Problem von Anonym - 18 Jahre

Ich fühle mich einsam und verlassen

Hallo,

seit ca 1 1/2 Jahren bin ich bereits in der Ausbildung und stehe kurz vor meiner Zwischenprüfung. Ich versuche dafür zu lernen, weil ich richtig gut abschneiden möchte.

Doch das geht nicht, weil ich momentan von Sorgen und Problemen gequält werde.

Als ich in die Ausbildung gekommen bin, war noch alles gut. Ich hatte das Gefühl, mich mit allen zu verstehen und hatte auch "meine Clique", naja dachte ich zumindest.

Mit der Seite habe ich gemerkt, wie sich alle in meiner Klasse gefunden haben. Und wenn es mal wieder hieß, dass wir Team- oder Partnerarbeit machen, hatte ich kaum einen Partner. Ich musste immer fragen, ob ich bei einem anderen Paar mit machen darf. Von Mal zu Mal habe ich mich wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt. Und nicht nur das ... Jedes Mal haben ich gesehen, dass sie gehadert haben, ob ich mit Ihnen arbeiten darf oder nicht. Ich glaube Sie hätten mich am liebsten gar nicht dabei gehabt.

Ich fühle mich so einsam und allein. Alle haben jemanden, mit dem sie quatschen können, ich nicht. Ich versuche zwar immer, mich an Konversationen zu beteiligen, aber ich merke mittlerweile, dass ich unerwünscht bin. Und dieses Gefühl ist so schmerzhaft.

Montags hab ich immer Schule und die restlichen Tage bin ich im Betrieb. Und immer, wenn der Montag näher rückt, meist am Wochenende, dann hab ich Angst, wenn ich wieder in die Schule muss. Angst, wieder alleine und einsam zu sein. In letzter Zeit ist es sogar so schlimm, dass ich mich die Nächte davor in den Schlaf weine.

Ich kann das so nicht mehr. Doch egal was ich versuche, es bringt absolut nichts.
Und ich habe Angst, wenn ich was sage, dass ich dann trotzdem die Außenseiterin bleibe, mit der alle versuchen befreundet oder nett zu sein, nur damit es ihr besser geht.

Ich habe ähnliche Sachen schon in der Vergangenheit erlebt und habe bei jedem Schulwechsel gehofft, dass es dieses mal anders wird.

Ich bin schon kurz davor, die Ausbildung abzubrechen, nur damit ich nicht mehr dieses schmerzhafte Gefühl von Verlassenheit und Einsamkeit zu haben ...

Ich weiß nicht, was ich tun soll ... Mit jeden Tag belastet mich das mehr und mehr und ich kann und will nicht mehr so leben.

Bitte helft mir!

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

ich habe ein bisschen über deine Zuschrift nachdenken müssen, ehe mir klar wurde, welche Frage mich beschäftigt. Nämlich: Was ist der Grund? Warum wirst du geschnitten, warum lässt man dich spüren, dass du irgendwie geduldet bist, aber auch nicht so richtig erwünscht?

Diese Frage lässt sich kaum beantworten. Fest steht: Es liegt nicht an dir. Was mir an deine Text auffiel, ist, dass du nicht geschildert hast, dass irgendetwas vorgefallen wäre - oder Eigenschaften von dir aufgezählt, von denen du glaubst, sie würden den Anderen missfallen; nein. Erdrückend ist deine Hilflosigkeit, weil es eben nicht zu erklären ist. Schließlich hast du dich um Kontakt bemüht und bist mit den besten Absichten in die Berufsschule gestartet. Woran also liegt es? Die Gefahr ist groß, dass du jetzt mehr und mehr ins Grübeln gerätst, weil diese Erfahrung für dich nicht neu ist. Bereits jetzt kommt es über dich, du musst weinen, weil dich etwas belastet, für das keine Lösung in Sicht scheint.

Eines musst du dir noch einmal klarmachen: Du bist NICHT das Problem. Denn wenn du ein Verhalten hättest, das im Schulalltag nicht in Ordnung ist oder stört, dann würden es dir die Lehrer sagen. Da du aber in dieser Hinsicht nicht gehört hast, kannst du davon ausgehen, dass du vielleicht ein besonderer Charakter bist - aber noch lange niemand, der stört. Es ist denkbar, dass unter deinen Mitschülern einfach niemand ist, der sich spontan für dich als Persönlichkeit interessiert hat. Was nicht heißt, dass sie nicht interessant wäre! Es kann sein, dass mancher von ihnen gar nicht sieht, was sie dir damit antun. Manche Leute haben auch schlicht und einfach nicht die tiefsten Gedanken und bringen die Kraft nicht auf, sich mit jemandem auseinanderzusetzen, der ihren Intellekt durch eine außergewöhnliche Art und ein unkonventionelles Verhalten herausfordert. Das können kleine Dinge sein - wie vielen Menschen reicht es schon, jemandes Lieblingsserie nicht zu mögen, um ihn unsympathisch zu finden? Doch du bist du, und du hast dir nichts zuschulden kommen lassen. Wichtig ist - und das versuche ich dir zu sagen - dass du den Gedanken gar nicht erst weiter verfolgst, was DU falsch gemacht haben könntest. Nicht alles lässt sich erklären. Nicht für alles gibt es einen eindeutigen Grund, oder einen "Schuldigen". Du hast das Pech gehabt, ein ums andere Mal in ein Setting zu kommen, in dem es dir ergeht wie dem Storch im Hühnerhof oder dem Kätzchen unter lauter Hündchen: Irgendwie dabei, aber irgendwie nicht dazugehörig. Das ist schwer. Doch du kannst auch stolz auf dich sein: Du entwickelst großen Ehrgeiz und möchtest die Ausbildung mit gutem Zeugnis abschließen. Und nur darauf kommt es letztlich an.

