Problem von Felia - 21 Jahre

Ich habe nichts mehr im Leben und weiß nicht wo ich hingehöre

Hallo liebes Kummerkasten-Team,
die Überschrift klingt wahrscheinlich etwas dramatisch, aber so fühle ich mich zur Zeit.
Warum ich genau hier rein schreibe weiß ich auch nicht, eigentlich habe ich morgen eine wichtige Klausur, aber ich glaube ich muss mir einfach mal alles von der Seele reden/schreiben. Konzentrieren kann ich mich überhaupt nicht auf die Klausur und ich habe auch sonst niemandem dem ich das alles erzählen kann.

Momentan bricht mein ganzes Leben Stück für Stück in sich zusammen und ich weiß einfach nicht wo ich hingehöre und wo ich anfangen soll um diesen Haufen Scherben wieder zu reparieren.
Ich versuche mich kurz zu fassen und fange vor zwei Jahren an. Im Sommer vor zwei Jahren habe ich einen Mann kennen gelernt, meinen jetzigen Freund. Nun ist es so, dass ich in Deutschland studiere und er aus den USA kommt und nur ein Praktikum hier gemacht hatte von drei Monaten. Naja es kam wie es kommen musste und wir verliebten uns. Er musste wieder zurück in die USA um sein Masterstudium zu beenden, ein Jahr lang führten wir eine Fernbeziehung. Diese Beziehung war sehr hart und hat die Liebe auf eine echte Probe gestellt, aber es kam so, dass er im Oktober 2016 zurück nach Deutschland kam. Mit mir zusammen, da ich ihn vorher 6 Wochen in den USA besucht hatte. Ursprünglich war unser oder sein Plan, in Deutschland eine Stelle zu finden wo er promovieren kann, also seinen Dr machen. Dann bekam er allerdings kurz vor unserer gemeinsamen Abreise ein Angebot seiner Universität bei seinem absoluten Lieblingsprofessor zu promovieren. Nun seit Oktober sind wir zusammen in Deutschland, er schaute sich hier nach Stellen um, fand aber nichts was er genauso gerne machen würde wie die Stelle in den USA. Ich weiß das es wirklich sein Traum ist, daher wird er in zwei Monaten zurück in die USA gehen. Er wird seinen Dr Titel machen und danach vielleicht noch einen zweiten Master, oder arbeiten gehen. Er wird zumindest den Dr in den USA machen, was 3-4 Jahre dauern wird. Die Beziehung hat also keine Chance, er sagte auch selbst eine Fernbeziehung habe keinen Sinn. In gewisser Weise verstehe ich ihn natürlich, ich würde auch nie so egoistisch sein zu erwarten, dass er die Karriereaussichten (die wirklich sehr gut sind) wegen mir aufgibt. Aber da ist trotzdem eine kleine Stimme im Hinterkopf die mir immer sagt, dass er die Karriere mehr liebt als mich und es macht mich fertig. Er ist mein erster richtiger Freund, ich liebe ihn unglaublich und als naiver hoffnungsloser Romantiker habe ich immer gehofft das er der erste und einzige bleibt. Hinzu kommt das ich momentan im 6ten Semester meines Studiums bin und mich fühle als würde ich in einer Sackgasse stecken. Die letzten Monate haben mich mein Studium mehr und mehr hinterfragen lassen. Ob ich das wirklich will, ob es richtig ist weiterzumachen, ob ich damit glücklich werde, und vor allem ersteres. Ob ich es wirklich will. Auf der anderen Seite scheint es unmöglich einfach abzubrechen, da ich schon so weit bin und nicht wüsste was ich sonst machen sollte. Ich denke mich hält persönlich nichts in Deutschland. Weder meine Eltern (schlechtes Verhältnis ich kann auch nicht mit ihnen offen über meine Probleme reden. Sie waren es sogar die mir sagten die Beziehung sei "ein totgeborenes Kind") noch sonst etwas. Selbst meine Freunde, ich habe das Gefühl wir entfremden uns total und ich gebe wenn überhaupt nur mir die Schuld daran, da ich so fokussiert auf die Beziehung war und all meine Kraft immer darein gesteckt habe, statt andere Beziehungen zu pflegen. Außerdem stelle ich immer öfter fest das unsere Interessen und Ansichten mehr und mehr auseinander gehen. Kurz gesagt mich hält in diesem Land nichts und ich würde gerne in die USA gehen, aber ich kann es nicht, da ich keine abgeschlossene Ausbildung und kein abgeschlossenes Studium habe. Ich fühle mich einsam, da mein Freund momentan die einzig richtige Bezugsperson ist und er bald weg sein wird. Wie gesagt entfremde ich mich von meinen Freunden (es sind sowieso nicht viele da ich sehr schüchtern bin) und auf meine Eltern kann ich irgendwie auch nicht bauen, da mich der Umgang mit ihnen wortwörtlich psychisch fertig macht. Das Verhältnis war noch nie gut, ich werde weder respektiert noch als Erwachsene Person angesehen. Sie sagen mir ich sei Schuld daran, dass ihre Ehe in die Brüche geht(meine Mutter ist vollkommen am Ende wegen meiner Beziehung zu einem Mann der zurück in die USA muss und lässt alles an meinem Vater aus)
Ich weiß einfach nicht was ich tun soll, mich hält nichts in Deutschland, ich kann aber unmöglich einfach in die USA gehen. Außerdem fühle ich mich von meinem Freund sowieso zurückgestoßen, da er mich quasi wegen seiner Karriere verlässt. Mein Studium verläuft sich in eine Sackgasse und meine Freunde werden mir fremd. Ich habe gar nichts mehr im Leben.

Liebe Grüße und über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. Vielleicht ein paar Ratschläge, vielleicht einfach ein paar nette Worte.

Christina B. Anwort von Christina B.

Liebe Felia!

Danke, dass du dich mit deinen Problemen und Sorgen an uns gewandt hast. Ja, deine Überschrift klingt natürlich schlimm, aber ich kann dir nur beipflichten, wenn es das ist, was du fühlst, dann ist es auch wichtig, das auszusprechen. Gefühle sucht man sich nicht aus, sie sind einfach da und es kann sehr gut tun, sie beim Namen zu nennen, ohne Verschönerung. Ich habe mir deinen Text durchgelesen und konnte innerlich deine Zerrissenheit sehr deutlich fühlen. Du hast es wirklich nicht leicht mit dieser Situation und ich kann mir vorstellen, dass in deinem Kopf ein Hin und Her Gezanke tobt, das dich sehr belastet. Aber trotz allem hast du einen Weg gefunden, du hast uns geschrieben und damit den ersten Schritt getan. Bei Problemen ist es viel hilfreicher, immer nur an den nächsten Schritt zu denken, dann hat man das Gefühl, man kann es schaffen. Hingegen wenn man an die komplette Lösung des gesamten Problems denkt - das ist wie eine endlose Straße, die man entlang gehen muss.

Nun hast du dich also vor zwei Jahren in deinen jetzigen Freund verliebt und so wie du schreibst, war es anscheinend das erste Jahr sehr hart, aber ihr habt damit leben gelernt. Jetzt ist es aber so, dass er wieder in die USA zurückgehen wird - was ich von deiner Seite total verstehen kann, dass es dich unheimlich traurig macht. Ja, du hast es richtig erkannt, er stellt die Karriere über eure Beziehung. Du meintest, du wärst nicht so egoistisch, zu erwarten, dass er seine Karriere zurückstellt und eure Beziehung für ihn an erster Stelle steht, aber gleichzeitig bist du traurig und enttäuscht, verletzt und zurückgewiesen, eben weil er - in deinen Worten - "die Karriere mehr liebt als mich und es macht mich fertig." Er meinte außerdem, die Beziehung habe keinen Sinn - warum habe sie keinen Sinn? Weil ihr beide genauso wie bisher weiter tun würdet, ihr würdet wieder eine Fernbeziehung führen und die Aussicht auf ein gemeinsames Leben würde bei euch immer weiter weg rücken. Ich kann beide Seiten gut verstehen - da ist sein toller Traumjob, den er nicht aufgeben will und du steckst noch mitten im Studium, hast sonst keine Ausbildung und kannst demnach auch nicht alles stehen und liegen lassen. Und jetzt fragst du dich, ob du das Studium überhaupt wirklich willst, ob es das richtige war. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Studierende sich immer wieder mal fragen, ob sie mit dem Studium die richtige Wahl getroffen haben, aber wie du dir selbst schon die Antwort gegeben hast, bist du jetzt im sechsten Semester und es wäre dumm, jetzt alles hinzuschmeißen und was vollkommen neues anzufangen. Du hast nun so viel Arbeit und Energie in das Studium gesteckt und was du hast, das hast du - das kann dir niemand mehr wegnehmen, wenn der Bachelor am Papier steht. Danach kannst du immer noch etwas anderes machen, dich für ein neues Studium anmelden, vielleicht in eine ganz andere Richtung gehen - was auch immer (: Aber die Jahre wären vergeudet, würdest du das Studium jetzt einfach hinschmeißen. ABER: Wäre es möglich, das Studium in den USA zu beenden? Hast du dir das schon überlegt? Dann könnte dies vielleicht ein Olivenzweig für euch beide sein.

