Problem von Anonym - 22 Jahre

An Christina B. Thema : Meine Schwester treibt mich in den Selbstmord

Liebe Christina B.
Ich habe mich sehr über deine Antwort bezüglich meines Problems gefreut und möchte nun versuchen deine Fragen zu beantworten.
Wenn meine Schwester einen Wutausbruch hat, nützt es nichts im geringsten mit ihr zu diskutieren. Meistens lassen wir es stumm über uns ergehen und hoffen, dass es schnell endet. Denn sonst müssen wir uns wüste Beschimpfungen und verletzende Worte anhören. Ich zB werde immer mit meinem Vater verglichen und sie sagt dann sowas wie " Du bist genauso ein schlechter Mensch wie er" oder andere Dinge, von denen sie GANZ GENAU weis, wie sehr sie mich verletzen. Ich willnicht mit meinem Vater in einen Topf geworfen werden! In unserer Vergangenheit hatten wir viele Probleme in der Familie, unsere Mutter hatte sogar einen Entzug wegen bestimmter Medikamente, die der Arzt wissentlich zu hoch dosierte, damit er sie mit Sex erpressen kann. Die ganze Sache kam auch vor Gericht. Sie war dementsprechend oft krank und lag oft im Krankenhaus. In der Zeit kümmerte sich unsere Grosmutter um uns. Diese war aber eine sehr gewalttätige Frau. Sie hat sowohl mich meine Mutter als auch meine Schwester als Kind misshandelt. Sie ist heute nicht mehr am Leben. Sie hat mich ganz beaonders gehasst, weil sie meinen Vater nie leiden konnte. Das war vor dem Vorfall. Ich wurde geschlagen, verbrannt und mein Kopf wurde in der Badewanne unter heises Wasser gedrückt, um mein Gesicht zu "waschen", wie sie es nannte. Es gab noch vieles mehr, aber das würde den Rahmen sprengen. Heute kann ich über einige Sachen sogar lachen. Meine Schwester wurde zwar auch mal gehauen, hatte aber keine Ahnung, was ich durchmachen musste und laut ihrer Aussage, ist es ihr auch egal. Die Mutterrolle hat sie eigentlich nie übernommen. Klar, ist sie auch schonmal einkaufen gegangen oder hat geputzt, aber ICH musste mich stehts um alles kümmern. Ich habe mit 6 Jahren schon gekocht, Wäsche gemacht und mich um meine Hausaufgaben gekümmert und eben auch um meine Schwester. Manchmal war es schwer, aber wir aind eine Familie und da habe ich es gerne getan. Ich habe mir schon sehr früh das Lesen selber beigebracht, wenn ich bei Oma eingesperrt war, hatte ich immer viel Zeit. Im Kindergarten habe ich mich auch um die Kinder dort gekümmert. Ich kannte ja schon von Zuhause aus, wie man Obst schneidet und habe den Kindern auch was vorgelesen. Eine Erzieherin hat meine Art wohl nicht gefallen und so wurde ich von ihr gemobbt. Sie machte mich vor allen als "dumme Zicke" runter und " ich wäre ja so blöd, dass ich bald in ein Heim komme" oder man drohte mir, dass ich Erbrochenes essen sollte. Dies änderte sich erst,als eine weitere Erzieherin kam und ihre Abscheulichkeiten meldete. Sie wurde gefeuert. Erst da hatte ich Spass im Kindergarten. Eine Therapie habe ich nie wegen des Missbrauchs gemacht. Hielt wohl irgendwie keiner für nötig. Ich habe mich lange geweigert mich beim duschen komplett auszuziehen und habe auch Jahre lang ins Bett gemacht. Irgendwann hörte auch das auf, etwa im Alter von 12.
