Problem von Anonym - 16 Jahre

Ich habe alle Freunde verloren

Hallo,
ich melde mich hier, da ich nicht weiß an wen ich mich sonst melden soll. Ich besuche derzeit die 10. Klasse eines Gymnasiums.
Zuerst einmal etwas zu mir,
um mich besser einordnen zu können. Ich bin 16 (fast 17) und bin ein recht offener Mensch. Ich kann mich eigentlich mich jedem über etwas unterhalten. Ich gehe auch gerne in eine Disko feiern und würde mich auch gerne so mit Freunden treffen. Ich lerne gerne meine Grenzen kennen, allerdings ohne es dabei zu übertreiben. Ich mache Sport in einem Fitnessstudio, ich welches ich allerdings zu wenig gehe. Ich rauche nicht und trinke keinen Alkohol, weil es für mich keinen Sinn macht, seinem Körper zu schaden. Ich mache außerdem gerade meinen Führerschein.
Man sollte also meinen ich habe ein abwechslungsreiches Leben.
Dem ist aber nicht so. In der Schule gibt es immer verschiedene Freundesgruppen. Ich stelle immer zu irgendeiner dazu damit ich nicht alleine bin. Aber ich bin immer bei einer anderen Gruppe, weil keine wirklich zu mir passt. Es gibt die Gruppen die sich zum Komasaufen verabreden und die die nur zuhause sitzen und nichts machen wollen, außer vor dem PC zu sitzen.
Früher hatte ich eine tolle Gruppe von Freunden. Diese hat sich aber plötzlich aufgelöst. Ich weiß auch nicht wieso, aber wir sie haben sich zu den anderen Gruppen eingereiht. Ich wollte mich aber nie etwas machen was mir nicht gefällt und habe deshalb immer versucht unsere Gruppe zwanghaft zusammenzuhalten. Ich habe jedoch realisiert, dass es nicht geht. Sie lesen zwar meine Nachrrichten bei Whats app, aber antworten nie. Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass sie jetzt andere Freunde haben oder mich einfach nicht mehr mögen. Ich finde es traurig, denn ich hatte überlegt, eine kleine Grillparty mit meinen Freunden zu veranstalten. (Werde Donnerstag 17) Ich war froh, da alle zugesagt hatten und habe schon alles eingekauft. Mittlerweile haben aber alle wieder abgesagt." Es kam etwas dazwischen." Ich bin natürlich traurig und wütend, aber ich habe jetzt realisert das ich keine Freunde habe. Ich gehöre jetzt zu diesem Außenseiter in der Schule mit dem niemand was zu tun haben will. Ich finde es einfach schade, dass niemand sich überwinden kann wenigstens zu meinem Geburtstag etwas mit mir zu machen.
Ich rette mich immer mit dem Gedanken, dass ich bald mein Abitur habe und im Studium bestimmt neue Freunde finden werde.
Aber genauso macht es mir Angst, denn ich will nicht dieser Typ sein der immer alleine sein wird und mit 30 noch nicht mal eine Freundin hatte.

Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich habe alle meine Freunde verloren. Zwischenzeitlich, an echt schlechten Tagen, hatte ich auch mal Suizidgedanken. Diese habe ich jedoch sofort wieder verworfen, da es keinen Sinn macht.

Ich überlege auch zur Bundeswehr zu gehen. Ich finde Krieg zwar unnötig, aber vielleicht finde ich da das was ich suche. Letztendlich würde mich hier eh niemand vermissen, falls ich woanders hingehe.

Für etwagige Fehler entschuldige ich mich und bedanke mich bereits dafür, dass Sie mein Problem gelesen haben

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Zunächst möchte ich dir nachträglich alle Liebe zu deinem 17. Geburtstag wünschen. Ich hoffe sehr, dass du diesen besonderen Tag in irgendeiner Form genießen konntest - und sei es nur für einen kleinen Moment. Auch wenn die wichtigste Größe für dich gefehlt hat: Freunde und Freundinnen.
Nur eine kleine Bemerkung am Anfang, bevor ich auf die verlorenen Freunde eingehe: Was ist mit deiner Familie? Möglicherweise übersiehst du, dass du auch freundschaftsartige Beziehungen in deiner Verwandtschaft hast, sei es zu deinem Cousin, deiner Schwester, einem Onkel... manchmal ist das sehr banal, aber in Zeiten der Verzweiflung und Unsicherheit ist es gut, sich alle Ressourcen vor Augen zu führen, die schon da sind und einen stärken.

