Problem von Mia - 14 Jahre

Was habe ich falsch gemacht?

Es fing alles im Kindergarten an. Ich fand meine erste Freundin. Sie hieß Sophie. Sophie und ich wurden sofort die aller besten Freunde. Wir teilten uns alles und hatten nie Streit. Eine perfekte Freundschaft. Sie war ein Jahr jünger als ich und somit wurde ich früher eingeschult. Ich kam in die erste Klasse. War sehr schüchtern. Ich saß alleine in der ersten Reihe. Dann kam ein Mädchen zu mir. Sie hieß Amber. Amber und ich verstanden uns vom ersten Moment an super und sahen uns auch jeden Tag in der Schule. Wir wurden beste Freundinnen. In der Klasse fand ich mich von Jahr zu Jahr immer besser zurecht. Ich fand Freunde und wurde beliebt. Ich war sogar Klassensprecherin. Nach Amber verstand ich mich auch noch gut mit einem anderen Mädchen. Sie hieß Sarah. Ich ging in die dritte Klasse und wir bekamen eine neue Schülerin. Sie hieß Lena. Lena und ich waren uns sehr ähnlich wir wurden auch sehr schnell gute Freunde und ich weiß noch genau wie neidisch ich anfangs immer auf sie war, weil sie besser malen konnte als ich und sie einfach so unglaublich cool war. Ich war mit so gut wie jedem Mädchen aus der Klasse befreundet mit ein paar Ausnahmen natürlich. Ich war sogar mit manchen Jungen befreundet. Zwei von ihnen hießen Tim. Tim L. und ich waren sehr gute Freunde, auch weil unsere Mütter sich gut miteinander verstanden haben. Tim S. war in mich verliebt. Er schrieb mir ständig Liebesbriefe und legte diese dann in meinen Schulspind. Er machte mir so viele Geschenke und umarmte mich oft, obwohl er wusste, dass er für mich nur ein bester Freund war. Er verteidigte mich vor jedem und war in der Schule eigentlich als jemand bekannt den keiner mochte, weil er ziemlich streitsüchtig war und sich gerne mal mit anderen geprügelt hat. Nur zu mir war er ganz lieb. Ich weiß sogar noch wie er mich, als wir ganz alleine während der Pause im Flur standen, auf die Wange geküsst hat. Das werde ich nie vergessen. Den Kontakt mit Sophie verlor ich trotzdem nicht, da wir uns in der Pause sahen und uns außerhalb der Schule immer noch trafen. Es sind einfach so viele schöne Erinnerungen an meine Grundschulzeit. Ich war damals noch ein ganz anderer Mensch, als ich es heute bin. Weiter im Text. Nach 4 Jahren, als die Grundschule vorbei war, trennten sich unsere Wege. Ich ging mit meiner besten Freundin Amber auf die Realschule und meine anderen Freunde gingen entweder aufs Gymnasium oder auf die Mittelschule. Wir sahen uns nicht mehr täglich und hatten damals kein WhatsApp etc. der Kontakt ging auseinander und ich hatte nur noch Amber. Die ersten Tage auf der neuen Schule waren relativ normal. Bis Amber mir am dritten Tag ein Mädchen vorstellte, dass in unsere Klasse ging. Sie hieß Ashley. Ashley schien Amber sehr zu mögen und lief ihr ständig hinterher. Setzte sich immer neben sie und redete auch nur mit ihr. Amber erzählte mir ständig, dass sie eigentlich lieber was mit mir machen wolle, aber sie Ashley nicht verletzen wollte, da sie erst Freundinnen geworden sind. Ich musste das so hinnehmen. Ständig musste ich im Unterricht alleine sitzen. Ständig musste ich alleine laufen. Ständig musste ich alleine in der Pause sein. Nur weil Amber Ashley nicht verletzen wollte, musste ich darunter leiden. Zum ersten Mal spürte ich Eifersucht. Einsamkeit. Wahre Traurigkeit. Das Gefühl, dass niemand dich braucht. Ich schrieb zu der Zeit ständig Tagebucheinträge in denen es darum geht wie sehr ich früher vermisse. Ich schaute mir Zuhause wenn ich alleine war immer diese Videos an die es auf YouTube gibt, in denen traurige Geschichten erzählt wurden. Ich wollte nicht alleine sein, also lief ich Ashley und Amber immer hinterher. Ich fühlte mich wie das fünfte Rad am Wagen. Und irgendwann ... wurden die beiden beste Freundinnen. Ich habe fast jeden Abend geweint und meine Familie hat nie etwas davon mitbekommen. Ich habe immer nur alleine geweint und es niemandem erzählt. Keiner wusste wie schlecht es mir wirklich ging. Und irgendwann veränderte ich mich. Ich interessierte mich nicht mehr wirklich für