Ich könnte mir vorstellen, dass deine Zweifel am Studium eher daher rühren, dass dein Freund in die USA zurückgeht - und du deine Beziehung nicht beenden willst. Vielleicht könnte es möglich sein, dass du dir selbst nur vorgegaukelt hast, dass das Studium nicht das richtige für dich sei, als Vorwand, woanders neu durchzustarten? Manchmal überlistet uns unser Unterbewusstsein und weiß solche Dinge besser als wir. Unsere Wünsche will es durchsetzen und lenkt Ausweichmanöver ein, um das zu bekommen, was wir wollen. Dazu kommt deine Beteuerung, dass dich in Deutschland nichts hält, weil du Probleme mit Familie hast und auch Freunde nicht mehr so richtig zu dir passen. Dass deine Eltern dich so schlecht behandelt haben oder immer noch behandeln ist absolut nicht richtig und das tut mir sehr leid für dich. Da kann ich auch verstehen, dass man am liebsten weg möchte. Was deine Freunde betrifft, so schreibst du selbst im Text, dass du alles in die Beziehung reingesteckt hast und somit andere soziale Kontakte vernachlässigt hast. Das kann man aber wieder aufleben lassen, auch Freundschaften können wieder aufleben, wenn man es will und sich darum kümmert. Du fühlst dich jetzt wahrscheinlich so, als hättest du nichts mehr im Leben, aber halte doch mal Rückschau: Du hast die Freunde, du hast dein Studium und du hast Familie und ein Dach über dem Kopf. Und auch wenn die Freunde und du euch auseinander gelebt habt, gibt es immer die Möglichkeit, neue Freundschaften zu schließen!! Du bist noch so jung und kannst noch so viel erleben, neue Freunde kennen lernen und auch eine neue Beziehung eingehen.

Was deinen Hang zur Romantik betrifft: Ich kann gut verstehen, dass die Vorstellung, mit der ersten großen Liebe für immer vereint zu bleiben dich fasziniert und glücklich macht. Doch im Leben läuft es leider nicht immer so wie im Film und nicht jede erste Beziehung bleibt auf ewig bestehen. Ich kann aber gut verstehen, dass es sehr schwierig ist, sich von dieser Vorstellung zu lösen. Ich könnte mir (als Hypothese - muss nicht stimmen) vorstellen, dass dich die womöglich bevorstehende Trennung auch einfach sehr ängstigt. Die erste große Liebe ist sehr tiefgehend und man will, dass sie für immer bestehen bleibt, und weil man noch nie eine Trennung erlebt hat, weiß man auch gar nicht, was da auf einen zukommt. Und gleichzeitig fällt es einem so wahnsinnig schwer, sich von dieser einen Person zu lösen, weil sie ein so fester Bestandteil des Lebens geworden ist. Aber weil es eben erst die erste und einzige Person ist, mit der man eine Beziehung führt oder geführt hat, weiß man gar nicht (und will es manchmal gar nicht wissen oder glauben), dass es draußen noch viele wundervolle andere Männer gibt, andere aufregende Beziehungen, die noch auf einen zukommen!

Was mich an der ganzen Geschichte noch interessieren würde, ist die Frage, wie denn dein Freund zu alldem steht? Weiß er, dass du überlegst, in die USA zu ziehen? Wäre er damit glücklich/einverstanden? Denn so wie du es beschrieben hast, hat es für mich persönlich stark danach geklungen, als wärst hauptsächlich du diejenige gewesen, die Arbeit, Mühe und Opfer in die Beziehung gebracht hat - und du wärst jetzt auch bereit, das Opfer zu bringen, zu ihm zu ziehen, wenn da nicht das nicht abgeschlossene Studium wäre. Er könnte auch in Deutschland einen Job finden - er könnte seinen Doktortitel doch auch in Deutschland machen oder etwa nicht? Er war nicht dazu bereit, die USA hinter sich zu lassen, du wärst bereit, Deutschland hinter dir zu lassen - ich kann somit gut verstehen, dass du dich zurückgestoßen fühlst. Du hast selbst geschrieben, dass er "dich quasi wegen seiner Karriere verlässt". Heutzutage sind leider immer weniger Leute dazu bereit, Kompromisse einzugehen oder der Liebe wegen etwas aufzugeben. Alle wollen Karriere machen und alle glauben, es wird sie erfüllen - ich will Karriere machen nicht schlecht machen, aber was ist ein Job und viel Geld gegen die wahre Liebe? Natürlich sollte man einen Beruf ausüben, der einem Spaß macht, aber Geld und Job ist nicht alles im Leben. Dass dich das alles sehr verletzt, kann ich verstehen - aber ist es das wert?

