Problem von Marie - 31 Jahre

Habe als Teenager eine unverzeihliche Lüge erzählt die bis heute mein Leben vergiftet.

Hallo zusammen,
dieses Geständnis habe ich mit 16 Jahren öffentlich abgelegt weil ich es zu tiefst bereute das ich es überhaupt erzählt habe.
Ich war eigentlich mein ganzes Leben immer traurig, ängstlich und total unsicher. Ich spürte überall Ablehnung in der Familie und in der Schule auch. Während der Schulzeit wurde ich auch ständig gehänselt und gepiesakt. Das spitzte sich irgendwann katastrophal zu. Ich hatte meinen ersten Freund. Auch bei ihm hatte ich ständig das Gefühl, das er mich eigentlich ablehnte. Dieses Gefühl bestätigte sich dann nach kurzer Zeit wo mir dann klar wurde das er mich betrog und direkt abservierte mit dem Satz: Ich wollte eigentlich nie was von dir du stinkst.
Für mich brach eine Welt zusammen. Das soll keine Entschuldigung sein für das sein was ich danach tat. Es ist nicht zu entschuldigen. Ich bereue es jeden Tag seit 15 Jahren zu tiefst.
Ich habe mich wieder in einen Jungen aus unserer Clique verguckt und wir waren mit Freunden unterwegs. Wir landeten bei ihm. Wir knutschen und fummelten. Mir wurde plötzlich so schlecht, meine Kehle schnürte sich zu und ich wollte nur noch weg. Der Junge verstand das nicht und ich konnte ihm auch nicht sagen welcher Teufel mich geritten hatte. Ich verstand es selbst nicht. Ich hatte so Angst und habe den ganzen Heimweg Rotz und Wasser geheult. Die Angst ließ mich nicht los. Ich wollte so weit wie möglich weg-aber Ich wusste nicht wohin. Danach wollten alle wissen was mit mir los war. Ich wollte nicht drüber reden, das ich Angst hatte wieder verarscht zu werden. Das wäre wiedet ein gefundenes Fressen für die gewesen mich weiter zu piesacken. Wieder gesagt zu bekommen ich sei Nichts Wert ist unerträglich. Als dann noch aus der Ecke meines Ex Sprüche dazu kamen wie Flitzen usw. Platzte aus mir die unglaubliche Lüge heraus, ich sei vergewaltigt worden. Ich hielt diese Lüge nicht lange durch. Und als dann alle wissen wollten was passiert sei wuchs mir das alles über den Kopf als ich merkte das ich mir nun immer mehr ausdenken musste weil die Fragen nicht enden wollten-hielt ich diese Horrorvorstellung nicht aus und knickte nach 2 Tagen ein. Ich dachte die ganze Zeit an den Jungen der überhaupt nichts dafür kann und mit dem ich lieber zusammen gewesen wäre und mal schöne Erfahrungen sammeln wollte.
Ich erzählte allen das ich gelogen habe. Das so etwas nie geschehen ist und ich es mir ausgedacht habe. Irgendwann kam der Junge auf mich zu und fragte mich warum ich das erzählt habe und das er besorgt sei das er dadurch in seiner Ausbildung Schwierigkeiten bekäme. Ich versuchte es ihm zu erklären so gut ich konnte-aber für mich hörte sich alles idiotisch an-jedenfalls versprach ich ihm das ich auch seinem Ausbilder persönlich sagen würde, das es eine dumme Lüge war, sollte er wirklich Ärger bekommen.
Natürlich waren alle sauer auf mich und meideten mich genauso wie zu vor. Nur diesmal wurde das Gefühl der Abneigung noch schlimmer. Hinter jedem Blick sah ich die Abscheu in den Augen der Leute und ich konnte es ihnen nichtmal verübeln.
Ich zog irgendwann weg nach der Schule, während meiner Ausbildung. Somit hörte die GerüchteKüche für mich auf, zumindest äußerlich. Aber diese Geschichte ließ mich einfach nicht los. Ich habe das Gefühl ich stecke in einem Gefängnis und will weg laufen. Ich fühle mich ohnmächtig. Habe schon oft gedacht es sei besser einfach zu sterben. Ich habe vorher nie gelogen und nachher auch nie mehr wieder. Meine Beziehungen danach waren alle absolute Katastrophen. Im Nachhinein betrachtet eigentlich zum Scheitern verurteilt. Es waren immer Männer die entweder kriminell, narzistisch oder machtbesessen waren. Mit der letzten Katastrophe war ich dann verheiratet und bekam 3 Kinder. Als diese Ehe dann scheiterte zog ich zurück in den Ort wo ich aufgewachsen bin. Es zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Von meiner Kindheit bis Heute gerate ich ständig in Beziehungen wo ich emotional gedemütigt werde. In meiner Familie wurde/wird es so gehandhabt. Die Männer denen ich begegnete waren so.
Und nun kam für mich der nächste Schock. Die Zeit stand hier still hier. Vergessen und Verzeihen gab es hier offenbar in den letzten 15 Jahren nicht. Es wird immer noch gelästert hinter meinem Rücken tag täglich. Der Junge von damals und meine Klassenkameraden halten bis heute diese Geschichte am Leben. Damit könnte ich ja leben , wenn es nicht den ganzen Ort infizieren würde und wenn ich keine Angst hätte, das meine Kinder darunter leiden müssen. Diese Angst beherrscht mich momentan extrem. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Muss ich deren Hass für den Rest meines Lebens ertragen? Ist das meine Strafe für diese Dummheit als Teenie? Sollte ich besser weg ziehen, damit die Kinder unbekümmert aufwachsen dürfen.? Soll ich die Leute darauf ansprechen...? Ich erwarte nicht das man mir verzeiht. Ich kann es ja selbst nicht. Ich dachte damals das er es getan hätte. Danach und auch heute hat er mich lächelnd begrüßt, mit mir gealbert, geflirtet. Und dann bekomm ich von anderen die Sprüche. Er hat es uns erzählt. Die Blicke der Leute, die sich plötzlich verändern, die mich vorher noch freundich aufnahmen.
Ich habe so schon Probleme mich auf andere Menschen ein zu lassen. Aber jetzt bin ich an einem Punkt wo ich keine Ahnung mehr habe, wie es weiter gehen soll. Ich habe immer öfter den Wunsch alles hin zu schmeißen. Meine Kinder zum narzistischenken Ex zu bringen und mein Leben zu beenden. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Für meine Kinder will ich stark sein und habe vor 2 Jahren angefangen mich mit Medikamenten auf zu putschen um mehr Energie für den Job und ihre glückliche Kindheit zu haben. Aber inzwischen denke ich immer öfter, das es keinen Sinn hat sich an zu strengen. Es wird nie wieder gut werden. Diese Geschichte ist vorbestimmt beschissen zu enden. Irgendwann wird es dann meine Kinder erreichen und es wird ihr Leben zusätzlich kaputt machen, auf die eine oder andere Weise.
Ich werde diesem Gefängnis nie entkommen. Das ist mir klar.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Marie,