Wie würde es dir ergehen, wenn du die Ausbildung abbrechen würdest? Zu deinem Frust über das "nicht-angenommen-werden" käme noch der Ärger hinzu, deine guten Leistungen nicht ausgebaut zu haben. Das kann die ganze Situation leicht noch weiter verschlimmern. Du bist auf die Menschen, die dich im Augenblick umgeben, nicht angewiesen; aber was du auf jeden Fall machen kannst, ist, dich mit Eifer dem Ausbildungsziel zu widmen. Was immer du entscheidest - wenn du so gut dabei bist, spring nicht ab, du schadest dir nur selbst dabei. Oder sollen deine Mitschüler etwas so Drastisches erreichen, wie dass du deinen Wunschberuf nicht ausüben kannst, wegen etwas, was ihnen selbst vielleicht kaum bewusst ist? Du hast schon so viel und so lange ausgehalten, obwohl die Situation dir schwer zu schaffen macht. Nun stehst du vor einem wichtigen Zwischenschritt - wäre es nicht falsch, ihn nicht zu gehen, obwohl du dich damit nur selbst strafen würdest? Dabei hast du doch nichts falsch gemacht. Du hast schon recht: Man kann die Menschen nicht mit Gewalt ändern. Andererseits: Vielleicht würde sich, wenn du das Ganze mal zur Sprache bringst, trotzdem der eine oder andere ganz gute Draht ergeben? Es muss ja nicht die tiefste Freundschaft sein. Es wäre auch schon etwas gewonnen, wenn nur die Gruppenarbeiten etwas entspannter würden, weil du dir Gehör verschafft hast. Und selbst, wenn es nur wäre, um mal zu kritisieren, was abgeht - auch das kann schon sehr befreiend sein. Einfach zu wissen, dem Rest die Meinung gesagt zu haben, sich nicht mehr zu ducken - auch wenn man sie nicht umdreht. Das muss jeder von sich aus tun. Aber besser man macht klar, was man denkt und fühlt (und zu Recht!), statt es stumm in sich hineinzufressen und dann, wenn man es nicht mehr aushält, unter der eigenen Leidensbereitschaft einzuknicken - ohne Schuld, ohne Grund. Nur, weil man nicht darauf bestanden hat, ein Mensch zu sein. Doch ich vertraue darauf, dass du es schaffen kannst, und die Zwischenprüfung mit guten Ergebnissen bestehen wirst, da bin ich mir sicher. Und danach wirst du klarer sehen.

Auch wenn es sich in diesem Moment wenig überzeugend anhören mag: Es gibt immer noch eine Zukunft. Und in dieser Zukunft wirst du sicherlich irgendwann - vielleicht schon sehr bald - einen Bekanntenkreis erschließen, der dich herzlich aufnimmt und dich zu würdigen weiß. Vielleicht wird das in einem Verein sein, dem du dich schon bald beizutreten entscheidest, an deinem zukünftigen Arbeitsplatz, oder es wird sich ganz unerwartet ergeben. Wichtig ist, deine Offenheit zu bewahren und das Pech, das dir widerfährt, nicht auf dich selbst zu beziehen. Vertraue darauf, dass du nichts falsch machst, sondern dass du das Unglück hattest, immer wieder in Umstände zu kommen, die irgendwie nicht ganz die passenden waren. Doch trotzdem bist du noch immer ein Mensch mit Herz und Gefühlen, mit Eigenschaften und Zügen, die die Freundlichkeit deiner Mitmenschen wecken können - wenn sie es nur zulassen. Dass deine Mitschüler es nicht wollen, lässt sich schwer ändern, aber sie sind auch noch immer nicht das Maß der Welt. Sei stolz auf dich, dass du es so weit geschafft, so viel für deine Zukunft gearbeitet und dich so bemüht hast - auch wenn dir nicht überall Erfolg beschieden war. Gehe deinen Weg unbeirrt weiter, und lass dir von niemandem Bange machen. Das ist deine Klasse nicht wert. Einsamkeit ist ein schlimmes Gefühl - aber man kann auch einsam sein unter lauter Menschen, die einen nur oberflächlich mögen. Selbst wenn du mehr Freundschaften unterhalten würdest, weißt du, ob es die wären, die du dir wirklich und wahrhaftig wünschst? Es ist nicht falsch, es zu versuchen. Aber es wäre auch leichtfertig, wenn es nicht klappt, deine Zukunft aufs Spiel zu setzen. Daher wünsche ich dir Kraft und Stolz, du selbst zu sein, viel Energie für die anstehenden Prüfungen, und vor allem - Optimismus. Du gehörst zu den Menschen, die leider lange Zeit von einem Platz zum nächsten kommen, an dem man sie in ihrem So-sein nicht würdigen kann oder will. Doch wenn du bedenkst, dass du damit nicht alleine bist - könnte es schon bald sein, dass du auf die richtigen Leute triffst. Und du willst dir doch nicht die Chancen dazu verstellen, oder? Kämpfe, und zieh dich nicht zurück. Arbeite für deine Ziele, und lass dir nicht einreden, noch rede dir selbst ein, dass du nicht in Ordnung wärst. Denn das ist nicht wahr. Und das, hoffe ich, wird dich durch die kommende Zeit begleiten.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul