Problem von Anonym - 16 Jahre

Wieso bin ich so

Hey, ich hoffe ihr könnt mir helfen:)
Ich weiß leider echt nicht, was mit mir los ist. In letzter Zeit habe ich sehr viel gelernt, ich bin jetzt in der 10.Klasse und wir schreiben fast jeden Tag etwas oder werden anders geprüft. Aber irgendwie habe ich total Angst vor dem Versagen, ich bekomme total Panik vor jeder Stunde und bin sehr konzentriert bzw auch deprimiert und stiller als früher.
Einer Lehrerin ist dieses aufgefallen und sie nahm mich beiseite. Sie meint bei mir würde sich ein starker Perfektionismus auszeichnen und die Gefahr eines Burnouts. Sie will dieses verhindern und wird mich jetzt beobachten, wie meine Stimmung ist etc, weil sie sich, wenn ich wirklich einen bekomme, dieses niemals verzeihen könnte. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich kann nicht einfach so aufhören zu lernen uns Kritik von Lehrern weniger ernst nehmen. Es ist ungesund, dass ich weniger als 4-5h schlafe, aber ich kann es nicht anders. Jede Kritik macht mir wochenlang zu schaffen und ich fühle mich so leer und emotionslos in letzter Zeit bzw auch super sentimental und weinerlich(es schwankt immer). Ich stehe auf, lerne,lerne in Pausen, lerne beim Essen, lerne bis in die Nacht. Was ist mit mir los? Ich habe jetzt noch das Problem, dass ich diese Lehrerin nicht enttäuschen will, weil es ihr so nahe geht, aber ich fühle mich noch schlechter, wenn ich nicht perfekt bin. Sie hat mit mir einen Terminplan erstellt, wann und wie lange ich lernen darf, aber es fällt mir so schwer, das einzuhalten. Ich vernachlässige Hobbies, die mir sonst so viel Spaß gemacht haben, ich kann an nicht anderes denken und trotzdem will ich ihre Erwartungen auch erfüllen. Sie hat mich überrascht, dass es sie wirklich interessiert, wie es mir geht und da ich meinen Freundeskreis in letzter Zeit total vernachlässige, hat mich diese Interesse aus meinem Lernen rausgezogen. Jetzt bin ich verzweifelt, ich will das nicht mehr tun, ich will nicht so leben, Schule,Studium,Arbeit, durchgehend eine Maschine, an die Erwartungen gerichtet sind, sonst wird sie nicht mehr gebraucht. Was ist falsch mit mir?
Bitte, bitte ich brauche wirklich Rat, danke für das aufmerksame Lesen:)

Christina B. Anwort von Christina B.

Hallo liebe Anonyme!

Danke, dass Du Dich mit Deinem Problem an uns gewandt hast!
Wenn ich Deinen Text lese, kann ich mir gut vorstellen, wie sehr Dich das Ganze momentan belastet. Das ist wirklich nicht leicht, wenn man selbst den Druck hat, perfekt sein zu müssen. Außerdem wirkt sich ja alles auf Deine Gesamtsituation aus, so wie Du schreibst, Du kannst nicht schlafen, machst nichts mehr mit Freunden, vernachlässigst Hobbies usw. Ich kann das insofern sehr gut nachvollziehen, weil ich selbst in meiner Schulzeit ähnliche Probleme hatte. Du stehst mit diesem Problem also nicht allein, es gibt bestimmt einige Leute, denen es so geht wie Dir. Du hast aber bisher alles richtig gemacht - Du hast den Mut aufgebracht, hierher zu schreiben und Dich an uns zu wenden. Ich finde das ganz toll von Dir, denn Du hast nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern Deine Probleme am Schopf gepackt auf der Suche nach einer Lösung.

Hast Du schon mal überlegt, warum Du solche Angst vorm Versagen hast? Gibt es einen Grund von außen dafür, vielleicht Eltern, die wegen Noten Druck machen? Oder kommt es von Dir drinnen? Toll finde ich, dass Deine Lehrerin sich Deiner angenommen hat und nun versucht, Dir da zu helfen. Aber: Du bist nicht dafür verantwortlich, wie sie sich fühlt. Du brauchst Dich um Deine Lehrerin nicht zu kümmern, es ist ihre Aufgabe, sich um DICH zu kümmern. Wenn es Deiner Lehrerin nahe geht, was mit Dir passiert, dann findet sie einen Weg, damit umzugehen - Du musst Dich darum nicht kümmern, sie ist erwachsen und macht das selbstständig. Die einzige Person, um die Du Dich kümmern musst, bist Du selbst! Das wäre wirklich gut für Dich. Es ist alles immer leichter gesagt, als getan, das ist mir klar, aber versuch Dir erstmal nur kleine Schritte zu setzen. Wie ich aus Deinem Text entnehme, willst Du so ja nicht mehr weitermachen, da Du schreibst, dass Du so verzweifelt bist und nicht mehr wie eine Maschine funktionieren willst und kannst. Nun lässt sich der Perfektionismus leider nicht von heute auf morgen ablegen. Aber in kleinen Schritten kannst Du es schaffen, wieder zu Deinem alten Selbst zu gelangen. Was könntest Du tun?