irgendetwas, außer Amber. Ich schrieb schlechte Noten und wurde deshalb oft von meinen Eltern zusammengeschissen. Ständig wurde ich angebrüllt und es gab oft Streit in der Familie. Ich hatte also mehr oder weniger nicht mal die Möglichkeit ihnen von meinen Problemen zu erzählen, da wir in dieser Zeit ein sehr schlechtes Verhältnis zueinander hatten. Was mich heute noch traurig macht ist der Gedanke, dass es meine Eltern nicht mal interessiert hat wieso sich meine Noten urplötzlich so massiv verschlechtert haben. Wie auch immer. Nicht nur meine Freunde mieden mich, sondern auch meine Familie. Überall gab es nur Streit und Traurigkeit. Ich wurde für kurze Zeit sogar in der Klasse gemobbt. Ich fing an Alpträume zu bekommen. Bilder in denen ich mich tot male. Oder auf denen ich wegen Amber Selbstmord begehe. Bilder auf denen ich von einem LKW überfahren werde, auf dem Amber und Ashley herabschauend auf mich blicken. Ich war damals 10 Jahre alt. Es war ein riesen Schock für mich und das Schlimmste war, dass ich das alles alleine durchstehen musste. Keiner meiner "Freunde" war für mich da. Sie alle fanden neue Freunde, genau wie Amber. Nur ich bin alleine zurückgeblieben. Irgendwie hatte ich das erste Schuljahr überstanden und es waren Ferien. Ich verbrachte die Ferien alleine und dachte viel über alles nach. Über Amber. Irgendwann wurde mir klar, dass es nichts mehr bringt so weiter zu machen. Also gab ich auf. Einer der größten Fehler meines Lebens. Ich fing an Amber nicht mehr hinterherzulaufen und irgendwann war es soweit, dass wir kein Wort mehr miteinander wechselten. Sie ging ihren Weg und ich meinen. Ich habe über 2 Jahre gebraucht um über sie hinwegzukommen. 2 Jahre um zu akzeptieren, dass diese ganzen 4 Jahre beste Freundschaft nur Lüge waren. 2 Jahre um zu akzeptieren, dass der wichtigste Mensch meines Lebens nichts mehr von mir wissen will. Und nachdem Amber weg war, fand ich nie wieder einen Menschen der ihren Platz, als meine beste Freundin einnehmen könnte. Ständig fand ich eine neue Freundin. Schenkte ihr mein ganzes Vertrauen, meine Zuneigung und meine Liebe und letztendlich kam jemand und machte mir wieder alles kaputt. Jemand trat in mein Leben ein, machte sich wichtig, ich schloss ihn in mein Herz und dann ging dieser jemand wieder. Das passierte um die 3-4 Mal und jedes Mal hat es mich trauriger gemacht. Irgendwann fing ich an niemandem mehr zu vertrauen. Ich fing an niemanden mehr in mein Herz zu schließen, da ich nach der Zeit sowieso wieder verletzt werde. Ich wurde verschlossener und selbst meine Eltern und meine Verwandten die mein altes Ich kennen, fragen mich ständig wieso ich so ernst bin. Wieso ich nicht mal lachen kann? Wieso ich so bin, wie ich bin ... Das ist meine Vergangenheit. Ständig denke ich an diese Zeit in meinem Leben. Es ist jetzt 4 Jahre her. Ich habe das Gefühl, dass ich das alles nie vergessen werde, dass ich niemals wieder so glücklich werde, wie früher. Es ist aber auch schwierig diese Sache zu vergessen, wenn man täglich daran erinnert wird. Wenn ich ständig Orte sehe, an denen ich früher mit meinen Freunden war. Wenn ich Bilder sehe oder Videos. Oder ich meinen "Freunden" zufällig begegne und wir einfach aneinander vorbeilaufen, als würden wir uns gar nicht kennen. Kein Lächeln, kein Blickkontakt. Gar nichts. Ich schätze es würde mir helfen neue Freunde zu finden, mit der Vergangenheit abzuschließen und ein neues Leben zu beginnen, doch mein Problem ist, dass ich das alles nicht einfach so vergessen kann. Ich möchte zwar nichts mehr mit den Menschen von früher zu tun haben, aber ich habe mich dadurch einfach so verändert, dass ich mich vor anderen verschließe und keiner etwas mit der ruhigen, merkwürdigen zu tun haben will. Dabei bin ich doch eigentlich gar nicht so wie ich rüber komme. Ich habe schon mal mit dem Gedanken gespielt, ob ich vielleicht psychologische Hilfe bräuchte, aber da keiner davon weiß und ich selbst niemals so offen darüber reden könnte, halte ich diese Idee für absurd. Ich weiß nicht was ich machen soll ... oder was ich überhaupt falsch gemacht habe?

