aber denk einmal ernsthaft nach, ob du mit einem Mann eine Zukunft haben möchtest, der dich ohne Grund beleidigt, wenn du eine berechtigte Frage stellst; der es herunterspielt, wenn du vor einem Treffen krank wirst, statt sich besorgt zu erkundigen; der eigentlich gar nicht wissen will, was mit dir los ist; der lieber Ausflüchte hat, statt sich - und dir - zu sagen: "Ich liebe sie, und ich will mit ihr zusammen sein - was sollte uns im Weg stehen, wenn sie so ein tolles Mädchen ist?" Oder wie soll man das verstehen mit den Dingen, die er aufgezählt hat, "warum ein Mann dich nicht verschmähen könnte" - aber er tut es trotzdem? Ist das jetzt eine gute Erklärung, warum er trotzdem nicht mit dir zusammen sein möchte, oder verstärkt es eher die Frage, warum eigentlich nicht? Ich denke, das zweite.

Frage dich, Lonely, was DU willst: Kannst du dir vorstellen, mit ihm zusammen zu leben? Glaubst du, er bietet dir die Wärme und das Vertrauen, das du brauchst? Kannst du dir vorstellen, für seine Tochter eine Stiefmama zu sein, die sie liebhaben kann? Und schließlich: Kann und wird ER dir das alles ermöglichen? Für mich sieht es nicht so aus. DU bist nicht das Problem, Lonely. "Bindungsangst" ist bei dem Mann, von dem wir reden, nur ein schönes Wort für mangelnde Entschlusskraft und Unehrlichkeit. Entweder, er liebt dich und sieht hundert gute Eigenschaften mit dir - dann wird ihm um eine Zukunft nicht bange sein. Oder aber, der Funke springt nicht über - dann ist dagegen kein Kraut gewachsen. Andererseits könnte er es dir dann auch sagen. Was immer er mit seiner Ex erlebt haben mag, ist kein Grund, dich so zu behandeln. Willst du es ihm durchgehen lassen, dass er deinetwegen seine gute Kinderstube vergisst, dass er dich schlecht behandelt wegen Erlebnissen mit einer anderen Frau, für die du nichts kannst? Es mag sein, es kann sogar gut sein, dass seine Wunden tief sind, und noch nicht vernarbt. Doch warum spricht er nicht klar darüber?

Vielleicht wirst du sagen: "Das hat er doch!" Im Ansatz, Lonely, ja. Er hat Selbstzweifel, hat er gesagt. Doch Selbstzweifel sind etwas Anderes als Bindungangst. Wenn er Selbstzweifel, dann sollte er die Liebe, die du ihm geben willst, zulassen - nichts ist stärkender für das Ego, als geliebt zu werden. Berufliche Sicherheit, Gesundheit - daran lässt sich irgendwie arbeiten. Indem du durchblicken lässt, dass du ihn liebst, stellst du auch Hilfe in einer so extremen Situation wie seiner in Aussicht, wo er mit einer schweren Diagnose zu kämpfen hat. DU hast gar nichts vermasselt - ER muss sich aufraffen. Du kannst nicht mehr, als mit dem Zaunpfahl zu winken - solltest aber auch darauf bestehen, dass er zu dir wie ein Erwachsener spricht, und nicht unhöflich abwinkt oder mit dir spielt.

Will er sich bemitleiden oder glücklich sein? Diese Frage muss er sich stellen. Sag ihm deutlich, was du fühlst, dass du ihn willst, und wenn das nicht der Fall ist, dann lass es bleiben. Du kannst eine Entscheidung von ihm erwarten - er muss sie dir sagen. Solange du sie dir aus Andeutungen und Halbsätzen zusammenspinnen musst, wirst du auf der Stelle treten. Er kann dein Angebot ausschlagen - dann ist das seine Sache -, oder, wenn er sich überwindet, alles gewinnen. Damit er es aber ernsthaft versucht und auch an sich arbeitet, musst du auch deine Bedürfnisse deutlich machen. Vergiss daher nie, egal wie es ausgeht: Beziehungen haben zwei Teile, und sie bestehen aus Arbeit. Auch dein Partner muss sich heran trauen, von Anfang an, da hast du zweifellos Recht. Deine Schuld ist es aber auch nicht, wenn er es nicht versucht.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul