Problem von Anonym - 19 Jahre

Probleme mit lehrern wegen glauben

Ich hab folgendes Problem:
Seit den Sommerferien trage ich Kopftuch. Jedoch hat dies Probleme verursacht. Zum Beispiel fühle ich mich ausgegrenzt, bekomme Kommentare gesagt und schiefe blicke. Dies verunsichert mich sehr. Daher habe ich mit einem glaubensbruder. Darüber geredet. Er sagte er klärt das Problem für mich und wollte die email Adresse meines direktors ich gab sie ihm. Daraufhin hat er der schule eine nicht so höfliche email geschickt. Ich wurde beim heutigen gespräch mit der schulleitung. Und der Klassenlehrer darauf angesprochen. Sie waren ziemlich genervt und schlecht gelaunt und konnten es nicht verstehen. Ich habe versucht ihre Sichtweise zu verstehen und hab daraufhin mit meinem glaubensbruder darüber gesprochen und versuchte die Missverständnisse zu klären der daraufhin meinte: erstens, du hast dich beklagt dass du gemobbt wirst, du hast mich um Rat gefragt. Wenn du mich fragst dann folge bitte meinem Rat oder folge den ungläubigen Lehrern die dich manipulieren. Zweitens ich weiss sehr wohl was Mobbing ist oder nicht. Deshalb werde ich an die Presse weitergeben was dort getrieben wird. Du kannst nicht erst jammern und dann den Kopf einziehen nur weil deine Lehrer Stress machen denn damit lieferst du jetzt mich ans Messer der Ungläubigen und schließlich wollte ich helfen und zum Dank lieferst su mich nun an deren Messer und das lasse ich nicht mit mir machen...
Nun redet er nicht mehr mit mir auch andere meiner Brüder und Schwestern nicht mehr, die das mitbekommen haben. Ich habe die verloren die ich mir am besten anvertrauen konnte und die schule ist hasst mich. Nun habe ich niemanden mehr und bin ganz alleine

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

vielleicht beginne ich direkt mit einem Beispiel:

Nimm das Wort "Ungläubiger". Wenn mich jemand so bezeichnet - was fühle ich dabei? (Mal abgesehen davon, dass mir gleich klar wird, dass ich es mit einem unduldsamen Muslim zu tun habe). Ich persönlich - gut, ich werde erstmal erschrocken sein. Wirklich betrüben wird es mich auf Dauer nicht. Niemand hat Gott je gesehen. Die Heiligen Schriften werden besonders durch unseren Glauben an sie - auch ich habe meinen Glauben. Aber Glauben ist nicht zu verwechseln mit "Wissen" und "es steht geschrieben" nicht zu verwechseln mit "bewiesen". Wir können glauben, dass unsere Religion jeweils die bessere ist - du für dich, und ich für mich. Wissen können wir es nicht. Oder ist einer von uns dabei gewesen, als Musa das Rote Meer teilte? Nein. Auch waren wir nicht dabei, als Isa hingerichtet wurde. Und der Prophet Muhammad war in der Höhle von H'ra - genau, ganz allein. Es steht jedem frei, zu glauben, was diese beeindruckenden Menschen berichtet haben; du hast dich entschieden, dass der Islam für dich die Wahrheit ist. Ich habe mich für das Christentum entschieden. Ich würde nicht von mir behaupten, dass ich in jeder Sekunde meines Lebens sicher bin, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Einfach, weil ich Gott noch nie gesehen habe. Ob ich im Recht war, oder du, oder jemand anders, werden wir alle erst wirklich am letzten Tag dieser Welt erfahren.

Und nun das Wort "Ungläubiger". Wenn du alles bedenkst, was ich dir eben aufgezählt habe: Wirst du vielleicht verstehen können, dass ich dieses Wort als Beleidigung empfinden muss. Erstens, weil ich deinem Bekannten meinerseits genauso gut sagen könnte, dass er ein Verräter am Wort Christi sei (aber ich sage es nicht, weil ich Jesus nicht gekannt habe, und mir keine Aussage möglich ist!). Zweitens, weil: All meine Vorfahren waren Christen, sie haben ein Leben voll harter Arbeit geführt und sind zumeist in dem Glauben gestorben, dass Jesus sie in den Himmel aufnimmt, zu Gott. Wenn mich einer als Ungläubigen bezeichnet, dann beleidigt er damit nicht so sehr mich, aber dafür meine ganze Familie zurück bis ins älteste Glied. Er sagt mir nämlich: "Die sind alle in der Hölle, da werden sie auf ewig bleiben." Ja, alles das schwingt in dem Begriff "Ungläubiger" mit. Ich bitte dich, ihn nicht harmlos zu betrachten. Und nun - was erwartest du, wie deine Lehrer reagieren, wenn jemand ihnen mit solchen Worten kommt?

Um zu der Aussage deines Bekannten Stellung zu nehmen: Ja, es ist Mobbing. Es ist Mobbing, wenn du aufgrund deines persönlichen Glaubens beleidigt und ausgegrenzt wirst - es sei denn natürlich, du willst mit Leuten, die deinen Glauben nicht teilen, überhaupt nichts mehr zu tun haben. Andererseits: Es gibt sinnvollere Wege, Lästereien und schiefe Blicke zu beenden, als wenn du jemanden ermächtigst, deinem Direktor eine wutschnaubende Mail zu schreiben. So wie dein Bekannter sich äußert, müssen wir davon ausgehen, dass er deinen Direktor und Lehrer in seinen Worten sehr beleidigt hat. Die Folgen waren zweierlei: Erstens fühlten sie sich angegriffen, nicht ganz zu Unrecht, wenn du einmal ehrlich bist. Und zweitens - welche Gedanken über dich müssen ihnen kommen, wenn sie bemerken, dass du mit so jemandem zusammen bist? Wissen sie denn, ob du morgen ein Flugzeug nach Syrien besteigst, um du-weißt-schon-wo zu leben? Ich kann mir vorstellen, dass es dich erschreckt, das von mir zu hören. Ich spreche diese Dinge aber aus, damit du weißt, wie ernst es mir damit ist. Ich denke das nicht von dir. Du denkst das nicht von dir. Aber einige - zum Beispiel deine Lehrer! - befürchten es. Und darum geht es.

Du hast in der Tat ein Recht auf faire Behandlung und darauf, angehört und verstanden zu werden. Es ist die Aufgabe deiner Lehrer, Sticheleien, böse Worte und Geringschätzung seitens deiner Mitschüler zu beenden. Das Beste wäre gewesen, ihnen offen zu erzählen, dass du dich entschieden hast, deinem Glauben dieses äußere Zeichen zu geben, und gerne hättest, dass sie dich darin unterstützen. Ich gehe davon aus, dass du keinen bösen Willen hattest, als du mit deinem Bekannten über die Ereignisse sprachst. Dein Fehler war es, ihm zu erlauben, die Sache in die Hand zu nehmen - das hat er nämlich ohne jedes Gefühl getan. Was deinen Lehrern fehlte, war die Information, dass seine Meinung nicht deine ist, sondern du ihn ursprünglich nur um Rat gefragt hast - und er die Sache dann in die Hand genommen hat. Was sich zu deinem Nachteil auswirkte. Deine Lehrer können dafür kritisiert werden, dass sie die Entwicklung unter deinen Mitschülern nicht eher gesehen haben und nicht eingeschritten sind; dein Bekannter aber kann dafür kritisiert werden, dass er ihnen das alles in einer Weise präsentiert hat, die vermutlich eher ein Beschimpfen von ihnen war, als ein Aufklären über die Umstände. Höflichkeit ist wichtig - auch und gerade, wenn man mit Menschen zu tun hat, die die eigene Lebensweise nicht für wertvoll erachten. Oder möchtest du genauso sein wie sie? Und nicht zuletzt: Willst du diese Erlebnisse als Prüfung für deinen Glauben betrachten, die es zu bewältigen gilt, indem du energisch, aber freundlich dein Recht forderst, und schließlich bekommst? Oder willst du durch eine genauso heftige Reaktion den Eindruck erwecken, dass du in deinem Glauben noch nicht gefestigt bist?

Ich denke, dir ist kein Vorwurf zu machen. Du hast nicht gewollt, was passiert ist. Und das Verhalten deines Bekannten zeigt nur, dass er nicht verstehen wollte, was er selbst angerichtet hat: Die "Manipulation", die er deinen Lehrern unterstellt, die sehen sie durch ihn. Er hat beschlossen, sich nicht der Verantwortung für die Dinge zu stellen, die er angerichtet hat, sondern lässt dich lieber mit dem Schaden allein. Was gibt es noch mehr über ihn zu sagen? Sieht so ein Mensch aus, der durch seine Religion Verständnis und Frieden in der Welt mehren will? Sicher nicht. Aber du, du kannst es. Dies ist mein Auftrag an dich: Versuche, dieses ganze Missverständnis auszuräumen. Suche das Gespräch mit deinen Lehrern, und erkläre ihnen, wie die ganze Geschichte abgelaufen ist. Berichte, dass du nie wolltest, dass jemand beleidigt wird, es aber auch als dein Recht siehst, deinen Glauben sichtbar leben zu dürfen. Denn das ist dein Recht. Nur durch Kommunikation wirst du lösen können, was bis jetzt entstanden ist. Denn deinen Glauben leben und vertreten, das möchtest du doch trotzdem, oder? Dann ermächtige dich endlich selbst, und stelle dich so dar, wie du wirklich bist - und gib dies nicht aus der Hand an jemanden, der kein Gefühl dafür hat, und dich im entscheidenden Moment im Stich lässt. Dass er genau weiß, dass er etwas falsch gemacht hat, siehst du daran, dass er Angst hat "ans Messer geliefert" zu werden. Eben wollte er selbst noch an die Presse gehen. Jemand, der sich im Recht weiß, verhält sich nicht so, das kannst du mir glauben.

Überlege dir bitte auch für dich: Soll dein Glaube ein unduldsamer sein? Oder willst du darauf bestehen, die Wahrheit zu kennen (wie wahrscheinlich fast jeder tiefreligiöse Mensch) - aber trotzdem den Menschen zugetan und sicher, dass alle gleich sind? Wenn du nicht alle als gleich siehst - oder dies in deinem Handeln ausdrückst - kannst du nicht erwarten, dass man umgekehrt so zu dir ist. Das leuchtet ein, oder? Wenn du darum jetzt aussprichst, was Sache ist, und deinen Standpunkt klärst, dann sei auch bereit, die andere Seite zu sehen. Andernfalls bleibst du hängen zwischen "Brüdern", die dich nicht wertschätzen und in Schwierigkeiten bringen, und "Ungläubigen", die keinen Grund haben, sich mit diesem Wort geachtet zu fühlen. Ich gehe einfach mal davon aus, dass du das nicht willst. Dann handle so, dass es nicht dazu kommt - ich bin sicher, du wirst es schaffen.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul