Problem von Anonym - 19 Jahre

Wohin mit diesen ganzen Problemen?!

Hallo,
Ich weiß garnicht was mich dazu treibt mein Problem jetzt öffentlich zu schreiben aber ich spüre eine Stimme in mir die mir sagt das es für diesen Moment besser werden könnte....vielleicht weil ich mit jemandem darüber reden kann und ich mir sicher sein kann das ich anonym bin und niemand anderes sich über meine Probleme lustig machen kann..
Aber Nunja dann erzähl ich euch mal von meiner Vergangenheit..
Wisst ihr es hat alles eigentlich schon so früh angefangen.
Mittlerweile bin ich 19 Jahre alt. Hab meine Ausbildung als Sozialassistentin abgeschlossen und mich ansatzweise wieder gefangen. Zurzeit befinde ich mich in der Ausbildung als Erzieherin. Ich möchte mal in einem Jugendwohnheim arbeiten für schwererziehbare Jugendliche..

Meine Kindheit war so lala.
Ich habe 3 größere Geschwister, 2 halbgeschwister und einen leiblichen Bruder. Meine Mutter war alleinerziehend und maßlos überfordert. Mein Vater hat uns schon früh verlassen und sich auch nie für mich interessiert auch nicht in diesem Moment wenn ich das hier jetzt schreibe. Bei meinen anderen zwei halbgeschwistern war es mit ihrem Erzeuger auch nicht viel besser. (Wir haben nur die gleiche Mutter)
Jedenfalls wurde meine Mutter desöfteren handgreiflich gegen eine meiner halbgeschwister .. was heißt desöfteren eigentlich jeden Tag. Auch wenn bekannte da waren.. Ich sehe meine halbschwester aber wie meine leibliche schwester weil ich mit ihr aufgewachsen bin und sie eben immer da war..Aber meine mutter war gegen diese eine schwester immer nur handgreiflich gegen die anderen Geschwister von mir nie.. Jeden Tag musste ich mir das Geschreie anhören, das schlagen mitansehen.. kaum waren meine augen offen hab ich meine schwester vor schmerzen weinen und schreien hören.. sie hat immer geschrien das meine mutter aufhören soll aber nur dann wurde meine mutter immer aggressiver.. kaum wollte ich die augen schließen abends kam wieder der gleiche ablauf... Ich war viel zu klein um damals dazwischen zu gehen das müsst ihr Wissen.
Neben dieser ganzen Gewalt fing sie an sich zu ritzen.. richtig tief.. an einem kompletten arm.. die Narben waren so tief das man es heute bei Entfernung trotzdem noch sehr gut sehen kann..
Es kam irgendwann soweit das sie ins Krankenhaus und in Eine Psychatrie musste weil sie sich fast tot geritzt hat.. genau da ist meine Welt dann zusammen gebrochen..
Ich war doch diejenige die immer für Meine Schwester da sein wollte ich war diejenige die ihr nichts bieten konnte kein Schutz NICHTS! auch wenn 6 Jahre älter ist ich hätte trotzdem etwas tun können denke ich mir heute...

Aber irgendwann kam meine schwester einfach nicht mehr nachhause..Sie ging nach der Schule einfach auf das Jugendamt und war dann einfach weg. Sie kam in einer WG unter. Dort geriet sie dann total an die Drogen..Sprang aus Fenstern damals in ihrer WG nur um vor der Polizei zu flüchten.. Freundinnen haben ihr damals bei diesem schritt geholfen die hatten ja selbst scheiße gebaut.. Damals war wohl ihr Motto: Weg von meiner Mutter und weg von der Gewalt.
Ich war viel zu klein um zu realisieren weswegen sie weg ist habe nur geweint und nur Blödsinn im Kopf gehabt.. der Kontakt war einfach weg.. bin selbst abgerutscht..
Bis sie sich eines Tages wieder gemeldet hat. Sie stand vor der Tür wollte eine große Reisetasche und versuchte mir mit meinen 13 Jahren zu erklären das sie in eine Klinik muss da sie schwer drogenabhängig ist.. wisst ihr wie sich das angefühlt hat? Ich will nicht sagen das ich mich an die Situation gewöhnt habe nach 2-3 Jahren sie vergessen zu haben aber sie stand plötzlich wieder da. Hatte wie einen Wandel so plötzlich sie wollte clean werden und weg von den problemen mit der Polizei..Meine Mutter genauso krank wie früher hat erstmal rumgeschrien als sie meine Schwester gesehen hat hat mich reingezogen von der Tür und die Tür vor meiner Schwester zugeschlagen.
Bähm wieder ein Schlag ins Gesicht..

So weit so gut habe ich mir ein zweites Handy geholt Kontakt mit ihr aufgenommen und mich heimlich mit ihr getroffen.
Sie ging in Therapie..
Kaum therapiert griff sie wieder zu den Drogen aber nur wegen ihren 'Freunden'.. Jeden Tag war sie am Bahnhof.. typisch hier in der Gegend, da sind nur die ganz coolen.
Nach einem Jahr hin und her kam sie davon weg holte sich eine eigene Wohnung ging zur abendschule und da hat sie schließlich einen sehr guten Realschulabschluss gemacht.. und das mit 25 jahren (War erst vor kurzem)
Vor 3 Wochen habe ich sie dann erwischt wie sie wieder Drogen genommen hat.. Ich frage mich nur warum.. sie ist doch weg von dem hauptstress.. Aber mittlerweile denke ich mir sie ist alt genug sie muss wissen was sie tut..



Aber wisst ihr was mein Problem ist?
Ich bekomm diese scheiß Bilder nicht aus meinem Kopf egal was ich mache oder tu oder denke.. kaum bin ich ein bisschen deprimiert denke ich direkt an die Vergangenheit an diese schlimme ich meine wirklich schlimme häusliche Gewalt und könnte schreien.
Einfach schreien und wegrennen ! Am besten nie wieder kommen. Ich hasse mich so sehr dafür das ich früher nichts dagegen getan habe.. ganz egal wie alt ich war. Ich hab immer nur geweint und geschrien.. hatte jahrelang Albträume und zwar richtig richtig schlimme und es hört einfach nicht auf.. das ganze ist mittlerweile 6 Jahre her aber ich kann damit einfach nicht abschließen ich bekomme solch einen Hass wenn ich meiner Mutter auch nur ansatzweise ins Gesicht schaue ich kann garnicht so richtig beschreiben wie sich das anfühlt.
Fängt an bei Verzweiflung bis hin zu Selbsthass ..
Sagt mir bitte was ich dagegen tun kann..
Ich will auch nicht zu einem Psychologen. Ich kann das einfach nicht . . Mich da hinzusetzen diesem Menschen ins Gesicht zu schauen und ihm zu erzählen was ich schon alles so erlebt habe..
Vielleicht habe ich mich deswegen dazu entschieden diesen Berufsweg bei mir einzuschlagen um genau das bei anderen Jugendlichen zu verhindern.. Aber ich kann es euch nicht sagen..
Aber diese Bilder diese Erinnerungen und diese stimmen.. Ich werde sie wohl nie wieder vergessen können und sie werden mich früher oder später selbst kaputt machen..
Vorallem auch in meinem Beruf.. wenn ich sie wie manche Eltern mit ihren Kindern umgehen und sie behandeln.. Ich will garnicht wissen wie das den kleinen ergeht und würde den Eltern gerne mal das geben was sie verdient haben aber das kann ich mir natürlich niemals erlauben.....

Christina B. Anwort von Christina B.

Hallo liebe Anonyme!
Danke für dein Vertrauen und dass du dich mit deinen Sorgen und Problemen an uns gewandt hast. Ich kann mir vorstellen, dass das alles sehr schwierig für dich sein muss. Du hast in deiner Vergangenheit anscheinend viel durchgemacht und nun lastet all das recht schwer auf deiner Seele. Du hast aber den Mut aufgebracht, uns zu schreiben und uns deine persönliche Geschichte anzuvertrauen - Hut ab! Dafür benötigt es schon eine gehörige Portion an Courage!

Es ist schrecklich, was dir in deiner Kindheit alles widerfahren ist. Du hast sehr viel mitbekommen, dass einen jungen Geist sehr traumatisieren kann - die Gewalt deiner Mutter gegen deine Halbgeschwister, dann deine Schwester, die sich zuerst ritzte und dann so tief in die Drogenszene abgerutscht ist usw. - das ist wirklich viel und da kann ich mir gut vorstellen, dass dich das natürlich nicht unberührt gelassen hat sondern du da ebenso deine Narben davon getragen hast. In deinem Text ist mir aufgefallen, dass du deinen Stiefvater gar nicht erwähnt hast - du hast nur geschrieben, dass du und deine Halbgeschwister euch dieselbe Mutter teilt - was war mit deinem Stiefvater? War der nicht präsent? Weil, der hätte die Misshandlungen an deiner Halbschwester doch mitbekommen müssen? Oder hat das deine Mutter nur dann getan, wenn er nicht da war?

Es ist schrecklich, dass deine Mutter es ausgerechnet auf diese eine Halbschwester von dir abgesehen hat - und ihr dadurch so viel Schmerz bereitet hat. Warst du jünger als sie? Im Text habe ich das nicht so ganz mitbekommen, du hast einmal was geschrieben von sechs Jahre älter, aber da stand nicht genau, wen du damit meintest - ich nehme an, deine Schwester war sechs Jahre älter als du? Ich nehme dann an, dass ihr nicht mal dieselbe Mutter teilt, sondern dein Stiefvater deine Halbgeschwister aus erster Ehe mitgebracht hat? Ich kann mir vorstellen, dass dich Schuldgefühle quälen - wahrscheinlich, weil es deine Mutter war, die das Stiefkind so misshandelt hat, da kann es gut sein, dass du dich damit quälst und das Gefühl hast, du hättest damals etwas dagegen tun müssen, weil es deine Mutter war und quasi aus "deinen Reihen" kam. Dieses Gefühl magst du vielleicht haben, doch du hättest damals gar nichts dagegen tun können. Wahrscheinlich - hättest du dich gegen deine Mutter gestellt oder ähnliches, hättest du auch Prügel dafür kassiert. Oder aber noch schlimmeres, wer weiß. Wenn du selbst noch so jung warst, hättest du ja gar nichts machen können. Und selbst wenn nicht, manchmal lähmt uns Angst und wir sind unfähig, irgendetwas zu tun, auch wenn die Situation noch so schrecklich ist. Unser Selbstschutz wird dann manchmal aktiviert und dann wird alles andere ausgeblendet. Es könnte sein, dass das bei dir so war. Daher trifft dich KEINE Schuld!

Deine Gefühle bezüglich deiner Mutter kann ich auch sehr gut verstehen. Auch dein Bedürfnis, zu schreien und wegzulaufen ist in deiner Situation normal. Du hast unvorstellbares mitangesehen und daher mindestens halb so viel Schaden davon getragen wie deine Schwester. Aber deine Schwester hat sich offenbar wieder gefangen, du hast geschrieben, sie hat sogar den Realabschluss gemacht. Das muss man ihr lassen, nach alledem ist das höchst beeindruckend. Leider hast du sie wieder mit Drogen gesehen. Warum sie dahin wieder zurückgegangen ist, kann ich dir nicht genau sagen - aber ich finde es gut, dass du die Einstellung gewonnen hast, dass es ihr Leben ist und du sie nicht retten kannst. Es gibt allerdings Hilfe für Angehörige von Süchtigen - hast du schon mal überlegt, dich an eine solche Beratungsstelle zu wenden? http://www.blaues-kreuz.de/bundeszentrale/uebersucht/info-angehoerige.html Auf dieser Homepage findest du Informationen zu diesem Thema - und Hilfsangebote.

Ich kann mir gut vorstellen, dass du diesen Berufsweg eingeschlagen hast, um das Ganze zu verarbeiten und so wie du selbst gesagt hast, solche Geschichten bei anderen Leuten zu verhindern. Das kann eine tolle Motivation sein, und du kannst diesen Job dann wahrscheinlich auch sehr einfühlsam ausführen, da du weißt, wie das ist - doch es ist ganz wichtig, dass du dich zuvor mit deiner eigenen Geschichte beschäftigt und diese aufgearbeitet hast. Du hast zwar geschrieben, du willst nicht zu einem Psychologen, doch ich kann dir hier beim Kuka leider nur bis zu einem gewissen Punkt weiterhelfen, es geht bei uns hauptsächlich um Erstgespräche und das Auffangen eines Menschen - wir stärken die Betroffenen und machen Mut, geben Tipps und Ratschläge, wie sie mit ihrem Problem weiter tun können - doch leider kann man online keine kompletten Lebensgeschichten aufarbeiten, dafür müsste persönlicher Kontakt möglich sein und diesen Bereich decken wir leider nicht ab. Es wäre glaube ich sehr gut, wenn du dir persönlich Hilfe bei einer Beratungsstelle (https://www.suizidprophylaxe.de/), einem Psychologen oder Psychotherapeuten holen würdest. Du könntest mit ihm Schritt für Schritt alles aufarbeiten und gemeinsam erarbeiten, was du tun kannst, damit du die Bilder los wirst. Du hast deutlich geschrieben, du kannst dem Psychologen nicht ins Gesicht schauen. Es wäre z.B.: eine Möglichkeit, dem Psychologen vorab am Telefon zu sagen, dass du, wenn du in die Praxis kommst und ihr euch hinsetzt, lieber mit dem Rücken zu ihm sitzen möchtest, wenn du deine Geschichte erzählst. Das ist kein Problem - wenn du das so brauchst, dann wird der Psychologe das auch respektieren. Ist es eine andere Hemmung vorm Psychologen? Viele glauben heutzutage noch, dass Psychologen "Seelenklempner" sind, und dass man sich dafür schämen muss - doch das ist nicht wahr. Wenn du dennoch ein mulmiges Gefühl dabei hast, brauchst du ja deinem Umfeld nicht zu erzählen, dass du jetzt Hilfe aufsuchst.

Meine Tipps im Umgang sind folgende: Du sprichst immer wieder davon, dass dich die inneren Bilder so quälen. Mein Tipp: Versuch die inneren Bilder nach außen zu bringen! Zeichnest du gern? Es wäre z.B.: eine Möglichkeit, alles zu malen - oder auch nur deine Gefühle irgendwie rauszumalen - in verschiedenen Farben und Mustern, eben wie es kommt. Bist du ein visuell denkender Mensch? Du könntest versuchen, mit mentalen Übungen die Bilder aus dem Kopf zu kriegen. Stell dir ein lila Lagerfeuer vor, in das du die Bilder hineinfließen lässt. Möglich wäre auch, die Bilder aus dem Kopf zu kriegen, indem du alles aufschreibst - wenn du z.B.: jemand bist, der lieber etwas schriftlich erledigt, oder gern oder gut schreibt - schreibe einfach alles auf, was dir durch den Kopf geht, beschreibe die Bilder und dann verbrenne die Zettel. Das kann auch sehr befreiend wirken. Musik kann auch oft helfen, wenn wir Bilder nicht aus dem Kopf bekommen.

Dennoch, trotz meiner Tipps glaube ich, dass bei dir viele Gefühle hochgekommen sind, und dass es gut wäre, sich diese anzusehen und aufzuarbeiten. Dann kannst du Schritt für Schritt wieder glücklicher werden in deinem Leben (: Nur Mut - du hast es bis hierher geschafft, dann schaffst du den nächsten Schritt auch! Und noch ein Tipp: Wenn du es nicht schaffst, dem Psychologen die Geschichte zu erzählen - schreib sie auf. Er soll sie sich durchlesen und dann sprecht ihr darüber!
Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen.
Wenn du noch Fragen an mich hast, kannst du mich gerne erneut kontaktieren. Richte dazu deinen Text am Anfang "An Christina B.", dann wird mich die Nachricht erreichen (:
Alles Liebe und herzliche Grüße,
viel Kraft, Mut und Stärke wünscht dir
Christina B.