Wütend darüber bin ich eigentlich nicht, auch wenn es sich komisch anhört. Natürlich wünschte ich, dass es nicht passiert wäre, aber vergangenes kann man nicht ändern, man kann nur damit leben. Trotzdem hat es in mir etwas kaputt gemacht, was sich schwer beschreiben lässt. Ich vertraue grundsätzlich niemandem, habe aber schon Sex und Beziehungen gehabt, die normal verliefen. Mit Sexualität habe ich kein Problem im Gegenteil, ich bin da relativ locker und kann sowohl scherzhaft als auch ernsthaft ohne Scham über das Thema sprechen. Meine Schwester wurde laut ihrer Aussage nicht missbraucht und er wohnte auch nie bei uns. Wütend ist nur meine Mutter, über ihn aber vermutlich mehr über sich selber, dass sie sich auf so einen Mann eingelassen hat. Sie selbst lässt mich das aber nie spüren. Sie liebt uns beide abgöttisch und tut wahrscheinlich mehr, als jede andere Mutter für ihre Kinder tuen würde. Mit ihr verstehe ich mich richtig gut. Meiner Schwester tut es vermutlich auch leid, aber sie benutzt es halt auch gerne um mich zu verletzen, wenn sie ihren Willen nicht bekommt. Ich habe es aufgegeben, ihr zu sagen, dass sie solche Bemerkungen unterlassen soll, weil es ihr einfach gerade in ihren wütenden Momenten in den Kram passt, mit voller Ladung mitten ins Herz zu schiesen. Sie hat Abitur mit einem mittleren Durschnitt und eine Sozialhelferausbildung, die sie damals an einem Berufskolleg erworben hat. Dann hat sie knapp ein Jahr in einem lokalen Seniorenheim ein FSJ gemacht, aber seitdem ist tote Hose. Das ist jetzt fast 9 Jahre her. Sie ändert auch an dieser Situation nichts, nichtmal einen Minijob will sie haben. Es gefällt ihr zu gut bis mittags zu schlafen und dann mit dem Duft des Mittagessens wach zu werden. Ihre einzige Leidenschaft sind Kakteen. Dafür tut sie alles und kauft nur die teuersten Pflegeartikel ( Erde, Dünger etc) aber von UNSEREM Geld. Mama kann garnicht gegen sie ankommen und ich habe es auch aufgegeben. Sie ist zu keinem Gespräch bereit und sieht in ihrem Verhalten auch keinen Fehler. Wir hatten damals in der Runde beschlossen, dass wir uns eine Art von Bollerwagen anschaffen wollen, damit wir auch schwere Dinge, wie zB Getränke im Pack einkaufen können und nicht immer nur einzelne Flaschen. Wir haben kein Auto und das schleppen ist selbstverständlich anstrengend. Meine Schwester wetterte sofort dagegen, es wäre ihr zu peinlich mit einem Einkaufswagen los zuziehen, aber sie muss es ja auch sonst nicht tragen, sondern meine Mutter oder ich. Beim Einkaufen nimmt sie nur die leichtesten Teile. Ich machte dann den Vorschlag, dass sie ihren Kram selber schleppen kann,wenn es ihr zu peinlich ist und nur Mutter und ich mit dem Wagen losziehen. Da war wieder großes Getobe, ich wäre angeblich unsozial und sollte den Mund halten. Mama hält sich daraus und gesteht erst wenn sie weg ist, dass sie auch meiner Meinung ist. Ich wünsche mir mehr Rückgrat von ihr und dass sie endlich mal auf den Tisch klopft. Andererseits, ist sie auch am Ende ihrer Kräfte. Freunde habe ich leider keine mit denen ich sprechen kann. Schon in der Grundschule wurde ich stark gemobbt, weil ich eben irgendwie anders bin. Ich lachte nicht über Lieder wie "Plitsch Platsch Regentropfen" oder erfreute mich an den kindlichen normalen Dingen. Ich las lieber und zeichnete Bilder. Im Kunstunterricht war ich immer gut. Selbst die Lehrerin war von meinen Zeichnungen begeistert, aber auch nur da. Sonst behandelte sie mich auch wie ein komisches Kind, dessen Seltsamkeit man mit einem Sportverein lösen könnte. Ja, der Sportverein war die Lösung für alles bei ihr. Ich wurde von den anderen bespuckt, tja da hilft der Sportverein. Ich werde als hässliche Fo...e betitelt, auch da ist der Sportverein die einzige Lösung. Die Kinder mieden mich, wenn sie mich nicht gerade ärgerten. Der ganze Schulhof kannte das einsame und hässliche Mädchen, welches jede Pause ganz allein mit einem Buch unter dem Baum sas. Hässlich, das war das Wort, welches am häufigsten gefallen ist. Selbst Fremde Kinder kamen vorbei, um mir ihre wichtige Meinung über mein angeblich schreckliches Aussehen mitzuteilen. Ich wurde gut erzogen und ich würde nie jemandem nach seinem Aussehen, Religion oder was weis ich, beurteilen. Ich konnte damals nie verstehen, wieso selbst Kinder schon so grausam sind. Das ganze setzte sich natürlich bis in die weiterführende Schule fort. Ich hatte dort aber eine " Freubdin gefunden. Ich setzte es in Anzeichen, weil es eigentlich nie mehr war, als dass wir lieber zusammen sind als alleine. Wir haben uns gut verstanden, aber mehr auch nicht. So richtige Freunde, mit denen man kichert und Blödsinn macht hatte ich bis jetzt nicht. Das wird wohl auch an meiner Art liegen. Ich bin eigentlich ein fröhlicher Mensch und lache gerne, aber ich konnte mit belanglosem Gerede über Make up, Jungs etc nichts anfangen. Für mich gibt es wichtigere Sachen, aber die langweilen dann die anderen. Ich habe auch Schwierigkeiten eine Ausbildung/ Job zu finden. Ich hatte mal eine aber dort wurde ich mehr als Knecht und Sklave gehalten, bis ich zusammen gebrochen bin. Selbst mein Mitazubi musste in eine Psychotherapie, wegen den Methoden des Arbeitgebers. Das Geld musste ich alles Zuhause abgeben, ungefähr 535 euro im Monat. Ab und zu durfte ich mir etwas davon für mich selber kaufen. Wir brauchten das Geld und Mutter tat es auch leid. Ich konnte mir mit dem kargen Rest etwas zusammensparen, nicht viel , aber ich wollte es für meinen Auszug haben. Nachdem ich gekündigt worden bin, musste ich auch dieses Geld komplett abgeben. Meine Schwester hat sich in der Zeit von meinem Geld schön den Bauch vollgeschlagen und andere Dinge angeschafft. Das ist jetzt 2 Jahre her und niemand wollte mich bisher. Ich habe mich schon überall beworben und bis auf ein paar Bereiche, wie z.B In der Metall oder Holzindustrie wäre es mir auch egal welcher Job. Ich tue was ich bekomme. Mehr bleibt mir nicht übrig. Wenn mir mal was schönes passiert, fantasiere ich viel über diesen Moment, um ihn auszukosten. Das ist mir etwas peinlich. Wenn ich einem Senior eine runtergefallene Münze aufhebe und der sich bedankt, dann geht mir das Herz auf. Ein ehrliches Danke, mehr will ich manchmal garnicht. Ich nehme das Leben wie in einem Film war, ich schaue zu und kann leider nicht umschalten. Wenn dann aber sowas passiert, bin ich teil des Lebens. Ich kann nützlich sein, das ist mir immer sehr wichtig. Ich muss für andere einen Nutzen haben.
Das war jetzt wieder ein langer Text und ziemlich viel über mich statt über meine Schwester, aber vielleicht hilft es ja die ganze Sache besser zu verstehen. Denn auch ich mache Fehler, die mir garnicht so bewusst sind. Andere haben dafür einen besseren Blick als man selbst. Ich hoffe, dass ich deine Fragen beantworten konnte und freue mich über eine Rückmeldung. Danke für deine Zeit.
Liebe Grüße