deine Schilderung geht mir nahe. Du hast sehr eindringlich beschrieben, wie schwer es dir fällt, dieses Leben zu führen, das dich so traurig stimmt. Seid dir gewiss, dass wir mitfühlen, denn auch die anderen Mitglieder des Kummerkastens haben sich einige Gedanken zu deinem Problem gemacht und sehen die Dringlichkeit der Beantwortung.

Ich kann gedanklich und emotional nachvollziehen, wie es damals zu deiner folgenreichen Lüge zur Vergewaltigung gekommen ist. Es ist doch oft so, auch im Alltag, dass wir Menschen das Gefühl haben, dass uns alle zuviel ist, dass wir dringend in ein Loch schlüpfen möchten, oder im Erdboden versinken wollen... manchmal klappt das, hat keine schlimmen Auswirkungen. Notlügen sind ja auch ein häufig angewandtes Mittel, mal mehr, mal weniger angemessen und in Ordnung.
Manchmal kommen viele ungute Dinge zusammen, die uns überfordern. Wir wissen dann einfach nicht weiter. Was sollen wir bloß tun? - Du hast dich in einer ausweglosen Situation gefühlt und wahrscheinlich warst du von deinen Empfindungen derart überflutet, dass du nicht mehr klar denken konntest. Bestimmt war das die Basis, von der du zur Lüge gegriffen hast.
Dann gibt es noch das schreckliche Gefühl, nicht mehr zurück zu können. Dass man A gesagt hat und deswegen auch B sagen muss. Bei dir war es vielleicht so: Du hast dich miserabel gefühlt, da lag es für dich gar nicht so falsch, dich wie vergewaltigt zu fühlen... auch wenn da natürlich Welten dazwischen liegen und der Junge ja offenbar ganz andere Absichten gehabt hatte, als dir Gewalt anzutun. Doch entscheidend ist eben deine Wahrnehmung des Moments und der war wohl außerordentlich bedrohlich für dich. Das wäre wie so ein Transfer vom Gefühl "ich bin bedroht" hin zu "Vergewaltigung", in der dieses Gefühl maximal ausgeprägt ist.

