Anwort von Christina B.

Liebe Vicki!
Zunächst möchte ich dir sagen, dass es mir leid tut, dass deine erste Anfrage nicht beantwortet worden ist und du dann so lange auf eine Antwort warten musstest – daher wollte ich dir unbedingt gleich heute schreiben. Ich finde es großartig, dass du dich an uns gewandt hast und dir Hilfe gesucht hast. Du hast trotz allem noch die Kraft aufgebracht, hierher zu schreiben und hast auch bisher jeden Tag deines Lebens bewältigt! Das ist großartig und darauf darfst du stolz sein.

Deine Situation ist ja wirklich nicht aus dem alltäglichen Leben, du hast ja anscheinend schon einiges mitmachen müssen. Ich habe mir deinen vorigen Text an uns auch nochmal durchgelesen – du hast erzählt, dein Vater sitzt im Rollstuhl und hat jetzt Krebs und er und auch deine Mutter hätten dich schon mal geschlagen. Grundsätzlich möchte ich dir sagen, dass Gewalt in Deutschland und Österreich verboten ist (ich weiß nicht, woher du jetzt schreibst) und es strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, wenn Kinder von ihren Eltern geschlagen werden. Es ist nicht in Ordnung! Dafür gibt es auch Hilfe. Hier habe ich dir ein paar Links rauskopiert:
Hilfe bei Gewalt in Deutschland: https://www.hilfetelefon.de/
https://www.familienberatung.gv.at/gewalt/gewalt-gegen-kinder/ Beratungsstellen in Österreich
Beratungsstellen in Bezug auf Suizidalität in Deutschland: https://www.suizidprophylaxe.de/

Die letztere Website würde ich dir dringend empfehlen, da du geschrieben hast, dass du schon darüber nachgedacht hast, dir das Leben zu nehmen und auch schon Schritte gesetzt hast, indem du dich vor einen Zug gelegt hast. Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schlimm für dich sein muss, wenn du Gewalt von deinen Eltern erfährst, dir aber gleichzeitig Sorgen um deinen Vater machst, weil du Angst hast, dass er sterben könnte. Das ist eine sehr zwiespältige Situation. Und innerlich musst du dich ja ganz zerrissen fühlen. Hinzu kommt deine Freundin aus dem Internet, die ja auch Selbstmord begangen hat – da denkst du dir natürlich erst mal, dass dies die beste Lösung wäre und gleichzeitig hast du auch noch die Trauer um ihren Verlust in dir. Du hast es auch wirklich nicht leicht, ich möchte den Schmerz nicht runterspielen. Aber es gibt noch andere Auswege als nur diesen einen. Als erstes wäre es gut und wichtig, dass du mit jemandem über deine Gedanken sprichst – auf jeden Fall mit jemandem an einer Beratungsstelle persönlich aber du kannst auch erst mal mit z.B.: einer Vertrauenslehrerin, den Großeltern (wenn du mit diesen ein gutes Verhältnis hast), evtl. Geschwister… sprechen? Denn du solltest mit diesen Gedanken nicht alleine bleiben, das macht es nur schlimmer. Wenn du wirklich niemanden hast, dann wende dich am besten an eine Beratungsstelle, diese Leute sind professionell ausgebildet und können dir helfen. Dort bekommst du Hilfe, was du tun kannst, damit dich deine Situation verbessert und da du ein so reflektiertes Mädchen bist und auch bisher so viel Mut und Stärke bewiesen hast, glaube ich, kannst du das auch dieses Mal schaffen! Abgesehen davon würde ich dir empfehlen, ein Tagebuch über das Ritzen zu führen – damit kannst du herausfinden, warum du das tust und was die Auslöser dafür sind. Ritzen ist für manche Leute eine Möglichkeit, sich zu spüren, andere sagen, sie finden es gut, weil „das böse“ aus ihnen rauskommt, aber es gibt viele verschiedene Gründe. Wichtig wäre, herauszufinden, was bei dir der Grund ist und welche Auslöser es dafür gibt. Schreib immer auf, was vorm Ritzen und nach dem Ritzen passiert – wie ist die Situation, was passiert, und schreibe dir auch auf, welche Gefühle in dir vor, während und nach dem Ritzen kommen. Es gibt auch viele Alternativmöglichkeiten, sogenannte Skills bei selbstverletzendem Verhalten, hier ein Link mit Ideen: https://www.wattpad.com/38961091-skills-gegen-svv-selbstverletzendem-verhalten
Du könntest z.B.: mit einem Gummiband auf dein Handgelenk schlagen oder aber einen Igelball stattdessen kneten, wenn dich das Gefühl wieder einmal überkommt.

Ich möchte dir noch einige Fragen für dich persönlich mitgeben. Hast du schon mal konkret darüber nachgedacht, wie du dich umbringen würdest? Was wäre dann, wenn du tot wärst? Was wäre besser, was wäre schlechter, was wäre vielleicht weg? Gäbe es etwas oder jemanden, was oder wen du vermissen würdest? Was erhoffst du dir vom Tod? Und im Gegenzug, was glaubst du, hat das Leben noch zu bieten? Was gäbe es für Lösungsmöglichkeiten im Leben? Denn glaube mir, es gibt sie und das sind sehr viele!! Es gibt so viele tolle Lebenserfahrungen, die in deinem Leben noch kommen werden. Und du bist erst dreizehn Jahre alt, du wirst es schaffen, deine Probleme zu bewältigen und es gibt Lösungen dafür! Das kannst du! Du hast es bis hierher geschafft, also kannst du jetzt noch mehr Mut aufbringen und es noch weiter schaffen! Ich glaube fest an dich, liebe Vicki!

Ich möchte nochmal auf deinen Freund zurückkommen: Ich weiß, es mag für dich eine schwierige und unangenehme Situation gewesen sein, aber er wollte nur das Beste für dich und es ist wirklich wichtig, dass du Hilfe bekommst. Wenn du dir Hilfe holst, kannst du dich auch wieder besser fühlen. Dieser Freund ist ein Geschenk des Himmels, ein Schutzengel, der dir jetzt zur Seite steht. Halte an diesem Freund fest. Er möchte dir nur helfen und es wäre gut und wichtig, in deinem Fall sich an Beratungsstellen zu wenden. Vielleicht kann er mit dir gemeinsam hingehen und dich begleiten! Dann muss nicht sofort das Jugendamt oder die Polizei eingeschaltet werden und du kannst einen Schritt nach dem anderen gehen und erst mal Hilfe für dich bekommen. Auf der Beratungsstelle gibt es dann genug ausgebildete Leute, die dir helfen können. Ich glaube, dein Freund kann dir da gut beistehen. Also bist du auch nicht ganz allein auf der Welt (: Es gibt Leute, die sich um dich Sorgen machen und sich um dich kümmern wollen. Verwehre es ihnen nicht, sondern nimm die Hilfe an. Du bist ein großartiger Mensch, so wie du bist, dessen bin ich mir sicher und deshalb wirst du das auch schaffen.

Du kannst dich gerne nochmal an mich wenden, wenn du möchtest. Verlinke dazu einfach diese Beratung und setze sie unter die Kategorie „Feedback“.
Ich wünsche dir alles Gute und hoffe sehr, dass es dir bald wieder bisschen besser geht (:
Viel Glück und alles Liebe,
Deine Christina B.