Danke fürs Durchlesen. Mia.

Christina B. Anwort von Christina B.

Liebe Mia!
Danke, dass du dich mit deinen Problemen und Sorgen an uns gewandt hast.
Ich hab mir deine Geschichte durchgelesen und habe das Gefühl gehabt, dass du durch das Schreiben gerade selbst mal alles Revue passieren hast lassen und es verarbeitet hast. Es war bestimmt keine leichte Zeit für dich und ich kann gut verstehen, wie dir zumute ist. Dieses ständige Auf und Ab mit Freundinnen finden und wieder verlieren kenne ich selbst noch von früher und es ist furchtbar, sich wie das fünfte Rad am Wagen zu fühlen. Einmal hattest du die eine Freundin, dann wurde sie dir wieder "weggenommen", dann fandest du wieder eine neue, das hat wieder nicht geklappt... Ähnlich wie in Beziehungen klappt es leider auch mit Freundschaften nicht immer.

Es ist dann ganz natürlich, dass man so wie du traurig ist, und sich von anderen immer mehr abkapselt, aus Angst, erneut verletzt zu werden. Du hast aber geschrieben, du würdest gerne mit allem abschließen und weiterleben. Das kannst du auch schaffen! Mein Tipp: Schreib jeder von deinen "Freundinnen" einen Brief, aber schick ihn nicht ab. Schreibe alles auf, was dir durch den Kopf geht, was dich noch verletzt, worüber du noch nachdenkst und dann verbrenne den Brief. Dadurch lässt du den Schmerz und Groll los. So ein Ritual kann viel bewirken. Du kannst es ja mal ausprobieren (:

Psychologische Hilfe kann immer etwas bringen und ich finde, es ist eine gute Idee, diese anzunehmen. So kannst du vielleicht auch ein bisschen mehr zu dir selbst zurück finden. Es muss auch niemand etwas davon erfahren. In jeder Schule gibt es mittlerweile SchulpsychologInnen, die du in Anspruch nehmen kannst, da müssen deine Eltern nichts davon mitbekommen. Oder du machst dir eigenständig wo einen Termin aus.

Ich möchte dir noch etwas mitgeben: Freundschaften können, so wie du sie erlebt hast, oft sehr schwierig sein. Doch es muss so nicht ablaufen, Freundschaften können auch etwas ganz wundervolles darstellen. Vielleicht hast du bisher noch nicht die richtigen Leute getroffen. Manchmal muss man auch bisschen selbst aktiv werden, um Freundschaften zu schließen. Denn genauso wenig wie der Märchenprinz eines Tages an die Tür klopfen wird, wird auch keine beste Freundin plötzlich vor der Tür stehen. Man muss sich schon selbst ein bisschen schubsen. Kontakt aufnehmen, neue Leute treffen, auch wenn man sie noch nicht so gut kennt, jemanden ansprechen, sich trauen! Diese Dinge gehören auch dazu - wenn man wirklich aktiv eine Freundschaft aufbauen will. In der Schule hast du genug Möglichkeiten, neue Leute kennen zu lernen. Über Social Media ist sogar das Ansprechen einfacher geworden, du kannst ein Mädchen, das du auf dem Gang getroffen hast ja auch einfach mal über Facebook anschreiben. Hobbys sind auch immer ein guter Tipp, um neue Freunde zu finden. Was tust du gern? Singen, Fußball spielen, malen, lesen, schreiben? Es gibt Chöre, Fußballvereine, Malkurse, Buchklubs usw. - du kannst ja mal was ausprobieren.

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen.
Ich wünsche dir alles Liebe und viel Glück,
Herzliche Grüße,
Christina B.