Problem von Luisa - 18 Jahre

Abneigung gegen die eigene Mutter

Darf man seine Mutter hassen? Die Person, die mich auf die Welt gebracht hat, die Person, die mir die ersten Worte und Schritte beibrachte, die Person die sich mein lebenslang fürsorglich und mit aller Hingabe um mich gekümmert hat?
Das Wort Hass klingt in diesem Bezug sehr hart, aber ich finde keine passende Bezeichnung dafür und der Begriff "nicht mögen" trifft die Bedeutung meines Empfindens ihr gegenüber nicht. Vielleicht ist es eher eine Abneigung.
Es begann mit 12 aber ich habe es all die Zeit als pupertäres Hormonschauspiel abgetan. Ich warte bis heute auf einen Moment in dem ich zur Besinnung komme. Ich schäme mich tagtäglich dafür und wage es kaum darüber nachzudenken. In mir treibt ein niederer Instinkt sein Unwesen, sodass ich keinerlei Sympathie für meine Mutter entwickel. Ich bin kein gefühlskalter Mensch. Im Gegenteil. Aber sie, die einzigen Person, der ich meine komplette Hingabe schuldig bin, ist mir keine Person, deren Präsenz ich gerne um mich habe. Ich bin ein gottgewandter Mensch aus freien Stücken und das erste Gebot sagt, man solle seine Eltern ehren. Ich würde so gerne aber alles, was dann aus mir heraussprudelt ist pure Verlogenheit. Sie wirft mir oft vor, dass ich sehr abweisend sei und sie hat recht. Jedes "ich liebe dich Mama" und jede Umarmung, jede liebevolle Gestik kam nie zum Vorschein, weil ich das Bedürfnis nach mütterlicher Liebe hatte. Es entstand, weil sie mich daran erinnerte, ich hätte sie doch schon seit Ewigkeiten nicht gedrückt. Wenn ich alleine im Urlaub bin, passiert es, dass ich 14 Tage lang nicht einen Gedanken an sie verschwende. Ich schäme mich sehr dafür.
Und ich verstehe es nicht. Zu keinem Zeitpunkt in meinem bisherigen Leben gab es jemals ein Ereignis, dass mir einen Grund dazu hätte verschaffen können.
Meine Eltern haben sich vor einigen Jahren getrennt, aber ich war überraschend glücklich darüber. Ich habe nie unter der Scheidung "gelitten", wie es mir doch sämtliche Verwandte und Bekannte versuchten weiß zu machen. Keiner war daran schuld, meine Eltern hätten sich einfach auseinander gelebt.
Ich habe folgende Theorien aufgestellt:
- ich verdränge irgendein traumatisches Ereignis, eventuell ist es sogar die Trennung, aber ich habe niemanden die Schuld dafür gegeben und genieße mehr Vorteile daraus
-ich stecke immernoch in der Meine-Eltern-nerven-Pupertätsphase
- ich sehe mich in ihr (ich komme definitiv nach meiner mütterlichen Seite) und habe unterbewusst eine Abneigung gegen all meine schlechten Eigenschaften. Ich habe Momente voller Selbsthass und empfinde mich teils als äußerst erbärmlich und will jemand anderes sein, aber welcher Jugendlicher tut das nicht?
- sie gibt mir die Liebe, die mir mein Vater nie gab. Ich und mein Vater erfüllen das Klischee vom reichen, materiellen, knallharten Geschäftsmann mit Tochter, die versucht ihre Pseudo-Nonkonfirmität mit einer Anti-Alles-Einstellung und einem künstlerischen Hauch auszudrücken. Ergo: ich versuche krampfhaft Daddys Anerkennung zu bekommen, welche in Form von Geld oder einem " Heute darfst du dich mit mir in der Öffentlichkeit zeigen" ausgedrückt wird. Ich denke ich kann für alle vom Vaterkomplex geplagten Söhne und Töchter sprechen, wenn ich sage: Man lernt es wertzuschätzen. Naja und die Liebe meiner Mutter ist dann im Vergleich dazu wie eine Du-hast-teilgenommen-Urkunde
-ich habe eine Abneigung gegen sie, sowie ich eine Abneigung gegen jeden habe der versucht mit mir auf einer Wellenlänge zu sein, ohne das er es ist. Es ist abstoßend und ich weiß, wie schrecklich ich selber darin bin
-ich bin wütend, da sie sich des Öfteren hinter ausreden versteckt hat hinter die ich erst mit dem Erwachsenwerden gestiegen bin
- ich bin ein arrogantes, verwöhntes ***

Ist es an irgendeiner Stelle gerechtfertigt, dass ich mich so verhalte? Ich gebe mir allergrößte Mühe ihr respektvoll gegenüber zu treten, aber dann bin ich teilweise so herablassend. Ich bin ein sehr überlegter Mensch, kann sehr gut Konflikte lösen, es passiert selten, dass ich Kritik äußere und andere sich danach angegriffen fühlen. Ich denke was ich sage und ich sage was ich denke. Aber bei meiner Mutter sehe ich rot. Wut und Hass macht dumm und ich merke wie mich jeder Kommunikationsversuch mit ihr in ein primitiven, asozialen Teenager verwandeln, welcher ich sonst nie war.
Sie gibt sich aller größte Mühe und ist wirklich die beste Mutter der Welt. Aber ich schaffe es einfach nicht eine emotionale Bindung zu ihr aufzubauen.
Die kleine Luisa war ja immer ein ganz braves Kind und hat nie geschrien. Wunderbar. Wunderbar. Aber mit dem Einzug in die Pubertät ist davon garnichts mehr übrig geblieben.
Bin ich ein schlechter Mensch oder ist ein solches Verhalten üblich für eine junge Erwachsene?

Auch wenn ihr alle Hände voll zu tun habt, liebes Kuka-Team, ich habe in den Foren keine Antwort auf mein Problem finden können und wäre über eine Antwort sehr dankbar.

Bernd Anwort von Bernd

Luisa?

"Der Hass ist die Liebe, die gescheitert ist."
schreibt Sören Kierkegaard

So wie Du davon berichtest, scheint es mir, noch um einen Knoten mehr verstrickt zu sein.
Du analysierst Deine Situation mit solch messerscharfem Verstand, dass ich das Blut fließen spüre.
Eine für mich ganz neue Erfahrung: Du ritzt Dich psychisch!
Was wirklich gescheitert scheint: Deine Liebe zu Dir selbst!

Es gibt da nichts, was mir als Rat für Dich einfallen könnte.
Lass mich einfach aus vollem Herzen für Dich bitten, dass Kierkegaard auch mit diesem Wort Recht behält:

"Das Gebet ändert nicht Gott, sondern den Betenden."

Alles Liebe
Bernd