Problem von Anna - 25 Jahre

Mein Vater und seine "Weltuntergangsszenarien"

Liebes Kummerkasten-Team,

das Problem, das ich mit meinem Vater habe, ist keine typische Familenstreiterei, sondern etwas „spezieller“. Ich freue mich die letzten Jahre z.B. kaum noch auf Weihnachten und das liegt daran, dass ich genau weiß, dass die hoffnungsvolle, gemütliche und positive Weihnachtsatmosphäre höchstwahrscheinlich sowieso durch meinen Vater bzw. seine Äußerungen „zerstört“ wird. Mein Vater ist nämlich der Meinung, dass die Welt den Bach runter geht, dass sie so, wie sie jetzt ist, mit Kapitalismus, Digitalisierung, Globalisierung etc. auf lange Sicht nicht funktionieren und alles zusammenbrechen wird. Er ist fest davon überzeugt, dass demnächst irgendwas passieren wird (Umweltkatastrophe, 3. Weltkrieg…), sodass bald unser ganzes „modernes“ Lebe zusammenbrechen wird und wir dann ohne Strom usw. eine neue Gesellschaft aufbauen müssen. Der Politik vertraut er eh nicht, er neigt ohnehin zu tendenziell verschwörungstheoretischen Ansichten. Seine Aussagen in diese Richtung, die bei jedem Gespräch unweigerlich irgendwann kommen, ziehen mich extrem runter. Nach einem Telefonat mit ihm (ich bin vor 5 Jahren zuhause ausgezogen um zu studieren und sehe meine Eltern daher nur alle paar Monate), fühle ich mich oft stunden- oder tagelang schlecht. Alles, was ich jetzt habe und mag – mein Job, meine Wohnung, meine Hobbies usw., wird ja seinen Ansichten zufolge in ein paar Jahren in Schutt und Asche liegen. Ich bekomme durch seine Aussagen Zukunfts- und Existenzängste, kann nicht mehr genießen, was ich habe und frage mich manchmal auch, wozu man überhaupt noch irgendwas machen soll, falls wirklich mal alles den Bach runter geht.
Als Außenstehender fragt man sich jetzt sicher, wieso ich diese „Spinnereien“ meines Vater nicht einfach also solche abtue. Mein Problem ist, dass ich mir so etwas ja schon seit meiner Kindheit anhören muss und als Kind neigt man ja erstmal dazu, seinen Eltern nahezu alles zu glauben. Außerdem ist mein Vater jemand, der gut den Eindruck vermitteln kann, er wüsste Dinge oder würde jetzt schon bestimmte Entwicklungen erkennen, die zu diesem und jenem führen werden, was andere Leute nicht begreifen. Er meint z.B., bestimmte Zusammenhänge zu erkennen, die andere eben nicht sehen und deswegen zu wissen, was wahrscheinlich in Zukunft passieren wird (z.B. Krieg). Es fällt mir deshalb sehr schwer, mich von seinem Gerede zu distanzieren und einfach nicht zu glauben, dass vllt. wirklich etwas an seinen Aussagen dran ist. Außerdem gibt es ja wirklich bestimmte Punkte, bei denen man erstmal denken könnte „Verschwörungstheorie“, an denen dann aber auf den zweiten Blick doch was dran ist (z.B. „Politiker sind alles gekauft, Politik dient nicht dem Bürger“ -> Lobbyismus).
Ich hatte wegen dieses Verhaltens schon oft Streit mit ihm, weil ich das nicht mehr hören will und mich das ganze furchtbar unglücklich macht. Aber er hat das lange Zeit null eingesehen, weil er es als seine Aufgabe ansieht, mich und meine Mutter auf die Zukunft durch seine „Prognosen“ vorzubereiten. In letzter Zeit ist es ein bisschen besser geworden, weil er nach unserem letzten großen Streit meint eingesehen zu haben, dass ich jetzt erwachsen bin und dass er mir alles wichtige „Wissen“ mitgegeben hat. Wir haben auch vereinbart, dass, wenn er wieder mit seinen Aussagen dahingehend anfängt, ich einfach „Stop“ sagen soll, weil er das manchmal auch unbewusst macht. Das Problem ist aber, dass es mich nicht nur belastet, wenn er jetzt z.B. konkret erzählt, dass bald der 3. Weltkrieg ausbricht, sondern dass scheinbar harmlose Aussagen seinerseits inzwischen schon reichen, um mich quasi zu „triggern“. Beispiel: Ich habe ihm von irgendwelchen Zukunftsplänen von mir erzählt und er sagt dann sowas wie „Man weiß ja eh nicht, was kommt.“ Bei jedem anderen würde ich das als Floskel abtun, aber da ich mir schon jahrelang dieses Weltuntergansgelaber anhören musste, weiß ich genau, dass er damit eben darauf anspielt, dass meine Zukunftspläne sich nur bedingt lohnen, weil ein bestimmter beruflicher Abschluss in einer postapokalyptischen Welt ja eh nichts mehr wert sein wird. Oder wir haben über das Gesundheitssystem gesprochen und er meinte, Wissen über den eigenen Körper sei ja sehr wichtig. Man dürfe sich ja jetzt schon nicht einfach auf die Ärzte verlassen, aber es könnte ja auch sein, dass man sich in Zukunft mal selbst um seine Gesundheitsversorgung kümmern muss…
Sowas macht mich einfach fertig, aber wenn ich bei solchen Kleinigkeiten sage, er soll damit aufhören, streitet er erstmal ab, das in seiner postapokalytischen Weise gemeint zu haben und kommt dann mit Aussagen wie „Dann kann ich ja gar nichts mehr sagen!“ oder „Dann reden wir eben überhaupt nicht mehr miteinander, du spinnst doch!“
Ich habe deshalb schon gar keine Lust mehr, mit ihm zu telefonieren, geschweige denn über Weihnachten zu meinen Eltern zu fahren. Ich bin gerade ziemlich traurig deswegen. Ich mag meine Eltern wirklich, aber ich glaube immer weniger, dass mein Vater und ich auf lange Sicht eine gute Beziehung haben können.

Wie soll ich damit umgehen?

Vielen Dank für eure/deine Zeit und liebe Grüße!

Dana Anwort von Dana

Liebe Anna!

Es gibt meiner Meinung nach drei Möglichkeiten:

1. es bekämpfen
2. es dulden
3. es meiden.

Ich sage dir einfach zu allen drei Möglichkeiten meine Gedanken und du schaust, was am ehesten "du" bist.

Deinen Vater wirst du nicht mehr ändern können. Er scheint Hobby-Pessimist zu sein und diese Art ist seine. Er scheint es auch nicht zu merken, dass er so ist, sonst würde er nicht verärgert reagieren und dir sagen, dass du spinnst, wenn du es bei Kleinigkeiten ansprichst. Also gibt es hier kein veränderbares Parameter. Das gibt es nur in dir.

Du hast nun die Möglichkeit, dich dagegen zu stellen und immer sofort ein "STOP" zu sagen, wenn es in die Richtung geht. Dann wird dein Vater sich irgendwann als Maulkorbträger fühlen, du dich aber besser. Du musst nämlich seinen Pessimismus nicht aushalten. Ich habe auch einen Freund, der NUR negativ denkt. Und ich weiß, wie einen das runterzieht. Allerdings sehe ich den nur ein paar Mal im Jahr und das hält man aus. Dazu ist er kein "die Welt geht unter"-Typ, er ist da wesentlich angenehmer. Ich kann mir daher vorstellen, wie es ist, wenn man immer diesem Schlechtgerede ausgesetzt ist. Du hast das Recht, das nicht hören zu müssen. Die Frage ist dann halt, wie viel ihr noch redet, wenn du immer einen Riegel vorschiebst. Da hast du Recht. Aber möglich ist es.

Du kannst es meiden, indem du immer aus dem Raum gehst, wenn dein Vater anfängt. Auch da habe ich Erfahrungen mit einer Freundin, die von ihrer Mutter immer hörte, dass sie zu dick sei. Sie ging beim Beginn dieses Themas immer gleich aus dem Raum, wortlos...das gab natürlich oft Ärger, aber irgendwann wurde das Thema ad acta gelegt. Braucht natürlich einen langen Atem. Dazu kannst du natürlich den Kontakt zu deinem Vater minimieren. Allerdings glaube ich nicht, dass du das möchtest, so klingt es jedenfalls.

Oder du kannst es dulden. Dein Dad ist dein Dad. Er ist nicht perfekt, er ist so, wie er ist. Ich möchte jetzt nicht assoziieren, dass du ihn dir als "krank" vorstellen und Mitgefühl mit ihm haben solltest, aber meinst du, du könntest es schaffen, dieses Problem als SEIN Problem darzustellen und nicht als deins? Wenn er negativ spricht, einfach etwas Positives dagegen zu setzen? Oder gar nichts und dir deinen Teil zu denken, oder auch ruhig etwas gegensetzen, aber selbst an dir zu arbeiten, dass dich das nicht mehr so erwischt? Das fordert etwas Arbeit an einem selbst, aber im Grunde ist das doch die Lösung, die für alle am meisten Gewinn bringt. Man kann sich mit Dingen arrangieren, vom Schulterzucken bis zum Mitgefühl. Dein Vater scheint nicht anders zu können, als so schwarz zu sehen. Wie schade ist das. Und wie wenig Lebensqualität muss er dann haben, wenn er alles schlecht findet. Welche Ängste muss er wohl aushalten, wenn er denkt, dass eh bald alles zu Ende ist? Es ist schade, dass er das auf dich münzt, wenn es um deine Zukunft geht, aber da kann man sich dann auch ruhig mal wehren.

Wenn dir dein Leben gefällt und du das magst, was du tust, dann ist das Wichtigste doch schon geschehen. Du kannst dich ansehen und sagen "JA, das ist gut!"...und da ist es doch egal, wenn dein Vater das anders sieht. Er sieht es ja nicht anders, weil DU schlecht bist, sondern weil er schlecht sieht. Also ist es alleine sein Problem und muss nicht deins sein.

Man kann die Menschen nicht ändern, nur sich selbst...in diesem Fall eben die Überprüfung deiner Einstellung zu der Sache. Ich will da deinen Vater auch nicht schützen, sondern dich. Wenn du es nicht schaffst, das an dir abprallen zu lassen, könnte es sein, dass ein Elternteil irgendwann für dich fremd ist, weil du nicht mehr nah bist. Das sind so meine Gedanken dazu.

Ich verstehe dich voll und ganz, dass das lästig und sehr belastend ist, was er da tut. Ich möchte auch nicht sagen, dass dein Vater eine Freifahrkarte bekommen sollte. Er soll schon auch lernen, dass er aufpassen muss, was er dir gegenüber sagt. Aber er wird sicher niemals zum positiven Sonnenstern. Daher ist es an dir zu überlegen, wie du damit umgehen wollen wirst in Zukunft. Ebenfalls schwarzmalen? Oder versuchen, einen Konsenz zu finden? Ihr habt euch doch lieb.

Das sind so meine Gedanken dazu...ich habe sicherlich auch nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen, daher können das auch nur Ansätze sein, die du selbst weiter spinnen musst. Was könntest du als deinen Weg sehen?

Ich wünsche dir alles Liebe und ich hoffe, du findest eine Möglichkeit, weiter mit deinem Vater in Verbindung zu bleiben und selbst nicht schwach zu werden. Du hast nur den einen Papa...

Dana