Problem von Anonym - 19 Jahre

An Christina B.

http://mein-kummerkasten.de/328369/Habe-ich-richtig-gehandelt.html

Vielen, vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich war überwältigt, als ich sie gelesen habe.

Du hast es ganz gut mit deiner Zusammenfassung erkannt. Er hat mich um ein Treffen gebeten und ich habe schriftlich abgelehnt. Damit war aber auch klar, dass somit der Kontakt auch zu Ende ist, weil ohne weitere Treffen bringt das weitere Schreiben auch nichts. Er hat dann noch geantwortet, er finde es schade und sich dann kurz erklärt. Und daraufhin habe ich es halt ziemlich bereut.

Ich habe deine Nachricht leider etwas spät gesehen, da ich die letzten zwei Wochen besser damit umgehen konnte. Nun habe ich aber das letzte Wochenende wieder die halbe Zeit grübelnd verbracht und wieder festgestellt, wie falsch ich lag. Irgendwie war ich wohl zu fest auf mich fokussiert und wie sehr er mich verletzen könnte, anstelle einmal darüber nachzudenken, wie es ihm tatsächlich gehen könnte. Nachdem ich Nachrichten der letzten Monate noch einmal durchgelesen habe, ist mir aufgefallen, wie vieles ich wohl selbst hätte beinflussen können.
Ich danke dir vielmals für deinen Zuspruch. Wie gerne hätte ich ihm wieder geschrieben. Nach langem nachdenken, getraue ich mich jedoch noch immer nicht (du hast recht, ich grüble zu viel).
Ich habe mir auch überlegt, was ich davon halten würde, wäre es umgekehrt und ab jeder Nachricht, die ich angefangen und wieder verworfen habe, ist mir aufgefallen, dass ich selbst misstrauisch wäre und mich wohl auch nicht mehr darauf einlassen könnte. Ich habe es wohl gerade ziemlich vermasselt. Und nun fehlt mir einfach den Mut, mich selbst noch einmal zu melden. Meine schlimmste Befürchtung wäre, dass er es einfach so abhacken konnte, während ich selbst so traurig bin.

Mir fällt es so schwer auf andere zu zugehen. Ich wünschte mir, alles würde sich wieder von alleine regeln. Doch da ist wohl alle Hoffnung verloren. Du hast recht, es wird mir keine Ruhe lassen und bestimmt werden Wochen vergehen, bis ich nicht mehr ständig daran denken muss.

Auf alle Fälle vielen Dank noch einmal für deine Hilfe. Ich werde wohl selbst noch ziemlich an mir arbeiten müssen, auch wenn mir noch nicht klar ist, wie ich mir nicht immer alles selbst mit meinem Zerdenken vermasseln kann..

Christina B. Anwort von Christina B.

Liebe Anonyme!

Es freut mich sehr, dass ich dir mit meiner Antwort helfen konnte! Es ist sehr schön, zu hören, dass jemand das so zu schätzen weiß und ich kann dir nur sagen, ich habe es gern gemacht (:
Es macht gar nichts, dass du die Nachricht erst später gelesen hast und jetzt erst zum antworten gekommen bist. Ich freue mich immer, wenn überhaupt von Leuten Antworten kommen, auf die man dann nochmal besser eingehen kann (:

Gut, also er wollte sich treffen, du hast schriftlich abgelehnt, er hat dir gesagt, er fände es schade und du hast es daraufhin bereut. Einige Zeit ist es dir anscheinend recht gut gegangen damit, doch nun hast du wieder angefangen zu grübeln, dir die Nachrichten von damals durchgelesen und erkannt, dass du einiges beeinflussen hättest können und eigentlich auch zu sehr auf die "mögliche" Verletzung konzentriert warst anstatt es einfach zu tun. Jetzt denkst du aber wieder darüber nach und überlegst, ob und wie du ihm schreiben könntest. Nach einigem Hin und Her hast du es dann verworfen, weil du dir gedacht hast, dass du, wenn du in der umgekehrten Situation wärst, misstrauisch wärst und dich nicht mehr darauf einlassen könntest. Da bist du aber wieder nur von deiner eigenen Situation ausgegangen: DU würdest misstrauisch sein und könntest dich nicht mehr darauf einlassen. DU ganz persönlich, mit deiner ganz persönlichen inneren Landkarte, auf der deine Erfahrungen, Einstellungen, Werte, Eigenschaften usw. darauf sind - hättest das nicht mehr gewollt. Aber wer sagt denn, dass er genauso empfindet wie du? Er hat nämlich auch eine ganz persönliche innere Landkarte - mit SEINEN Erfahrungen, Einstellungen, Werten und Eigenschaften - und es kann sein, dass er über so etwas völlig anders denkt als du, weil er andere Erfahrungen gemacht hast. Du kannst nun mal nicht in ihn hineinschauen, aber du kannst auch nicht davon ausgehen, dass er genauso fühlt wie du. Es könnte auch sein, dass du dich bei ihm meldest und er sich darüber freut!

