Problem von Anonym - 19 Jahre

Mutter fast erstickt - traumatisiert

Liebes kummerkasten team. Ich halte mich kurz und prägnant. Meine mutter ist gestern fast erstickt, es hat sich ein fürchterliches szenario abgespielt. Ich versuche die Bilder und die gedanken zu dem Zeitpunkt so gut es geht zu verdrängen. Vergebens, sie verfolgen mich. Ich war danach nervlich am Ende und bin es immer noch. Ich war unter schock, sie konnte es aus dem atemweg bekommen. Dennoch- was wär wenn sie erstickt wär.... was wär wenn ich vor Schock nicht erste hilfe geleistet hätte und nur panisch geschrien hätte, einen nervenzusammenbruch erlitten hätte, einfach unfähig die eigene mutter retten zu können....dass es meine schuld gewesen wär , ich sie IM STICH GELASSEN HÄTTE
Und was wär danach? Sie wär weg einfach weg
Diese gedanken plagen mich und ich kann nicht aufhören zu weinen
Bitte helft mir, ich will stärker durchs leben gehen, ich bin viel zu pessimistisch und sensibel
Ich danke Euch im voraus!

Frauke Anwort von Frauke

Hallo!
Ich habe nicht ganz verstanden, was passiert ist. Hast du ein wenig helfen können oder ist sie den Fremdkörper ganz allein losgeworden?

Ich verstehe die Situation so: Du bist in Schockstarre gefallen und konntest ihr nicht helfen und sie hat sich Gottseidank selbst helfen können. So war es, oder? Denn sonst würdest du dir wahrscheinlich nicht im Nachhinein so viele Sorgen machen.

Also, du persönlich kannst nicht darüber entscheiden, wie du in einer solchen Extremsituation reagierst. Auf Stress reagieren wir Tiere (ja genau, wir Menschen sind da eben auch nur Tiere) mit drei verschiedenen Strategien: Kampf, Flucht oder Totstellen. In einer solchen Stresssituation schaltet sich automatisch der älteste Teil des Gehirns ein und man reagiert mit einer dieser drei Strategien. Du kannst dich in einer solchen Situation nur sehr sehr schwer frei für eine dieser Strategien entscheiden.

Das Totstellen oder die Schockstarre oder auch Angststarre ist gar nicht so sinnlos wie sie erscheinen mag. Sie stammt aus alten Zeiten und war durchaus nützlich. Zum Beispiel hätte ein angfreifender Säbelzahntiger gedacht du bist tot und dich ignoriert und hätte lieber etwas Frisches gefressen.
Dieser Gedankengang ist natürlich nicht darauf übertragbar, dass man jemanden ersticken sieht und in dem Fall nutzlos.

Trotzdem kann die Angststarre auch hier nutzen: Man verfällt nämlich auch in Angststarre, weil man noch nicht so genau weiß, was man tun soll. Diese Starre verschafft einem Zeit, mehr Informationen zu sammeln, bevor man zu schnell handelt und womöglich etwas falsch macht. Außerdem bietet die Angststarre die Chance, das jemand anders einspringt, der genauer weiß, was zu tun ist.

Letzteres passt perfekt auf deine Situation. Ich nehme an, dass du keine Rettungssanitäterin bist - darum ist es nicht grundsätzlich falsch, die Situation erst einmal zu beobachten und zu sehen, ob sich das Problem vielleicht von alleine löst, jemand anders helfen kann oder dir wirklich nichts anderes übrig bleibt, als irgendetwas zu versuchen. Doch bis es so weit war, hatte deine Mutter den Fremdkörper ja schon allein entfernt, oder?


Ok, aber was machst du nun mit deinem Trauma? Wie kannst du es verarbeiten? Auf jeden Fall solltest du mit vielen Leuten darüber reden. Du wirst sehen, dass es vielen auch so geht, dass sie in ähnlichen Situation auch nicht gleich reagieren konnten.

Sag dir immer wieder, dass deine Mutter lebt. Sie lebt, sie hat es überstanden, sie ist sicher. Es ist vorbei!

Wenn dich wieder die Panik überkommt, bewege dich, mache einen Spaziergang, schwing dich aufs Rad, mach Sport. Das solltest du auch tun, wenn du vor lauter Grübeln nicht schlafen kannst.

Hier ist noch etwas, was du dir durchlesen kannst:

Mehr zum Thema: https://www.gesundheit.de/krankheiten/psyche-und-sucht/posttraumatische-belastungsstoerung/ptbs-posttraumatische-belastungsstoerung-was-man-selber-tun-kann

Alles Gute! Nicht vergessen: Deine Mutter lebt. Es geht ihr gut.
LG
Frauke