Problem von M - 21 Jahre

Ins Haus einziehen

Hallo liebes Kummerkasten-Team,
ich weiß es ist albern und ich habe mich gesträubt euch zu schreiben. Aber ich weiß nicht mehr weiter und vielleicht haben Sie einen Tipp für mich. Ich mache mir sehr viel Gedanken und bin ein gefühlvoller Mensch. Ich habe seit April einen neuen Freund er ist 10 Jahre älter als ich und hatte vor mir eine 11 jährige Beziehung. Er hatte mit ihr eine Wohnung und danach ein komplettes Haus aufgebaut. Seit September wohne ich bei ihn in diesen Haus. Seitdem sind zwar schon ein paar Sachen rausgeflogen, die mir nicht gefallen haben. Jedoch war es mehr oder weniger ein Kampf mit ihn. In jeder Schublade oder jeden Schrank hab ich Angst als nächstes was von ihr zu finden. Es ist relativ leicht was zu finden da sie Griechin ist und griechisch ist dann für mich schlussfolgernd das es ihre Sachen waren. Kurz und knapp fühle ich mich überhaupt nicht in diesen Haus wohl egal wie ich dekorier. Die Möbel die Erinnerungen die Farben alles hat sie ausgewählt und alles bleibt. Es ist schon schwierig gegen eine 11jährige Beziehung anzukommen. Ich habe einfach angst das er nie für mich soviel fühlen kann wie für sie. Zu allen Unmut hatten sie einen Versuch gestartet schwanger zu werden. Es gab jedoch Komplikationen die die Schwangerschaft verhinderten. Gott sei Dank! (Ich weiß schon böse...) das Foto des Ultraschallbilds hat er neben mehreren Bildern von ihr und einen Brief von ihr in einer Schachtel die er mir verheimlicht. Aber Frauen sind halt neugierig deswegen weiß ich es natürlich.
Ich stecke in einen richtigen gefühlchaos... Und weiß nicht weiter er sagt das er mich liebt und ich liebe ihn ja auch. Wir sind jetzt fast ein Jahr zusammen.
Ich hoffe ich bekomme eine Antwort.

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

es ist gut, dass du dich überwunden hast! Ich finde es ganz und gar nicht albern, dass du diese Empfindungen hast. Ganz im Gegenteil befürchte ich, dass es nur viel schlimmer werden würde, wenn du nicht schnellstmöglich tätig wirst.
An sich verstehe ich dein Problem - es geht dir offenbar darum, dass du dich von der alten Beziehung "überlagert" fühlst und du dir der unbedingten Liebe deines Partners nicht gewiss bist.

Dass man am Anfang einer neuen Liebe noch recht unsicher ist und dass es auch einige Monate und mitunter Jahre dauern kann, bis sich das Vertrauen derart gefestigt hat, bis Verlustängste und Misstrauen in den Hintergrund getreten sind oder überhaupt kein Thema (mehr) sind, ist sicherlich normal. Es kommt natürlich auf die Vorerfahrungen an, denn diese prägen ganz entscheidend, wie jemand an neue Beziehungen herangeht.
Was ich aber bei dir herauslese, ist schon mehr als nur Unsicherheit. Daher geht meine Antwort klar in die Richtung, dass du bei der Lösung deines inneren Konfliktes, um dein Gefühlschaos aufzulösen, vor allem auf dich selbst blicken musst. Mir kommt es so vor, als ginge es nur scheinbar um deinen Freund. Das Grundproblem liegt vermutlich tief in dir selbst. Das soll nicht heißen, dass du eine globale Schuld trägst, unfähig bist oder ein schlechter Mensch bist. Doch hast du eine große Verantwortung für dein Handeln und für den Menschen, der dir seine Liebe zuteil werden lässt.