Du meinst, es fehlt dir der Mut, weil du es vermasselt hast und deine schlimmste Befürchtung die ist, dass er es abhaken konnte und du nicht. Wer sagt denn, dass er es einfach so abhaken konnte? Das weißt du doch auch nicht. Könnte doch genauso sein, dass er es ebenso noch nicht abgehakt hat oder vielleicht auch noch dabei ist, es zu verarbeiten. Dieses Thema aber einmal beiseite geschoben, würde ich dich gerne auf etwas hinweisen -
schau einmal genau hin, wovon du dich leiten lässt. Du gehst in die Angst ("Befürchtung") und weg von dem Mut. Du lässt dich von deiner Angst steuern und leiten. Dabei könntest du dich genauso gut vom Mut leiten lassen.

Was diese Situation jetzt betrifft, musst du natürlich deine eigene Entscheidung treffen. Sich nochmal bei ihm melden wegen einem Treffen oder das Ganze verwerfen? Ich kann mir vorstellen, dass du diese Situation jetzt am liebsten nur mehr abhaken und vergessen möchtest. Das ist auch verständlich und es wäre natürlich auch legitim, wenn du das jetzt so handhaben würdest. Ich kann mir auch vorstellen, dass du dir nach Ablehnung eines Treffens ein wenig komisch vorkommen würdest, ihn jetzt doch noch mal um ein Treffen zu bitten. Allerdings könnte deine Nachricht auch so aussehen "Hey (: du, ich hab nachgedacht - ich weiß, ich hab das Treffen neulich abgelehnt, wegen .... aber ich hab's mir überlegt und denke mir, dass wir vielleicht unseren Spaß haben könnten, weil wir uns doch gut verstehen, was meinst du?" Ganz zwanglos und locker - Es ist aber nur eine Überlegung von mir, entscheiden musst ohnehin du (:

Du hast geschrieben, dass es dir so schwer fällt, auf andere zuzugehen. Du bist eben ein introvertierter Mensch, und da kann ich mir gut vorstellen, dass es nicht so einfach ist, mit anderen Kontakt aufzunehmen. Es ist aber nicht schlecht, introvertiert zu sein (: Introvertierte Menschen sind nicht zwangsläufig "menschenscheu" oder "distanziert". Es kann doch auch einfach sein, dass sie, wenn sie mal nichts sagen, darüber nachdenken, was andere gesagt haben. Sie behalten ihre Gedanken lieber für sich. Sie müssen nicht ständig das Maul offen haben. Sie haben oft lieber bedeutsamere Beziehungen als oberflächliche und es braucht eben einige Zeit, bis man den anderen wirklich gut kennt und diese Zeit nehmen sie sich. In deiner ersten Nachricht hast du gleich am Anfang geschrieben, dass du introvertiert bist. Wie äußert sich das bei dir, würdest du sagen? Vielleicht magst du mir das in einer neuen Nachricht schreiben?
Wem es schwer fällt, auf andere zuzugehen, der tut sich leichter, wenn er jemanden im Schlepptau hat, dem dies leichter fällt, der einen integriert. Hast du vielleicht so eine Freundin? Es gibt außerdem immer die Möglichkeit, Leute übers Internet kennen zu lernen. Daraus können auch echte Freundschaften entstehen. Hier zum Beispiel eine Internetseite, die ich diesbezüglich weiterempfehlen kann: https://www.studenteninserate.at/kleinanzeigen/freunde-freizeitpartner