Du liest dich für mich nach einem sehr aufrechten und reflektierten Menschen, der sehr konstruktiv durchs Leben geht. Du klingst vernünftig: Schreibst, dass du im Konsum von Alkohol und Nikotin keinen Sinn siehst, deine körperliche und seelische Gesundheit scheint dir sehr am Herzen zu liegen. Das finde ich äußerst unterstützenswert. Denn nichts ist schlimmer in diesem Zusammenhang, als sich aus Gruppenzwang in eine lästige und unnötige Gewohnheit oder gar Abhängigkeit zu begeben, und sei es "nur" Kaffee. Echte Freundschaften definieren sich eben nicht über das gemeinsame Rauchen oder Trinken und das hast du ja selbst treffend beschrieben.
Zumal alle Drogen, egal wie gesellschaftlich akzeptiert sie auch sein mögen (hier vor allem Alkohol...) sich nicht nur auf den Körper und dessen Funktionstüchtigkeit negativ auswirken, sondern auch der Psyche schaden können. Zigaretten mit deren Giften beeinflussen nicht nur unsere "äußere Hülle" und unsere Organe in schädlicher Art und Weise, sondern verschlechtern auch unsere seelisches Wohlbefinden. Das ist ein Umstand, der selten beleuchtet wird. Ich schreibe das ergänzend, weil ich deine abwehrende Haltung mit weiteren Argumenten untermauern möchte. Dabei will ich einschränken, maßvollen Konsum jedoch nicht völlig verteufeln - sofern er in einem gut eingebettete sozialen Umfeld stattfindet, z.B. abends mal Wein mit einer guten Freundin trinken ohne sich völlig "abzuschießen" - kein Problem. Denn dann steht die Beziehung zueinander im Zentrum und nicht die Droge. Doch wenn du gar kein Bedürfnis in der Richtung hast, ist das wunderbar, weil du dazu stehst und entsprechende Vorteile für dich gewinnst.

Du spürst, dass die Menschen in deiner Klasse, in der Schule aktuell nicht zu dir passen. Ich verstehe völlig, dass dich diese Erkenntnis traurig macht, denn damit sind das Gefühl des Alleinsein und der Sinnlosigkeit verbunden. Aber ich möchte dir eine andere Perspektive aufzeigen: In dir steckt so viel, so viel Positives, was sich entfalten will, was nicht durch zerstörerische und nutzlose Beschäftigungen wie Dauer-PC-Spielen und Komasaufen brachliegen soll.

Du trauerst wahrscheinlich noch sehr und denkst an die früheren Zeiten. Das ist nur allzu verständlich. Doch diese Veränderungen im sozialen Gefüge treten immer wieder auf in verschiedenen Lebensphasen. Manchmal ist es offensichtlich, warum Cliquen auseinanderbrechen, aber häufig verläuft der Prozess schleichend und unterschwellig. Von heute auf Morgen geschieht es allerdings eher nicht.
Im positiven Sinne ist es jedoch auch so, dass sich eventuell alte bewährte Kontakte wieder beleben lassen. Überlege doch mal, wer dir wirklich wichtig war und ist und bei wem es sich lohnen könnte, einen erneuten Annährerungsversuch zu machen. Dann am besten, indem ihr etwas zu Zweit oder zu Dritt unternehmt. Manchmal laufen Leute in der Gruppe mit und sind damit genauso unglücklich wie z.B. du es bist - und wären dankbar, da ein Stück weit "herausgelöst" zu werden! Ich denke, du würdest dabei schnell merken, ob das Ganze Sinn und Potenzial hat und sich daraus tatsächlich tragfähige Einzelfreundschaften ergeben würden. Allzu viel Energie würde ich darauf allerdings nicht verwenden, außer es zeichnet sich ab, dass es sich lohnen würde.

Vielleicht kannst du diese Situation als eine Art Aufbruch begreifen, als eine Zeit des Wandels, in der du deine sozialen Kontakte neu ordnen und aktiv anbahnen kannst.
Du wirst fast immer Menschen finden, welche so eingestellt sind wie du - nur sind sie nicht so präsent wie die große Masse. Je mehr man vom Mainstream abweicht, desto aktiver muss man sich darum kümmern, "Seinesgleichen" zu finden, wenn man sich nicht an etwas anpassen möchte, das einen nur unglücklich machen würde. Daher ist es notwendig, dass du selbst auf die Suche gehst und eine Portion Geduld mitbringst.

