Problem von Miri - 18 Jahre

Mein Vater hat uns im Griff

Hallo Kummerkastenteam. Mein Problem existiert eigentlich schon seit meiner Kindheit. Ich habe einen gewalttätigen Vater, der meine komplette Familie im Griff hat.
Er hat meiner Mutter die Nase, mehrere Wirbelknochen und ihr Bein gebrochen. Nach derzeitigem medizinischem Stand sind die Verletzungen so gravierend, das sie in naher Zukunft mit einer Lähmung rechnen muss.
Meinen Bruder hat er brutal misshandelt. Im Kindesalter hat er ihm seine Gliedmaßen am Rücken befestigt und in ihn eingeschlagen, oder ihn rumgeworfen und mich dabei zusehen lassen, damit ich aus den Fehlern meines Bruders „lerne“. Als meine Mutter ihn aufhalten wollte, wurde sie folglich als nächstes Ziel anvisiert. Derzeit leidet er auch an starke Depressionen, weigert sich jedoch ärztliche Hilfe (oder von mir) anzunehmen. Er gibt sich immer mehr auf und zerstört sich jegliche Aussichten auf eine stabile Zukunft. Was mich umso mehr belastet, da ich nicht weiß wie ich ihm helfen kann.
Mich hat er meistens zusehen lassen- zu mindestens glaube ich das. Den Großteil meiner Kindheit habe ich verdrängt, daher bin ich mir nicht sicher was er mir angetan hat. Ich litt einige Jahre an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (von meiner ersten Psychologin diagnostiziert) und an Depression, wobei diese wahrscheinlich noch immer besteht.
Die Tatsache, dass die Frau, seiner Meinung nach die Personifikation von allem Übel ist- weswegen meine Mutter und ich immer seine Sündenböcke sind- erschwert mein Leben unnötig. Seiner Meinung nach habe ich nicht das Recht Liebe zu empfinden, weswegen ich nicht mit Jungs reden darf. Ich darf nichts kurzärmliges tragen, oder Röcke, oder kurze Hosen ( Nein, wir sind keine muslimische Familie). Wer sich jetzt denkt „Dann mach es einfach heimlich!“ den kann ich widersprechen. Skurrilerweise habe ich schon des öfteren festgestellt, dass er mich manchmal beobachtet. Er fährt mir mit seinem Auto nach, schaut sich mein Telefonprotokoll an, achtet darauf das meine Zimmertür stets geöffnet ist … . Ich habe gehofft dass wenn ich älter werde sich die Situation bessert, bzw. er sich ändert, oder meine Mutter die Kraft findet ihn zu verlassen. Doch nichts trat ein. Er wendet mittlerweile keine körperliche Gewalt an, sondern überwiegend psychische. Nichts desto trotz hasse ich mein derzeitiges Leben mit ihm und ich finde es unerträglich. Fremden Leuten lächelt er immer zu und bemüht sich hilfsbereit und freundlich zu wirken. Doch sobald einer dieser Fremden ihn verärgert, lässt er seine Laune an uns aus. Das unheimliche ist: Nach einem „Anfall“ – wie ich es nenne- erinnert er sich nicht mehr an seine Taten und streitet sie ab. Wenn er eine Tür demoliert, war es mein Bruder, wenn er etwas zerbricht war ich es ….
Einige Ereignisse sind so ausgeartet, dass wir die Polizei verständigt haben. Doch sie hat NICHTS unternommen. Sie hat sich Aussagen angehört und für Verletzte den Sanitäter gerufen. Mehr nicht …. Bevor sie dann gehen empfehlen sie uns sie beim nächsten Mal wieder zu kontaktieren. Aber wieso denn wenn sie letztlich doch nichts machen? Sie verhaften ihn nicht und haben nicht einmal seine Aussage aufgenommen.
Seit meinem letzten Versuch mit der Polizei zu reden habe ich es aufgegeben und jegliche Hoffnung verloren. Ich weiß dass es einfach sein sollte mit 18 Jahren seinen Vater zu verlassen. Jedoch kann ich meinen Bruder und meine Mutter nicht bei ihm lassen und gleichzeitig weiß ich nicht wie ich unter ständiger Angst, Zweifel und Paranoia weiter leben soll. Ich kann mit meinen Freunden nicht darüber reden weil es mir zum einen unangenehm ist, aber zugleich verstehen sie mich nicht und ich bin es mittlerweile leid.
Neuerdings leben seine Eltern bei uns in der Nähe, um auf uns „aufzupassen“, aber selbst sie trauen sich nicht etwas gegen ihn zu sagen und gegen ihn zu handeln.

Ich weiß einfach nicht mehr weiter.

Dana Anwort von Dana

Meine liebe Miri.

Meine Güte, wie kannst du so gefasst über deine Situation schreiben...ich bewundere dich. Ich habe selten ein so gravierendes Problem und eine solche Gefährdung hier gehört...dass ihr alle überhaupt noch leben könnt, ist fast ein Wunder.