Wenn du diesbezüglich an dir arbeiten möchtest, und offener werden möchtest, könnte ich mir auch gut vorstellen, dass dir positive Affirmationen helfen könnten. Hast du davon schon mal gehört? Ich muss, um es zu erklären, zuerst von einer anderen Seite anfangen.
Wir alle haben durch diverse Erfahrungen gewisse Werte und sogenannte "Glaubenssätze" in uns verankert, die oftmals sehr stark unser Leben beeinflussen. Da gibt es typische von der Gesellschaft geformte wie "Ein Indianer kennt keinen Schmerz", "Buben dürfen nicht weinen", "Mädchen müssen immer lieb sein", "Eine Frau hat schön auszusehen" usw. und dann gibt es auch immer eigene, ganz familieninterne, typische wie "Wut ist tabu","Man spricht nicht über Gefühle" oder ähnliches. Diese Glaubenssätze müssen nicht immer ausgesprochen werden, oft werden sie in Familien unbewusst weitervermittelt. Da sie in der Kindheit oft tief verwurzelt werden, ist es als Erwachsener oft schwierig, sie aufzulösen. Nachdem ich mir deine Texte mehrmals durchgelesen habe, ist mir der Gedanke gekommen, dass du womöglich Glaubenssätze vermittelt bekommen hast wie "Fremden darf man nicht gleich vertrauen" oder "Ich muss immer auf jede Schwierigkeit gefasst sein." Kann es sein, dass in deiner Familie das Thema Fluktuation und Veränderung stark präsent war? Durch ständige Veränderung im Familiensystem, Auf und Abs können Kinder das Gefühl entwickeln, sie müssten auf jede Schwierigkeit vorbereitet sein, auf jeden Ernst oder Schlimmstfall, auf jede Konsequenz einer Handlung. Das sorgt zwar dafür, dass sie sehr genaue, konsequente und bewusste Menschen werden, die sich ihrer Handlungen und Entscheidungen sehr bewusst sind und immer zuvor alles abwägen und jede Möglichkeit im Kopf durchgehen - was natürlich alles sehr positiv ist, da dies Klarheit schafft und sie nicht unbesonnen und leichtfertig oder unüberlegt handeln, aber gleichzeitig auch Schwierigkeiten mit Spontanität haben und oft weniger auf ihre Intuition als mehr auf ihren Verstand zu hören. Das kann einen dann auch behindern - jede Eigenschaft hat ihr Für und Wieder. Könnte das bei dir der Fall gewesen sein? Oder aber es könnte sein, dass das Thema Kontrolle stark mitgegeben worden ist und du deshalb alles zerdenkst - um im Vorhinein ja zu wissen, was auf dich zukommen und passieren könnte. Kontrolle gibt Sicherheit - das ist in den meisten Fällen das Bedürfnis, das hinter einem solchen Verhalten wie Zerdenken steckt.
Um aber zurückzukommen auf das Thema - Positive Affirmationen können helfen, solche Glaubenssätze aufzulösen. Es ist eigentlich ein einfaches Prinzip - man nimmt sich den negativen Glaubenssatz her und ersetzt ihn durch einen positiven, jetzt erst kommt der kniffligere Teil. Diesen Satz muss man sich dann wie ein Mantra ständig vorsagen - durch ständige Wiederholung gelangt er ins Unterbewusstsein und kann somit den alten "ersetzen". Vielleicht würden dir Sätze helfen wie "Ich vertraue darauf, dass stets alles zu meinem Besten geschieht." oder "Ich weiß, dass ich immer die für mich richtige Entscheidung treffe." oder aber "Ich bin sicher und geborgen." "Ich bin mutig und handle danach." "Es fällt mir immer leichter, auf andere zuzugehen." Wichtig ist, dass diese Sätze keine negativen Wörter wie "nicht" oder "nein" oder "-los" wie z.B.: "sorglos" enthalten, denn damit wäre wieder die Negativität drin.
Es hilft besonders, sich die Sätze auf Zettel in der Wohnung zu verteilen - auf den Spiegel zu schreiben, sodass man immer wieder daran erinnert wird, ihn sich vorzusagen.
Vielleicht magst du sowas ja mal ausprobieren (:

Puh, wieder ein sehr langer Text.
Ich hoffe, dass ich dir auch diesmal wieder weiterhelfen konnte und würde mich freuen, wenn meine Ideen und Hypothesen vielleicht auch diesmal zutreffen könnten. Falls dem nicht so ist, würde ich dich bitten, mir deine Ideen dazu genauer zu erläutern. Ich freue mich auf deine Antwort (:
Alles Liebe wünsche ich dir und herzliche Grüße,
Christina B.