Problem von Anonym - 20 Jahre

Keine Kraft mehr für mein Leben zu kämpfen.

Hallo.
Ich stehe mal wieder auf dem Gipfel meiner posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen.
Angefangen hat alles mit dem immer schlimmer werdenden Alkoholproblem meiner Eltern, bzw deren gewalttätiger Streits und der Tatsache, dass ich keine einzige Freundin hatte und meine ganze Schulzeit lang schikaniert und abgelehnt wurde.
Mit 13 wurde ich das erste Mal von einem vermutlich neuem "Freund" vergewaltigt.
Dann begab ich mich in eine Internetbeziehung mit einem fremden, älteren Jungen. Dieser "brachte mir bei", wertlos zu sein und immer spuren zu müssen.
Ich lernte nie, was es heißt ganz normal mit einem Jungen zusammen zu sein. Als ich 15 war brach der Kontakt zu der Internetbekanntschaft ab, verzweifelt fang ich an mehr zu saufen und verletzte mich immer mehr.
Dann stürzte ich mich in weitere Internetbekanntschaften, von einer wurde ich dann mit 16 vergewaltigt.
Von da an konnte ich meinen Selbsthass nicht mehr wegstecken, außerdem hab ich eine unglaubliche Angst vor Menschen entwickelt.
Nun arbeite ich zwar, aber hab unglaubliche Ängste vor allen Mitarbeitern, generell vor fremden Menschen, insbesondere Männern.
Ich bin auch in einer festen Partnerschaft, die aber von Anfang an schwierig war (vorallem durch mich natürlich).
Ich habe was Sex angeht eigentlich fast immer Flashbacks, kann meinen Partner nicht glücklich machen, er versucht seit fast 2 Jahren das mit mir irgendwie durchzustehen, aber stand schon kurz davor mich zu betrügen und hat allmählich die Schnau*e voll.
Ich spüre, dass ich ihn nicht glücklich machen kann und es zerreißt mich, denn diese Beziehung ist das einzige sichere Standbein in meinem Leben.
Er ist der einzige, der meinen Körper, der fast nur aus Narben besteht, akzeptiert, meine schlaflosen Nächste, Suizidversuche und alles drum und dran.

Momentan kommt wieder alles zurück, jetzt wo ich ein einigermaßen normales Leben führe. Das Mobbing in der Schule, meine Vergewaltiger und diese ewige Einsamkeit, mein einziger Freund war eigentlich immer der Alkohol. Meine ganze Teenagerzeit war ein einziger Sumpf, jetzt bin ich 20 aber noch gar nicht bereit für die Arbeitswelt und allem was dazu gehört.
Ich bin auch schon seit Jahren in Therapie, aber seitdem ich Medikamentfrei lebe, habe ich keine Kraft.

Nun stelle ich mir vor, dass es vielleicht schöner wäre, wenn ich nicht mehr auf dieser Welt bin. Da ich an nichts und niemanden glaube, habe ich auch keine Angst vor der Hölle oder sonst so etwas.
Ich weiß, ich bin erst 20 und hab noch alles vor mir, aber so naiv sich das jetzt anhört, diese 20 Jahre haben mir echt gereicht.
Habt ihr vielleicht noch irgendwelche aufbauende Worte für mich?

Christina B. Anwort von Christina B.

Hallo liebe Anonyme!

Du hast wirklich schon viel mitmachen müssen. Für Deine jungen zwanzig Jahre hast Du bisher wirklich kein leichtes Leben gehabt und da kann ich gut verstehen, dass in Dir der Wunsch aufkommt, einfach nur noch Schluss zu machen. Es war bestimmt nicht leicht, mit alldem fertig zu werden und wenn man diese Situationen nicht kennt, kann man gar nicht nachfühlen, wie das sein muss, mit so vielen schlimmen Dingen konfrontiert zu sein. Ich will Deinen Schmerz nicht noch verstärken, aber ich will Dir mitfühlend begegnen, denn mit alldem finde ich, ist es eine unglaubliche Leistung, dass Du Dich an uns gewandt hast! Du hast einen sehr wichtigen und mutigen Schritt getan, liebe Anonyme, Du hast Dir Hilfe geholt! Du bist aufgestanden, hingegangen und hast etwas dagegen unternommen, der erste Schritt ist geschafft. Das ist eine großartige Leistung. Nun hast Du da einen festen Freund, der Dich anscheinend wirklich liebt und Dich so annimmt, wie Du bist. Aber natürlich ist für ihn das alles auch nicht einfach - gerade weil Sex ja in einer Beziehung dazu gehört. Wenn Du aber von schlimmen Flashbacks geplagt wirst, die Dir den Spaß am Sex nur verderben und Dir wieder Angst machen, ist das natürlich auch nicht gut für Dich. Gleichzeitig bietet er Dir aber ein festes Standbein und Unterstützung und Du willst ihn nicht verlieren. Das ist natürlich ein schwieriges Dilemma und es ist alles sehr kompliziert. Aber wer könnte Dich besser unterstützen als Dein Therapeut? Ich finde es GROSSARTIG und BEWUNDERNSWERT, dass Du Dir Hilfe bei einem Therapeuten gesucht hast. Du bist ja genau auf dem richtigen Weg! Hut ab, liebe Anonyme, dass Du wirklich Mut und Stärke beweist und zur Therapie gehst! Und vielleicht wäre es auch für Deinen Freund nicht schlecht, sich an jemand professionellen zu wenden. Die ganze Situation wird ihn vermutlich auch sehr belasten, und dann tut ihm das womöglich ebenfalls gut, mit jemand professionellem darüber zu sprechen.