Ich finde zwei Dinge sehr beachtlich: Zum Einen hast du die Lüge sehr schnell zugegeben, was gar nicht so selbstverständlich ist, vor allem vor dem Hintergrund, dass du dich so ausweglos gefühlt haben musst. Es gibt durchaus Leute, die eisern an ihrem Lügengebilde festhalten, teilweise über Jahre und Jahrzehnte.
Man könnte jetzt einwenden, dass du unter massivem sozialen Druck gestanden hast, doch erklärt das bestimmt nicht alles. Ich habe den Eindruck, dass du ein gutes moralisches Gespür hast und genau weißt, was für ein Unrecht du dem Jungen angetan hättest. Das kommt auch zum Tragen durch dein Zugeständnis, seinem Chef gegenüber von der Lüge zu berichten, um ihm keine Unannehmlichkeiten zu bereiten. Das ist toll!
Außerdem finde ich sehr sehr rührend, wie sehr du dich um das Wohl deiner Kinder sorgst und sogar Medikament nimmst, um für sie "zu funktionieren". Sie können sich sehr, sehr glücklich schätzen, dich als Mutter zu haben! Ich komme darauf nochmal zu sprechen, doch soviel an dieser Stelle: Du hast das Herz am rechten Fleck, wie man so schön sagt. Ich finde es elementar, dass du dir dieser Stärke bewusst bist und diese hoch hälst wie eine schillernde, leuchtende Blume. Denn das ist pure Kraft, Stärke und wirklich wichtig, wichtiger denn je vielleicht in Zeiten des ständigen schnellen Umbruchs und der Unsicherheiten!

Insgesamt sehe ich die Lüge als Spitze des Eisbergs, vielleicht auch als "Rahmung" für dein Leben, das alles andere als glücklich für dich verlaufen ist. Die Lüge lässt dich nicht los, aber im Prinzip ist sie an sich schon "verjährt", wären da nicht die blöden Leute im Ort und deine schlechte Grundverfassung. Die Lüge ist wie eine Mahnerin, wie der Finger in der Wunde, der nicht weichen will.

Ich fange von Anfang an. Du musst enormes Pech mit deiner Familie gehabt haben, dass so ein Leid über dich gekommen ist. Doch leider ist das in manchen Familien so, wenn es den einzelnen Mitgliedern nicht gut geht, wenn Kinder nicht willkommen sind und von außen Sorgen erzeugt werden. Hier wieder der Hinweis, wie klasse du im Gegensatz dazu als Mutter bist, weil du deinen Schmerz und deinen Kummer nicht an deinen Kindern auslässt. Sie müssen bei dir nicht büßen. Auch das ist keineswegs selbstverständlich.
Ich vermute bei dir, dass du eine Bindungsangst ausgebildet haben könntest. Diese ist geprägt von einer lebensumfassenden Unsicherheit, Angst und Unzufriedenheit und äußert sich auf Beziehungsebene darin, dass man sich schlecht auf andere Menschen einlassen kann, entweder falsche Partner gewählt werden (was dazu passen würde, dass du destruktive und schlecht laufende Beziehungen hattest) oder Partnerschaften zu liebevollen und bejahenden Menschen vorzeitig abgebrochen werden. Das sehe ich so bei dem Jungen, in den du ja verliebt warst und mit dem du eigentlich eine schöne Zeit erleben wolltest. Das würde auch erklären, warum du dich so bedroht gefühlt hast: Du hast möglicherweise unbewusst abgespeichert, dass du es nicht wert bist, geliebt zu werden und ein Eingeständnis bzw. Zulassen der Liebe dazu führen könnte, wieder verlassen zu werden. Im Endeffekt würde das auf den Kern hinauslaufen, der tiefe Angst vor dem Sterben umfasst, denn Alleinsein ist für Menschen tödlich, zumindest vom ganz Unbewussten ausgehend. Bindungsangst würde auch die Antwort liefern, warum du immer wieder an die Falschen geraten bist, mit denen du keinesfalls hättest glücklich werden können. Zum Vergleich: Menschen, die gute Erfahrungen mit ihren engsten Bezugspersonen gemacht haben, haben die tiefe Überzeugung entwickeln könne, in Ordnung zu sein und auf sich selbst vertrauen zu können. Sie gehen zuversichtlich in die Welt und haben keine Angst. Dementsprechend gestalten sie ihre Beziehung zu Anderen und bekommen auch Zuneigung. Das ist sozusagen der positive Kreislauf, wie er für jeden Menschen zu wünschen ist. Läuft es jedoch nicht optimal ab, sondern schädigend schon in jungen Jahren (das kann übrigens auch Überbehütung sein...), kommt es zu einem negativen Kreislauf, denn der Mensch sucht unbewusst das Schädigende, weil er es erstens schon gut kennt, gewöhnt ist und auch glaubt, nichts Besseres verdient zu haben. So ziehen sich Menschen an, die einander nicht gut tun und unglücklich bleiben. Wenn sie Kinder bekommen, geben sie ihr Leid und die schlechten Erfahrungen häufig weiter, oft über viele Generationen. Natürlich ist das etwas vereinfacht dargestellt und berücksichtigt manche Dinge noch gar nicht, aber es ist ein wichtiger Mechanismus, der bewirkt, dass es ganzen Familien mies geht und keine Kompensationsmöglichkeiten ergriffen werden können. Denn wenn man z.B. nie gelernt hat, sich in den Arm zu nehmen und sich gegenseitig zuzuhören, ist Versöhnung und Solidarität schwierig.
Für Bindungsangst spricht in meinen Augen auch, dass schon etwas Widersprüchliches in deinen Beschreibungen auftaucht: Hie und da erwähnst du, dass es auch mal freundliche Menschen gab, wenn auch nur in Andeutungen. Du schreibst auch viel davon, dass du viel Ablehnung bei deinem Umfeld spürst - von Kleinauf. Es könnte sein, dass du sehr sensibel auf Handlungen, Mimik und Gestik der Leute reagierst und manche Sachen mitunter gar nicht so gemeint waren, du jedoch so auf das Negative "gepolt" bist, dass du dir schwer tust, nette Absichten oder etwas Neutrales als solches zu erkennen. Das heißt nicht, dass du ein grundsätzliches Wahrnehmungsproblem hast, sondern dass deine Ablehnungserfahrungen vielleicht Ablehnung aus den Menschen sprechen lassen, die nicht unbedingt Tatsache sind.

