Problem von Marie - 17 Jahre

Eltern und Alkoholkonsum

Hallo,
seit ich denken kann trinken meine Eltern täglich, ohne Ausnahme, jeden Abend ein bis zwei Flaschen Wein.
Als ich noch jünger war habe ich ihnen ständig erklärt, wie sehr es mich stört und ich habe sie darum gebeten aufzuhören. Mein Dad hat daraufhin aggressiv reagiert und ich habe immer nur blöde Ausreden als Antwort bekommen, zum Beispiel dass sie sich nur mit ihrem Wein am Abend entspannen könnten…es sei doch nicht schlimm, da es kein Hartalkohol ist.
Irgendwann hab ich es aufgegeben sie überreden zu wollen, weil dadurch nur Streit entstand und sich sowieso nichts geändert hatte.
Es ist mir peinlich und unangenehm, wenn Freundinnen bei mir zu Hause sind und meine Eltern im total zugenebeltem Zustand auf dem Sofa sitzen.
Sie konnten mich nie wirklich von einer Party abholen oder mich hinbringen, weil ab 8 Uhr immer der Wein sein musste.
Mittlerweile rede ich abends nicht mehr mit ihnen und versuche ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich kann mich ja nichtmal mit ihnen Unterhalten, da sie am nächsten Tag alles von der Konversation vergessen haben oder nur blöde lallende Antworten geben können. Checken tun sie auch nichts mehr. Es macht mich total wütend sie in diesem Zustand zu sehen. Ich könnte los heulen. Normal habe ich ein wirklich sehr gutes Verhältnis zu ihnen. Das ist auch mein Problem an der ganzen Sache. Sie tun ansonsten wirklich alles für mich und ich möchte ihnen ihren "Spaß" nicht nehmen. Ich trau mich auch nicht mehr etwas zu sagen, weil ich angst habe diese Beziehung kaputt zu machen. Wobei die Gesundheit meiner Eltern doch eigentlich wichtiger ist.
Das schlimmste daran ist, dass mein Vater unter der Woche nicht mal da ist und sie sich trotzdem ALLEINE ohne jegliche Gesellschaft einen reinladen. Das kotzt mich an.
Ich habe das Gefühl, dass ich irgendwann noch platze.

Christina N. Anwort von Christina N.

Liebe Marie!

Zunächst möchte ich dir für dein Vertrauen danken, da es nicht selbstverständlich ist, sich mit seinen Problemen fremden Personen anzuvertrauen. Dies zeigt mir, dass du ein sehr reflektiertes, junges Mädel bist, die sich um ihre Familie und ihr Umfeld sorgt, so wie du dein Problem beschrieben hast.

Wenn ich mir deine Geschichte durchlese, ist es selbstverständlich, dass es dir momentan nicht gut geht und du sehr mit deiner Familie beschäftigt bist, das verstehe ich gut. Es ist ja auch wirklich einiges los, so wie du es beschrieben hast.

Es ist bestimmt nicht einfach für dich, mitzubekommen, dass deine Eltern Alkohol konsomieren und nebenbei noch zur Aggression neigen, wie du es beschrieben hast. Da ist es verständlich, dass du dir Sorgen machst und dir sehr viele Fragen stellst.

In deinem Fall, den du beschrieben hast, handelt es sich um deine Eltern, zwei erwachsenen Menschen, die selbstständig Entscheidungen treffen dürfen, ob und wie viel sie trinken möchten.

Ich verstehe dich jedoch sehr gut, dass du dir Sorgen machst, da es sich um deine Eltern handelt, mit denen du zusammenlebst, ihr Kind bist, alles mitbekommst,sie lieb hast und vor allem, wie du beschrieben hast, die Häufigkeit anzumerken ist.
Wie du richtig erkannt hast, gibt es Unterschiede. Jemand, der 1-2 Gläser ab und zu trinkt ist nicht so gefährdet, wie jemand, der das regelmäßig, häufiger und vor allem größere Mengen davon zu sich nimmt, denn da sind dann oft andere Absichten dahinter und wie du gut erkannt hast, ist das in deinem Fall schon als Warnsignal zu sehen, da du ja beschrieben hast, dass deine Eltern auch oft alleine trinken, sowie was auf gar keinen Fall missachtet werden darf ist die Aggressivität, die du bei deinem Vater in diesen Situationen beobachtet hast.

Ich verstehe deine Sorgen sehr gut und würde an deiner Stelle wohl genauso handeln und denken, jedoch vergesse in dieser Zeit nicht auf dich und schaue auch auf dich. Denn selbst, wenn du bereits 17 bist, ist diese Situation, die du täglich mitansehen und erleben musst, unzumutbar und vor allem hast du ja auch beschrieben, dass dieser Zustand bereits mehrere Jahre andauert und hierbei ist definitiv dein Kindeswohl gefährdet, auch wenn sie keinen Alkohol trinken, dich gut umsorgen und für dich da sind und du sie lieb hast, was bestimmt umgekehrt auch so ist. Jedoch ist dies leider kein Zustand, der für dich länger andauern sollte.

Auch wenn du dich um deine Eltern sorgst, jedoch sind sie für sich selbst verantwortlich und es ist vor allem wichtig, dass du das Problem bei deinen Eltern lässt und nicht zu deinem machst. Hierbei hast du bereits den ersten Schritt gemacht und dich an uns gewandt, das finde ich großartig von dir. Du hast selbst erkannt, dass es Situationen im Alltag gibt, die für dich unangenehm sind, wie zum Beispiel, dass du dich nicht mit ihnen unterhalten kannst, wie du sie erlebst, dass du keine Unterstützung bekommst oder es dir unangenehm ist, wenn Freunde zu dir kommen, was ich ganz gut verstehen kann. Hierbei ist es wichtig, darauf zu achten, dass du so schnell wie möglich, diese Situation nicht mehr erleben und mitbekommen musst.

Jedoch, wie du richtig erkannt hast, darf man natürlich in deinem Fall auch nicht wegsehen und du hast bereits zwei große Schritte gewagt. Der erste Schritt war, dass du dir bereits viele Gedanken gemacht hast und der zweite Schritt war, dich an uns zu wenden und das finde ich beides sehr mutig und pflichtbewusst von dir. An deiner Beschreibung merke ich, dass dir deine Familie sehr wichtig ist. Das finde ich auch gut so.

Eine Empfehlung von mir wäre, weil du beschrieben hast, dir ist es dennoch wichtig, ihnen zu zeigen, dass dir ihr Verhalten nicht gefällt, dass du es folgendermaßen versuchst: Das kann zuhause sein, oder ganz woanders, wonach ihr Lust habt und hierbei kannst du sie dann genau beobachten. Ich würde es jedoch an deiner Stelle zunächst nicht direkt ansprechen, sondern sie einfach fragen, wie es ihnen geht, und möglicherweise auch, dass es dir aufgefallen ist, dass sie sich in letzter Zeit verändert haben. Eventuell kannst du einen Zeitpunkt wählen, an dem sie keinen Alkohol getrunken haben. Wenn von ihrer Seite in diesem Bezug keine Antwort kommt, könntest du vorsichtig versuchen, deine Sorgen anzusprechen, indem du zum Beispiel sagst: “ Ich mache mir Sorgen um dich, ich habe dich manchmal beobachtet, dass du Alkohol trinkst. Geht es dir gut oder warum machst du das?“ Möglicherweise vertrauen sie sich dir hierbei ein wenig an. Dies ist nur ein Möglichkeit, um deine Eltern eventuell ein wenig verstehen zu können oder einen Zugang zu schaffen. Das ist jedoch nur eine Empfehlung von mir und das musst du natürlich nicht machen. Es könnte natürlich schwierig werden, denn Menschen, die bereits jahrelang Alkohol trinken, realisieren leider oft nicht, was sie sich und ihren Mitmenschen antun.

Jedenfalls würde ich an deiner Stelle auf gar keinen Fall mit deinen Sorgen alleine bleiben. Vertraue dir dich möglicherweise Freunden und deren Familien oder anderen Familienmitgliedern an und erkläre ihnen, warum es dir so wichtig ist, darüber zu sprechen und welche Beobachtungen du gemacht hast, vor allem wie es dir dabei geht.

Möglicherweise gibt es auch einen Vertrauenslehrer an deiner Schule oder Kollegen / Chef an deiner Arbeit, mit denen du darüber sprechen kannst und ihr möglicherweise eine gemeinsame Lösung finden könnt.

Eine Frage die sich für mich stellt, ist, inwieweit äußert sich denn die Aggressivität bei deinem Vater? Woran kannst du diese beoabachten?
Hierbei ist es dadurch, dass manche Menschen zur Aggression neigen, wenn sie Probleme haben, da sie leider oft nicht anders damit umgehen können, verständlich, wenn du zusätzlich noch Angst hast.

An deiner Stelle würde ich mir auf jeden Fall Unterstützung suchen und du darfst auf keinen Fall alleine bleiben. Möglicherweise hast du zu jemanden besonders viel Vertrauen und derjenige kann dir dabei helfen. Du kannst dich an Jugendberatungsstellen wenden und im schlimmsten Fall Unterstützung bei der Polizei oder beim Jugendamt suchen. Das ist anfangs natürlich schmerzhaft und traurig, jedoch ist es wichtig auf dich zu achten und hierbei ist es wichtig, dass du schnell aus dieser Situation heraus musst, denn das ist dir nicht zuzumuten.

Ich kann dir zusätzlich noch Links mitschicken, die du dir auch ansehen kannst, wenn du Lust und Zeit hast.
Hierbei gibt es Experten zum Thema Alkohol, die die Alkohlkonsumierenden als auch dessen Angehörige kompetent beraten und zur Seite stehen können.
www.selbsthilfe-alkohol.at
www.alkoholhilfe.at
www.a-connect.de
www.eltern-jugendberatung.com

Ich wünsche dir jedenfalls alles erdenklich Gute und hoffe für dich und deine Familie, dass es so ausgeht, wie ihr es euch wünscht bzw. erhofft. Vielleicht waren ja ein paar Denkanstöße für dich dabei.

Liebe Grüße,
Christina