Ich möchte dir eine Übung mitgeben, die dir helfen kann, herauszufinden, was das richtige ist. Sie heißt Pentalemma.

Stelle Dir folgende Situationen (wie unten beschrieben) einzeln und langsam vor und fühle Dich ganz in sie hinein. Beobachte dabei, was sich in Dir tut, wie fühlt sich das an, was macht das mit Deinem Körper, ist das ein angenehmes oder unangenehmes Gefühl, was geht dabei in Dir vor? Wäre das eine gute Situation? Macht das Angst? Geht das auf keinen Fall? Dort, wo die Punkte stehen, setzt Du den Namen Deines Freundes ein.

1) Das eine - Ich bleibe in Deutschland, um mein Studium zu Ende zu führen und lasse .... hinter mir. Er zieht in die USA und wir trennen uns.
2) Das andere - Ich ziehe mit ... in die USA und setze dort entweder mein Studium fort oder suche mir irgendeinen Job.
3) Beides zugleich - Ich bleibe in Deutschland und ... und ich führen weiterhin eine Fernbeziehung.
4) Etwas ganz anderes - das darfst Du für Dich definieren.

Könnte auch so aussehen, wenn dir das bildlicher liegt:
1) DEUTSCHLAND - TRENNUNG
2) USA - BEZIEHUNG
3) FERNBEZIEHUNG
4) ....

Was hat sich nun bei Dir getan? Welche Situation hat sich am besten angefühlt? Diese Übung kann Dir helfen, ein klareres Bild von dem zu bekommen, was DU wirklich willst.

Ein anderer Tipp: Mach dir jeweils für beide Situationen eine Öko Checkliste!
Vermerke darauf, was mit dir und deiner Umwelt passieren würde, welche Folgen die jeweilige Entscheidung hätte und dann fühle hinein, wo du dich wohler fühlst.

Z.B.:
USA

- Studium aufgeben/dort fortsetzen
- evtl. Nebenjob dort nötig um Geld für Wohnung zu verdienen
- Aufgeben des gesamten Freundeskreises
- Familie hinter sich lassen
- möglicherweise auch wieder Trennung vom Freund? Was dann? Wieder zurück nach Deutschland?
- Riesenplus: endlich mit der Liebe meines Lebens vereint

usw.

DEUTSCHLAND

-Studium weiterführen
- Freunde/Familie behalten
- tiefe Trauer in Kauf nehmen wegen Trennung vom Freund
- Wohnungssituation angenehm, weil keine Veränderung
- alles beim alten
- Sicherheit?

usw. - Das soll nicht DEINE Liste sein, das waren nur meine Vorschläge, damit du dir etwas darunter vorstellen kannst.

Ich kann dir deine Entscheidung leider nicht abnehmen, sondern dir lediglich Tipps geben, wie du sie treffen kannst. Es ist eine sehr große Entscheidung und es ist bestimmt nicht leicht, aber du kannst sie fällen und wirst das für dich richtige wählen.
Du scheinst mir eine sehr reflektierte, lösungsorientierte und klare Person zu sein - du weißt eigentlich, was du willst und wie du die Dinge angehen musst. Das sind alles wertvolle und wichtige Eigenschaften, die dir mit Sicherheit privat und beruflich von Nutzen sein können. Ich glaube, gerade diese Eigenschaften können dir dabei helfen, diese Entscheidung für dich zu treffen.

Ich hoffe, ich konnte dir mit meinen Gedanken und Überlegungen ein wenig weiter helfen.
Wenn du noch was erzählen möchtest oder noch Fragen hast, kannst du mich gerne erneut kontaktieren (:
Richte dazu irgendwo am Anfang deines Textes den Text "An Christina B.", dann wird mich die Nachricht erreichen.
Alles Liebe wünsche ich dir, und herzliche Grüße,
Christina B.