Ehrlich gesagt sehe ich einen eklatanten Widerspruch zwischen deiner Aussage, du seist ein gefühlvoller Mensch, der sich viele Gedanken macht und dem, was du an weiteren Gedanken geäußert hast. Du scheinst erleichtert zu sein, dass es mit der Schwangerschaft der Frau nicht geklappt hat. Einerseits ist das schon irgendwie nachvollziehbar, andererseits zeugt es für mich nicht gerade von Empathie, sondern eher von Missgunst und Schadenfreude. Sicherlich kann ich anerkennen, dass es für dich ein Grund zur Erleichterung ist, dass die beiden kein gemeinsames Kind haben, doch andererseits: Warum eigentlich? Er ist mit dir zusammen, daran würde auch ein Kind nichts ändern. Die Bindung an ein Kind besteht zwar, doch das beeinflusst eigentlich nicht, dass sich neue Beziehungen ergeben.
Wäre es deinem Freund nicht zu wünschen gewesen, dass es geklappt hätte? Mal ganz unabhängig von dir gesehen?
Dann schreibst du, dass du die Kiste mit Erinnerungsstücken gefunden hast. Sprich: Du hast ihn heimlich ausspioniert. Und das unter dem doch ziemlich dünnen Vorwand, der Neugier, was angeblich auf Frauen im Allgemeinen zutreffen soll. Nein, dafür habe ich kein Verständnis. Weder für deine "Neugier", die nichts anderes ist als einem niederen Impuls nachzugeben, noch für deine Generalisierung, dass Frauen ja neugierig seien (welcher Mensch ist nicht in einem bestimmten Ausmaß neugierig?).
Ich rate dir, deinem Freund zu beichten, dass du in seinen Sachen gestöbert hast, denn das gehört weder zum "guten Ton" einer gesunden Beziehung, noch löst es irgendwelche Probleme. Ganz im Gegenteil. Möchtest du denn, dass in deinen privaten Dingen herumgestöbert wird? Heimlich deine Sachen durchsucht werden? Bestimmt nicht. Warum tust du es? Ich schreibe das bewusst in der Gegenwartsform, weil ich mir gut vorstellen kann, dass du es immer wieder tun würdest. Bitte gehe dieser Frage nach. Es kann nicht angehen, dass du deinen Freund derart hintergehst. Das ist definitiv beziehungsgefährendes Verhalten und darf nicht mehr vorkommen! Bitte mache dir bewusst, dass dein Freund nichts aktiv getan hat, was in irgend einer Weise bedrohlich für eure gemeinsame Zukunft gesehen werden kann. Es gibt keine Entschuldigung dafür, die Privatsphäre des Partners so zu missachten! Im Übrigen ist es sein gutes Recht, eine Schachtel mit Erinnerungsstücken an seine frühere Beziehung aufzuheben. Es geht dich schlicht nichts an. Entweder teilt sich dein Freund von sich aus mit, öffnet sein Herz, lässt dich an seinen Empfindungen teilhaben - oder eben nicht. Das alles musst du akzeptieren und respektieren! Liebe und Partnerschaft heißt nicht, sich komplett freimachen und offenbaren zu müssen. Geheimnisse gehören zu jedem Menschen, egal wie eng er mit anderen Personen verbunden ist. Außerdem: Vielleicht hat er einen guten Grund, dir nichts von der Schachtel erzählt zu haben. Vielleicht spürt er, dass du in erster Linie mit Neid, Eifersucht und Angst auf seine frühere Freundin blickst, anstatt sie als gleichwertige Person anzuerkennen. Würde er hingegen spüren, dass du Verständnis hast für das, was seine Vergangenheit bildet und dich wertschätzend und mitfühlend für die damalige Situation rund um das verlorene Baby verhälst, würde das die Chancen auf mehr Teilhabe an seinem Innersten definitiv erhöhen (was aber keine Garantie dafür ist!).

Damit du in Zukunft anders mit deinen Impulsen umgehen kannst, kann ich dir mehrere Dinge empfehlen. Zum Einen finde ich es wichtig, dass du genau in dich hineinhorchst, was du genau befürchtest, wenn du "nicht kontrollierst". Wovor hat du Angst? Wahrscheinlich hast du Verlustangst. Doch diese kann konstruktiv von dir genutzt werden. Du liebst ihn und willst mit ihm zusammen bleiben. Also solltest du ganz viel positive Energie in diese Partnerschaft investieren, damit ein "positiver Rückfluss" entstehen kann. Zeige dich interessiert, offen, höre ihm zu, sei rücksichtsvoll und achte seine Grenzen. Genauso musst du deine Grenzen deutlich machen und ihn darauf hinweisen, wenn du dich missverstanden, unwohl etc, fühlst. Außerdem ist es essentiell, dass du ihm deine Zuneigung in vielen kleineren Gesten verdeutlichst. Sei für ihn da, ohne dich aufzuopfern. Sei kompromissbereit. Höre und schaue genau hin, damit du seine Bedürfnisse nicht übergehst. Aber frage auch konkret nach, wenn dir etwas unklar ist.
Deine Ängste und Sorgen kannst du ihm auch direkt mitteilen. Setzt euch einfach so oft wie möglich zusammen und REDET. Lasst euch ausreden, fragt nach, gebt euch Nachdenkzeit bei heiklen Fragen.
Sie aufzuschreiben, zum Beispiel in einem Tagebuch oder in Briefen kann auch sehr erleichternd sein und helfen, die eigenen Gedanken zu ordnen.
Ursachenforschung ist sicherlich auch sinnvoll, damit du besser nachvollziehen kannst, wie es dazu kommen konnte, dass du derart verunsichert bist. Das scheint einen tieferen Urspung zu haben.
Mache dir bitte bewusst, dass seine Ex-Freundin es verdient, geachtet zu werden, genauso wie die lange Partnerschaft, welche die beiden hatten. Dies steht aber für sich. Ihr seid aber nun ein Paar, das ist gut! Seine frühere Freundin ist nicht deine Feindin. Das ist wirklich wichtig, dass du dir das selbst verdeutlichst!

Was ich dir allgemein empfehlen kann - bitte ihn, dass ihr gemeinsam einen Weg findet, wie ihr euch in dem Haus wohlfühlen könnt. Es geht nicht nur darum, dass du alles nach deinem Belieben verändern kannst. Auch dein Freund hat ein Mitspracherecht und muss gleichberechtigt bei Gestaltung, Möbelauswahl etc. Gehör finden!

Ich wünsche dir und euch alles Gute.
Nuala