Christina B. Anwort von Christina B.

Liebe Anonyme!
Jetzt komme ich endlich dazu, dein Problem zu beantworten.
Dass du dich nicht mit deinem Vater vergleichen lassen möchtest, verstehe ich sehr gut. Da ist es wahrscheinlich leichter, den Ausbruch einfach zu ertragen anstatt die vielen Verletzungen ins Gesicht geworfen zu bekommen. Da du aber so viel darüber berichtest, dass du misshandelt worden bist von deiner Großmutter und auch deine Mutter eine schlimme Vergangenheit hat (sexueller Missbrauch durch den Arzt), kann ich mir denken, dass das alles schwer auf deiner Seele lasten muss. Deine Vergangenheit ist sehr vielfältig durch verschiedene traumatische Ereignisse geprägt worden, da war das mit deiner Großmutter und wie furchbar sie dich behandelt hat, dann die Kindergartenpädagogin, die dich auch nur gequält hat, die Mobbing Geschichten in der Schule, dadurch die fehlenden Freunde und natürlich die Schwester, die dir jeden Cent aus der Tasche gezogen hat... Das ist wahnsinnig viel für so ein junges Leben und ich war sehr schockiert und betroffen davon und möchte dir sagen, dass es mir unendlich leid tut, dass dir so etwas widerfahren musste.

Was deine Situation mit dir selbst betrifft, möchte ich dir sagen, dass ich finde, dass du dich trotz all dieser Vorkommnisse großartig entwickelt hast! Du hast wirklich Rückgrat bewiesen, Mut bewiesen, hast alles trotzdem gemeistert und stehst noch jeden Tag auf und lebst weiter. Das ist wirklich bewundernswert nach all dem was dir zugestoßen ist. Denn die wenigsten würden dann noch die Kraft haben, einfach immer weiter aufzustehen und zu versuchen, etwas zu verändern oder die kleinen Dinge im Leben genießen, aber du freust dich darüber, wenn dir jemand Danke sagt, wie bei der Geschichte mit dem Senior, dem du die Münze aufgehoben hast. Du suchst dir Glücksmomente und findest sie auch und nach all dem was dir passiert ist, kann ich nur sagen: Hut ab!! Und weiter so.

Dennoch glaube ich, dass es wichtig wäre, dass du dir all diese Sachen in einer Therapie ansiehst. Ich finde, du bist ein sehr reflektierter junger Mensch, du sagtest selbst, dass du mit Oberflächlichkeiten nichts anfangen kannst, du siehst sehr über den Tellerrand hinaus. Aber du schreibst auch, dass du für andere einen Nutzen haben musst - und ich ergänze jetzt mal - vielleicht weil es dir sonst nicht gut geht? Vielleicht weil du dich sonst unvollständig fühlst? Damit hat es was auf sich und ich finde, dass du dir all diese Dinge bei einer Therapeutin oder Beraterin genauer ansehen solltest. Du hast ja auch viele traumatische Ereignisse hinter dir, die bestimmt auch verdient hätten, dass man sie ansieht um dann besser damit umgehen und abschließen zu können. Ich könnte mir vorstellen, dass du auch für deine Schwester eventuell Lösungen finden könntest. Ich sitze leider am anderen Ende des PCs und kann somit nur wenig auf das eingehen bzw. nicht sofort Lösungen aus dem Hut zaubern, weil wir uns nicht gegenübersitzen und meine Lösung nicht zwingend deine Lösung ist.

Was deine Schwester betrifft, würde ich dir raten, dich gemeinsam mit deiner Mutter zusammen zu setzen (du hast ja auch geschrieben dass ihr euch gut versteht) und mit ihr das alles zu besprechen - wie es mit der Schwester weitergehen soll und welche Schritte getan werden können. Eine Möglichkeit wäre wirklich, so ein Frauenhaus aufzusuchen bzw die Schwester evtl. in ein solches Establishment zu geben - oder aber vielleicht auch eine Wohnung für die Schwester finden - mit einem Job dazu, den ihr ihr irgendwie verschaffen könnt, dann könntet ihr auch sagen, dass sie nun selbst für alles verantwortlich ist und es ihre eigene Schuld ist, wenn sie nicht zur Arbeit erscheint und dann die Wohnung verliert. Es ist eine sehr schwierige und komplizierte Situation, aber ich glaube, dass du und ihr das schaffen könnt, nur denke ich, dass es nötig ist, sich bei einer Beratungsstelle Hilfe zu holen. Du kannst ja auch gemeinsam mit deiner Mutter wo hingehen und das Problem mit Fachkräften besprechen.

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen.
Alles Liebe und Gute wünsche ich dir für deine Zukunft.
Wenn du noch etwas brauchst oder Fragen hast, kannst du dich gerne erneut bei mir melden (:
Herzliche Grüße,
Christina B.