Ich denke, du würdest außerhalb deiner Schule bzw. außerhalb deiner regulären Kreise fündig werden, wenn du gezielt deinen Neigungen nachgingest. Und vielleicht gibt es an deiner Schule sogar noch Möglichkeiten, mit anderen bzw, älteren/reiferen Schüler:innen in Kontakt zu kommen. Viele Schulen bieten ja AGs und Neigungsgruppen an, z.B. durch einen Schulsport, Theater-AG, Computerkurse, Schulgarten,...
Dann gibt es unzählige Vereine, welche die verschiedensten Menschen zusammenbringen. Je nach Hobby und Interesse kannst du bestimmt vieles in deinem Ort finden. Manchmal muss man dann zwar etwas Fahrzeit in Kauf nehmen, weil der Chor oder der Sportverein nicht gleich um die Ecke liegen, aber das kann sich lohnen!
Als Stichwort sei der Sport genannt, allein in dieser Sparte gibt es unzählige Möglichkeiten. Nur ist es mitunter so, dass es sich eben vor allem um diesen eingekreisten Bereich dreht und "zu wenig" sein kann, abhängig vom individuellem Anspruch.
Je nachdem, auf was du deinen Fokus legen würdest, kannst du dir spezielle Gruppen suchen. Bist du z.B. gerne draußen unterwegs, verreist gerne, bist in einem großen gemeinschaftlichen Verband, wären die Pfadfinder des BdP etwas für dich: http://www.pfadfinden.de/ Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich dort viele Menschen tummeln, die ähnliche Haltungen haben wird du und dabei trotzdem sehr unterschiedlich und "verrückt" sein können, im positiven Sinne. Es gibt einem das Gefühl, in einer Gemeinschaft eingebettet zu sein und gemeinsame Ziele zu verwirklichen. Das ist toll und sehr schöpferisch. Ich schreibe dir das, weil ich genau so etwas aus deinen Beschreibungen entnehme. Natürlich gibt es noch viele andere Jugendgruppen, die mehrere Freizeitbereiche wie Bewegung, Natur, Spiele, Reisen, Spiritualität, etc. vereinen und dadurch sehr attraktiv sind.

Nimm dir die Zeit, neue Kontakte zu knüpfen und gib nicht gleich auf, weil du denkst, dass du "schon wieder" abgewiesen wirst. Bitte mache dir bewusst: Es liegt nicht daran, dass du unzulänglich, uninteressant oder blöd bist. Es passt nur gerade nicht. Wer weiß, wer im kommenden Schuljahr neu in deine Klasse kommt, wenn du zufällig abends an der Bushaltestelle triffst oder bei dir im Haus einzieht... manchmal geht alles schnell und unerwartet. Und ich bin mir sicher, dass du hierfür nicht erst auf dein Studium warten und hoffen brauchst!
Freundschaften wachsen sachte und eher langsam, können aber durch viele Übereinstimmungen genährt werden. Was immer gut ist: Zusammen etwas erleben, Nähe, etwas von sich preis geben (nicht zu intim, aber etwas intimer, als das übliche oberflächliche Geplänkel...) und nicht-alltägliche Erfahrungen. Das sind sozusagen die "Brandbeschleuniger" :)
Überhaupt das Gefühl, mit ähnlich denkenden Menschen zusammen zu sein, trägt schon zur Lebensqualität bei. Und die Chancen steigen, dass du im Laufe der Zeit unter diesen Gleichgesinnten echte Freundinnen und Freunde finden wirst. Deine Offenheit und Flexibilität werden wir dabei noch sehr nützlich sein. Du darfst nur nicht glauben, dass alles von allein gehen wird. Selbst aktiv zu werden, ist wirklich hilfreich (solange du nicht übereifrig bist und Leute dadurch eher vergraulst, aber davon gehe ich jetzt mal nicht aus...;)).

Übrigens gilt alles, was ich über Sozialkontakte und Freundschaften geschrieben habe, auch für Liebesbeziehungen. Man kann es eben nicht erzwingen, aber man kann sich durchaus in eine Position begeben, in der es wahrscheinlicher ist, jemanden zu treffen, der/die super zu einem passt. Eine gewisse Lockerheit ist da deswegen wichtig, weil Menschen, die sich verkrampft verhalten und dies vielleicht auch sind, eher abschreckend wirken. Wenn du jedoch in dir selbst ruhst und dir selbst der beste Freund bist, werden das alle Anderen allmählich spüren und sich von dir angezogen fühlen. Selbstliebe ist immens wichtig! Also: Setze bei dir an, verwirkliche deine Pläne und teile deine Interessen mit anderen Leuten, das Meiste kommt dann nach und nach.

Ich wünsche dir viel Freude bei der Erkundung deiner innersten Wünsche und Bedürfnisse - an bei allem, was sich daraus ergeben wird!

Nuala