Deine Mutter scheint zu schwach und zu ängstlich, als dass sie eine Entscheidung treffen könnte, die ihre Kinder schützt. Was mich aber wundert, ist, dass sowohl Polizei als auch Psychologen (du scheinst ja schon mehrere konsultiert zu haben) absolut überhaupt nicht eingeschritten sind oder zumindest Tipps und Rat gegeben haben, wo man Hilfe bekommt. Das will mir gerade null in den Kopf. Es ist nicht so, dass ich dir das nicht glaube, ich bin einfach entsetzt, dass keine Hilfe gekommen ist!

Dein Vater übt massiv Missbrauch aus. Und zwar in jegliche Richtung. Man spricht von "unverhohlenem Missbrauch" und von "verdecktem/kontrollierendem Missbrauch" (es gibt noch mehr Methoden, aber diese zwei erkenne ich hier am ehesten). Er beleidigt, bedroht, schlägt, misshandelt (--> unverhohlener Missbrauch) und er kontrolliert, erniedrigt, demütigt verbal... (verdreckter Missbrauch).

Dein Vater ist der, der als Allererster eine Therapie bräuchte. Warum auch immer in ihm drin so ein Kontrollverlust geschehen ist, dass er versucht, auf diese völlig verdrehte Weise die Kontrolle wiederzuerlangen, weiß ich nicht, ich kenne euch und ihn ja nicht, aber ihr seid wirklich in großer Gefahr. Eigentlich würde ich am liebsten persönlich bei euch vorbei kommen und euch für das Frauenhaus abholen (da dürfte auch dein Bruder als Jugendlicher mit hin), aber das geht ja nicht. Die Frage ist aber, wie man da jetzt vorgehen kann.

Ich möchte klar sagen, dass wir hierfür nicht ausgebildet sind. Ich kann hier weder in die Tiefe gehen, noch Diagnosen geben oder Rechtliches mit dir besprechen. Ich kann dir nur sagen, was ich jetzt tun würde und das tue ich einfach, vielleicht hilft es.

Zuerst würde ich mit deiner Mutter reden, wenn dein Vater nicht da ist. Sag ihr, wie sehr du die Familie gefährdet siehst und frag sie, ob sie sich trauen würde zu handeln, wenn sie Hilfe bekommen würde. Ich denke, sie hat einfach auch Angst um ihr und euer Leben, wenn sie sich wehrt. Das ist verständlich. Erkläre ihr, wie gefährlich die Situation ist, wie sehr du darum bangst, dass es euch noch schlechter gehen wird, dass dein Vater Hilfe bräuchte und ihr alle auch.

Im Folgenden ist es wichtig, alle mögliche Hilfe zu bekommen. Hast du Beweise für die Taten? Bilder? Irgendwelche Mitschnitte oder hat dein Vater mal über Whatsapp losgelegt? Das wäre echt gut. Und dann gibt es folgende Anlaufstellen:

- Jugendamt
- Erziehungsberatungsstelle
- Caritas der Kirchen (man muss nicht religiös sein)
- Pro Familia

Ins Frauenhaus kommt man in der Regel nur, wenn man bei der Polizei war und eine Bedrohung vorliegt. Daher auch die Frage nach Beweisen in Wort und Bild. Hast du die Möglichkeit, solche Sachen zu protokollieren und außerhalb zu sammeln? So dass dein Vater keinen Zugriff hat? zB auch mal das Handy draufhalten oder mitschneiden, wenn dein Vater gegen deine Familie ausfallend wird? Das klingt jetzt gemein und hinterhältig, aber solche Beweise sind oft wichtig, um die Ämter zum Handeln zu bewegen. Wie sollen sie bewerten, ob du die Wahrheit sagst? Daher ist es oft traurig aber wahr, dass erst etwas Schlimmes passieren muss (beweisbar), bis sie handeln. Da gab es in eurer Vergangenheit doch schon einiges - nur gab es wohl keine Anzeige seitens deiner Mutter. Zu viel Angst...

Am liebsten würde ich euch sagen, so schnell wie möglich raus aus dem Haus, weg vom Vater, weg von der Gefahr! Aber da müsstet ihr drei alle zusammen an einem Strang ziehen...und das muss erst klar sein, dazu muss fachliche Hilfe von außen kommen. Ich kann dir also nur dringend empfehlen, die oben genannten Stellen anzugehen, wirklich persönlich hinzugehen und um Hilfe zu bitten. Gib Verantwortung ab, du kannst das nicht alleine bewältigen. Es ist aber sehr wichtig, dass ihr das angeht, dass etwas passiert. Oder wollt ihr erst warten, bis einer von euch so geschlagen wird, dass er in Lebensgefahr schwebt? Bitte, geh das an. Es ist schwierig, ich weiß, es ist auch wichtig, dass dein Vater nichts davon mitbekommt, aber es muss sein. Wirklich.

Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du das hinbekommst und dass ihr ENDLICH Hilfe bekommt. Lass uns gerne wissen, was du tun wirst und wenn du Hilfe brauchst (zb aktiv vor Ort), kannst du auch nochmals schreiben und uns Name und Adresse geben. Diese Antwort würde dann privat an dich zurück gehen und nichts veröffentlicht werden. Dann könnten wir dir vielleicht noch besser helfen und Stellen in deinem Umkreis raussuchen. Das liegt aber bei dir.

Alles Gute - und viel Erfolg und Kraft, du mutiges Mädchen!

Dana