Der Lernplan, den Deine Lehrerin erstellt hat, ist ja schon mal ein super Ansatz. Vielleicht überlegst Du Dir eine Belohnung für Dich persönlich, z.B.: wenn Du es geschafft hast, am heutigen Tag den Lernplan und die Pausen einzuhalten, dann siehst Du Dir eine Folge Deiner Lieblingssendung an oder Du belohnst Dich mit einem Stück Schokolade oder mit sonst etwas, das Du gerne tust und das Dir gut tut. Perfektionismus hat immer was damit zu tun, dass man sich selbst nicht genügt oder sich nicht mag. Könnte das auch bei Dir der Fall sein? Wenn ja, dann wäre es gut, sich das mal anzusehen. Kannst Du in den Spiegel sehen und sagen "Ich mag Dich."? Oder ist das ein Ding der Unmöglichkeit für Dich? Es gibt dazu eine tolle Form der Selbsthilfe, die sich Spiegelarbeit nennt (hier als Buch zu finden: https://www.amazon.de/Spiegelarbeit-Essenz-Lebenshilfe-Programms-21-Tage-Kurs/dp/3957360641). Damit tastet Du Dich immer ein Stückchen weiter nach vorn zum Annehmen Deiner Selbst. Ich selbst habe, als ich so perfektionistisch war, dieses Programm angewendet und mich danach viel besser gefühlt. Wichtig wäre, auch wenn Du es erstmal nicht glaubst, Dich selbst positiv zu affimieren. Das bedeutet statt "Ich kann heute sicher wieder nicht viel schlafen." "Ich schaffe das heute sicher wieder nicht, den Lernplan einzuhalten." - steuerst Du Dich selbst in eine andere Richtung "Ich hoffe, dass es heute klappt. Ich schlafe ganz früh ein." bis hin zu "Ich weiß, dass es heute klappt und ich schaffe das." Schreibe Dir diese Sätze auf verschiedenes buntes Papier und hänge sie überall dort auf, wo Du Dich oft aufhältst. Pick einen Zettel an die Pinnwand neben Deinem Schreibtisch, einen aufs Klo, einen im Vorraum, einen ans Nachtkästchen, klebe Dir einen ins Federpenal usw. So bleibst Du in die positive Richtung gelenkt und nimmst Dir selbst etwas Leidensdruck. Du bist gut und toll, so wie Du bist! Auch Zettel mit solchen Botschaften wären hilfreich. "Ich bin gut, so wie ich bin." "Ich gebe mein Bestes und das ist gut so." "Ich mache es, so gut ich kann, das reicht." "Ich schaffe es."

Ich selbst war in meiner Schulzeit unheimlich perfektionistisch und konnte auch kaum locker lassen - aber mit diesen Tricks habe ich es geschafft, das alles zu steuern und zu kontrollieren. Ich habe mir z.B.: auch vorgenommen, einen Tag in der Woche, das war bei mir der Sonntag, freizunehmen, ganz ohne Schulaufgaben. Das hat mir immer sehr viel Erholung gebracht. Auch mit Freunden etwas zu unternehmen hat mir geholfen, mal abzuschalten und das Ganze nicht mehr so ernst zu nehmen. Vielleicht bittest Du Deine Freunde, dass sie Dich wieder mehr einladen und wohin mitnehmen sollen, damit Du einen Ausgleich hast. Schaffe Dir selbst einen Ausgleich - nimm Dir vor, jeden Tag fünf Minuten nichts zu tun, Du wirst überrascht sein, wie gut Dir das tut.

Wenn gar nichts mehr geht, und Du das Gefühl hast, trotz allem nicht weiterzukommen, würde ich Dir raten, vielleicht eine Psychologin aufzusuchen. Sie kann Dir helfen, herauszufinden, woher der Perfektionismus kommt und wie Du dem entgegen steuern kannst. Aber da Du es bis hierher geschafft hast und wirklich versuchst, das Problem zu lösen, bin ich mir sicher, dass Du das schaffen kannst (: Kopf hoch, du wirst das schaffen! Hier habe ich Dir noch einen Link von einem anderen Problem rauskopiert, das ähnlich dem Deinen ist und das ich vor einiger Zeit mal ausführlich beantwortet habe. Vielleicht findest Du dort auch noch das eine oder andere, das Dir helfen könnte.
http://mein-kummerkasten.de/325586/Es-existiert-nur-noch-Schule-in-meinem-Kopf.html

Hier noch ein Link allgemein zu Perfektionismus und was man tun kann, um ihn abzulegen: http://www.stephanwiessler.de/perfektionismus/

Ich hoffe, ich konnte Dir mit meiner Beratung weiterhelfen.
Wenn Du Fragen zu meinem Text oder etwas anderem hast, scheue nicht, sie mir zu stellen.
Du kannst uns gerne erneut kontaktieren (:
Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute!
Christina