Wenn ich Deinen Text so lese, habe ich das Gefühl, dass Du Dich mit der neuen Situation, jetzt wieder arbeiten zu gehen, ein normales Leben führen zu "müssen" und den Alltag mit alldem auf die Reihe zu kriegen, überfordert fühlst. Wie läuft denn Deine Therapie? Hast Du das Gefühl, es verändert sich etwas? Denn Vergewaltigungen, Selbsthass, Ausgrenzung, Mobbing - dies sind ja alles keine Geschichten, die von heute auf morgen verschwinden. Da muss man bestimmt kleine Schritte machen, und mit jedem Schritt wird es ein klein wenig besser. Was sagt denn Dein Therapeut dazu? Gibt es Möglichkeiten und Wege, Dir den Alltag zu erleichtern? Vielleicht würde es helfen, erstmals nur Teilzeit arbeiten zu gehen, damit Du mit all den Anforderungen, die von außen an Dich gestellt werden, besser zurecht kommst.Trinkst Du noch immer? Ich frage das, weil Du schreibst, dass Dein einziger Freund immer der Alkohol war - hast Du diesen Umstand auch mit Deinem Therapeuten besprochen? Bist Du in die Alkoholssucht hineingerutscht oder ist es lediglich Genusskonsum? Vielleicht war es auch einfach zu früh, die Medikamente abzusetzen. Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen sind ja nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Womöglich wäre es gut, wenn Du mit Deinem Arzt und Psychotherapeuten darüber sprichst. Sag deinem Therapeuten, wie Du fühlst, dass Dich die Vergangenheit irgendwie nicht loslässt und weiterhin belastet - dass Dich das alles irgendwie eingeholt hat und Du jetzt auch (wieder?) Suizidgedanken hast. Vielleicht wäre auch über einen Klinikaufenthalt nachzudenken. Wie oft hast Du diese Suizidgedanken? Hier kannst Du Dich darüber genauer informieren: https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/psyche-krankheiten-suizidgefahr.html
Außerdem hier unsere Soforthilfe zum Thema "Therapie": http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html - Falls Du evtl. mit Deinem Therapeuten nicht zufrieden bist, kannst Du Dir ja auch noch einen anderen suchen. Ich will Deine Suizidgedanken auf keinen Fall herunter spielen, aber ich kann Dich zu diesem Thema wahrscheinlich online weniger gut beraten als Dein Therapeut, der hierbei sicher besser vor Ort intervenieren kann. Wende Dich an ihn, sprich mit ihm darüber. Bestimmt werdet ihr zusammen eine Lösung finden.

Ich finde, Du bist ein ganz tolles, starkes Mädchen, liebe Anonyme, das nach so vielen Situationen und Leidenswegen nicht aufgibt und weitermacht, in Therapie geht, sogar bereit ist, wieder in den Alltag und das normale Arbeits und Gesellschaftsleben einzusteigen und bei einem Problem sofort Hilfe sucht - Du bist auf Deinem Weg schon sehr weit gekommen! Und Du hast vollkommen Recht - Du bist erst 20 Jahre jung! Du hast noch alles vor Dir und es hat Dir gereicht, so wie es bisher war. Aber so muss es nicht bleiben! Du hast noch ein ganzes Leben, das vor Dir liegt. Ich will nicht bestreiten, dass es ein schwieriger Weg wird, aber der Weg ist da! Trau Dich, ihn zu gehen, so wie Du bisher schon immer wieder aufgestanden bist. Vielleicht kennst Du den Spruch: "Hinfallen, Aufstehen, Krone richten, Weitermachen." Und genau so hast Du es bisher auch gemacht. Mache es wieder so! Du bist ein wirklich toller Mensch und denkst für dein Alter schon sehr reif. Ich glaube fest an Dich.
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Ich hoffe, ich konnte Dir mit meiner Beratung ein wenig weiterhelfen.
Solltest Du noch Fragen haben, zögere nicht, uns erneut zu kontaktieren - Wir sind da (:
Alles Liebe und herzliche Grüße,
Christina