Dass du zurück in deinen Heimatort gezogen bist, ist vermutlich ein Zeichen, dass du dich danach sehnst, so genommen zu werden, wie du bist. Denn wir alle streben mehr oder weniger stark dahin, ein fester Teil einer Gemeinschaft zu sein, geachtet und gewertschätzt zu werden. Du hast den Schmerz aus deiner Kindheit und Jugend noch tief in deinen Knochen und sehnst dich so sehr nach Geborgenheit. Was liegt da näher, als zu deinem Ursprung zurückzukehren?

Unter all diesen Vorzeichen wäre ein genereller Neuanfang wahrscheinlich das Heilsamste für dich. Die Tücke ist da eher, wie anfangen? Ich möchte dir nun einige Punkte nennen, die ich als sehr wichtig für dich erachte. Ich rate dir, sie dir eingehend anzuschauen und für dich zu überlegen, was gerade jetzt am realistischsten und kräfteschonendsten ist, aber gleichzeitig schon etwas zum Besseren wenden würde. Außerdem will ich deine beiden letzten Sätze aufgreifen: "Ich werde diesem Gefängnis nie entkommen. Das ist mir klar.". Das ist ziemlich sicher einer deiner Glaubenssätze, d.h. du hast deren Inhalt so sehr verinnerlicht, dass sie für dich die Wahrheit sind. Doch da möchte ich dir widersprechen! Glaubenssätze sind hartnäckig und fies, doch sie sind veränderbar und auf keinen Fall immer wahr und überall gültig! Im Rahmen einer Psychotherapie werden Glaubenssätze klassischerweise angegangen, weil sie oft das Leben steuern, ohne dass es den Menschen so recht bewusst ist.

1.) Unterstützung von außen: Bis du in einem besseren Lebensumfeld angekommen bist, benötigst du Hilfe von Menschen, denen du halbwegs vertrauen kannst oder, wenn du keinem richtig vertrauen kannst, professionelle Unterstützung durch eine Familienberatungssstelle, Sozialarbeiter, Familienhelfer, Pfarrei, Seelsorge im Ort. Oder einfach bezahlte Personen, die dir deinen Umzug abnehmen, Kinderbetreuung usw.

2.) Heimatort verlassen: Wie schon unter 1.) angedeutet, wäre es am besten, wegzuziehen. Das löst nicht alle Probleme, doch kannst du erst richtig zur Ruhe kommen, wenn du dieses Schlamassel hinter dir gelassen hast. Denn die Konflikte sind zu tief und zu festgefahren. Anders sähe es allerdings aus, wenn du doch etwas Ressourcen finden kannst im Ort, also du bei näherer Betrachtung doch die ein - oder andere liebe Person hast, die dir wohlgesonnen ist. Dann könnte es sich lohnen, dort zu bleiben und die andere Richtung einzuschlagen, indem du aktiv gegen die Verleumdungstendenzen bzw. Tuscheleien bezüglich der Vergangenheit vorgehst, indem du z.B. offensiv damit umgehst und klarstellst, dass du damals einen Fehler begangen hast, aber du nicht darauf reduziert werden möchtest, sondern eine faire und respektvolle Behandlung wünschst.

