Problem von Dani - 19 Jahre

Soll ich meine Gastfamilie wechseln ?

Ich bin jetzt seit 2 Monaten als Au Pair in den USA. Meine Gastfamilie ist wirklich toll. Meine Gasteltern sind noch ziemlich jung und dadurch verstehen wir uns echt gut. Mit meinen Gastkindern dagegen läuft es nicht so toll. Ich muss auf einen Jungen (4) und ein Mädchen (2) aufpassen. Zu meiner Kleinen habe ich ein super Verhältnis, ich habe sie schon extrem ins Herz geschlossen. Bei meinem Großen dagegen, sieht es leider etwas anders aus. Er hat bestimmte Charakterzüge, die ich nicht leider kann. Dies liegt unter anderem daran, dass meine Eltern keine konsequente Erziehung, eigentlich gar keine Erziehung haben. Man merkt, dass sie total überfordert sind (der Große war nicht geplant).

Als mein zweiter Monat begonnen hat, bekam ich ziemlich schlimmes Heimweh und ich habe mich überhaupt nicht wohlgefühlt. Nach einer Weile habe ich festgestellt, dass es nicht Heimweh sein kann. Ich habe meine Probleme analysiert und beobachtet und habe festgestellt, dass immer wenn ich mit meinem Gastjungen zusammen bin, es mir überhaupt nicht gut geht. Wir sind auf keiner Wellenlänge und ich kann einfach keine Verbindung zu ihm aufbauen. Ich bin leider nur noch total genervt von ihm, und will nicht mehr auf ihn aufpassen, was mir total leid tut. Ich selbst bin konsequent zu den Kindern, weil ich es wichtig finde bestimmte Regeln zu haben, wie zB. bitte und danke sagen ... Aber so streng bin ich jetzt auch wieder nicht, ich schreie die Kinder zum Beispiel nie an. Wenn die Eltern aber wieder zu Hause sind, fällt er sofort in sein Verhaltensmuster und das geht mir so extrem auf die Nerven. Aber ich lebe mit dieser Familie zusammen, dh ich bekomme immer alles mit.

Hier ein paar Charakterzüge meines Gastjungens:
- meidet große Menschengruppen und weint wenn ihn ein Kind anspricht
- rutscht sehr oft in die Babysprache und sagt nur 1Wort Sätze
- schläft sowohl beim Mittagsschlaf, als auch am Abend bei oder mit seinen Eltern im Bett
- Ansthase und Heulsuse --> wenn er ganz leicht stolper (wie zB ein Kleinkind) fängt er an zu weinen und will ein Pflaster
- sagt nicht 'Bitte'
-erwartet immer, dass man alles für ihn macht wie zB. Klamotten anziehen, obwohl er alles alleine kann
- er spricht von seinem Zuhause, dass ganz weit weg ist
- wenn die Eltern da sind, dann darf ich nichts machen zB. nicht anfassen, anschnallen, Essen richten, nicht beruhigen ...
- fängt manchmal plötzlich an zu weinen und will zu Mama oder Papa (obwohl nichts vorgefallen ist)

Ich weiß, ich sollte mich glücklich schätzen, dass ich in den USA bin, und das bin ich auch. Ich werde auch mit meinen Gasteltern darüber reden, aber ich habe totale Angst davor. Eigentlich will ich meine Familie nicht wechseln, da das ein total großer Prozess ist, und mit meinen Gasteltern verstehe ich mich ja auch super. Aber wenn ich mich mit dem Jungen nicht wohlfühle, dann macht das überhaupt keinen Sinn oder? Er macht mich wirklich total fertig, ich habe keine Kraft mehr, wenn ich auf ihn aufpasse.

Sie hatten übrigens schon ein Au Pair, und nach 2 Monaten finde ich, sollte er sich mal so langsam an mich gewöhnt haben ...

Was soll ich tun ? Habt ihr irgendwelche Tipps ?
Vielen Dank

Dani

Judith Anwort von Judith

Liebe Dani,

Viele Grüsse aus der Heimat!
Erstmal: Toll, dass Du ein Au Pair Jahr machst - das ist mutig und sicher eine bereichernde Erfahrung, unterm Strich.

Aber das weisst Du sicher selbst ... auch wenn es momentan nicht so aussieht. Ich hoffe, ich kann Dir etwas helfen.

Du scheinst Deine Aufgabe sehr ernst zu nehmen, und das ist gut. Du bist gewissenhaft, einfühlsam und konsequent. Du möchtest einen positiven Einfluss auf die beiden Kinder ausüben. Das ist ein hoher Anspruch an Dich. Und daran möchte ich auch nicht rütteln.

Du hast ja schon selbst analysiert: Die Eltern sind inkosequet, und daher bekommt der Junge quasi tagsüber von Dir Erziehung Variante A, und abends / am Wochenende Variante B. Dass das verwirrend für ihn ist, kann ich mir gut vorstellen. Und frustrierend für Dich - dann ohne eine gewissen Konsequenz wird man kein Verhalten ändern.

Hast Du mal mit den Eltern gesprochen? Das würde ich mal an Deiner Stelle machen. So, wir Du ganz nüchtern und faktenbezogen oben aufgeschrieben hast, was Du beobachest, kannst Du es ihnen ja mal erläutern. Frag sie mal, ob sie nicht auch denken, dass der Junge etwas mehr sanfte Forderung und Struktur braucht, neben allem Verständnis und der Liebe (die nimmt man ihm ja nicht weg). Frag sie mal, wie sie sich sein Verhalten erklären.

Vielleicht geht er ja auch nur duch eine etwas schwierige Phase. In dem Alter können sich Kinder auch schnell entwickeln und schon in ein paar Wochen anders reagieren.

Und dann noch der Tipp: Lass es nicht so an Dich heran. Du machst das alles richtig, und Deine Gasteltern scheinen zufrieden zu sein. So lieb Du die Kinder hast und so sehr Du das Beste möchtest, eine Beziehung aufbauen -- Du kannst nur so viel tun, wie man Dich lässt, und wie es Dein Umfeld zulässt. Vielleicht distanzierst Du Dich ein bisschen von der Inkonsequenz der Eltern - im Endeffekt entscheiden sie über den Erziehungsstil. Such das Gespräch, aber grenz Dich auch ein wenig ab, damit Du emotional nicht so mitgenommen wirst.

Ob ein Wechsel der Familie das richtige ist, kann ich Dir aus der Distanz nicht beantworten. Ich würde sagen: Wenn Du es gar nicht aushältst, ja. Aber "count your blessings": Nette Eltern. Kinder, die in einem liebevollen Haushalt aufwachsen; eins ist Dir schon ans Herz gewachsen. Und Du scheinst insgesamt die Umgebug auch zu mögen. Ist es wert, das alles für eine Familie und ein Umfeld, das Du gar nicht kennst, aufzugeben?

Make the most of the year! Such mal ein konstruktives Gespräch mit den Eltern, und versuch, Dich ein wenig mehr abzugrenzen.

Alles Gute!

Herzliche Grüsse,
Judith