3.) Therapeutische Aufarbeitung, am besten unter dem Blickwinkel auf mögliche Bindungsangst/Beziehungsgestaltung/Familiengeschichte.
Bezüglich Bindungsangst empfehle ich dir, schon einmal reinzulesen, was es an aktueller Literatur gibt. Klassiker sind "Nah und doch so fern" von Steven Carter und Julia Sokol sowie "Jein! Bindungsängste erkennen und bewältigen" von Stefanie Stahl. So kannst du für dich herausfinden, ob das auf dich zutrifft und ggf. erste Maßnahmen zur Linderung ergreifen.

4.) Achtsamkeitsübungen, Meditation, Körper spüren, Grenzen setzen/Nähe zulassen
Hier gibt es dermaßen viel, dass ich dir nur Stichpunkte nennen will. Du kannst selbst auf die Reise gehen und schauen, was dir gefällt. Yoga ist aber derart empfehlenswert, dass ich es hier gleich mit aufführe. Es tut Körper und Psyche gut und wäre wegen deines brüchigen Selbstwertes sicherlich wohltuend für dich.

5.) Zeit nur für dich (Spaziergänge, Raum für Hobbys und Interessen, aus dem Fenster schauen, deinen Gedanken nachhängen, Pläne schmieden...)

6.) Kontakte knüpfen, die dir erstmal nicht zu nahe kommen können, aber gleichzeitig nicht schädlich sind, z.B. über Chats, Brief - oder Mailfreundschaft, lose Gespräche mit sympathischen Menschen.

7.) "Liste der Schädlichkeiten" führen - und diese konsequent meiden bzw. aus deinem Leben streichen/ "Liste der schönen Dinge" führen und diese möglichst oft in deinen Alltag lassen!

8.) Lass das mit den Medikamenten auf lange Sicht sein. Wenn du dir Hilfe für Haushalt und Kinder geholt und du therapeutische Begleitung hast, sollten sie überflüssig sein. Sie sind jetzt eine Krücke, aber Krücken braucht man nicht sein ganzes Leben.

9.) Eigenen Selbstwert erkennen und wachsen lassen: Das ist wohl das Schwierigste von allen, deswegen kommt es am Ende. Vermutlich wird das eine lebenslange Herausforderung für dich sein, eine Lebensaufgabe. Doch dann ist es so. Wir alle wachsen ein Leben lang und haben unsere Päckchen und Pakete zu schleppen. Dass du ein riesiges Paket aufgebürdet bekommen hast, ist unfair. Aber es soll dich nicht daran hindern, es allmählich immer leichter werden zu lassen!
Du hast von einem roten Faden geschrieben, der dein Leben durchzieht. Lass die Liebe zu dir selbst, die Selbstachtung, das Aushalten der eigenen Persönlichkeit zu deinem neuen roten Faden werden! Auch das wirst du wahrscheinlich nicht ohne therapeutische Hilfe bewerkstelligen. Doch im Endeffekt läuft bei dir alles zusammen: In der Therapie in im Selbststudium von einschlägigen Büchern bekommst du Handwerkszeug in Form von Übungen, Denkanstößen und Ideen. Doch du selbst musst damit arbeiten. Ich appelliere deswegen wieder an deinen Willen.

Ich will dir damit Mut machen, dass du als junger Mensch noch viel Potenzial hast, ein anderes und vor allem schöneres Leben zu führen - ja, das geht! Nur wird das nicht funktionieren ohne deine aktive Umgestaltung deines Alltags und deines Umfeldes. Versuche, deinen Willen aus dir selbst herauszukitzeln, versuche, Motivation zu Veränderung heraufzubeschwören. Du hast schon damit begonnen, indem du deine Geschichte hier aufgeschrieben hast. Deine Kinder sind außerdem für dich da, auch wenn sie im alltäglichen Geschehen anstrengend und herausfordernd sind. Sie lieben dich aber bedingungslos und würden ganz viel für dich tun. Mache dir bitte bewusst: Du bist ein wertvoller, liebenswerter Mensch und nicht nur für deine Kinder eine große Bereicherung. Richte deine Augen auf die Welt und versuche, sie gut zu dir sein zu lassen. Es sind viele Schritte nötig, doch ich glaube fest daran, dass du es schaffen wirst.

Alles Liebe!
Nuala