Problem von Anonym - 20 Jahre

Beziehung oder Freundschaft?

Hallo,
mein Problem gestaltet sich so:
Ich bin seit kurzem (2 Monaten) in einer Beziehung. Es ging alles sehr sehr schnell zwischen meinen Freund und mir. Mein Problem ist nur, dass sich die Beziehung nicht anfühlt wie eine, sondern eigentlich nur wie eine Freundschaft Plus.
Bei uns hat sich das so ergeben, dass wir per Zufall miteinander über Whats App in Kontakt gekommen sind, ich hatte Anfangs kein Interesse und mir nichts dabei gedacht mit ihm zu schreiben, obwohl ich ihn garnicht kannte. Er hatte mich dann immer wieder angeschrieben. Nach zwei, drei Monaten Kontakt (nicht übermäßig und täglich!) Hatte er schließlich gefragt, ob wir uns nicht treffen wollen. Ich habe zugestimmt und war auch sehr aufgeregt. Bei unserem ersten Date war alles so schön, bei einem Spaziergang hat er mich dann geküsst. Bei weiteren Treffen sind wir uns dann näher gekommen, eigentlich nur körperlich und nicht emotional, durch Gespräche etc. und er sagte mir nach einer Woche dann, das er mich liebt. Ich war wirklich sehr überrascht. Er wollte mich schnell seinen Freunden vorstellen, nahm mich mit in seine Heimat und dort lernte ich dann seine Familie und Freunde kennen, aber wurde nicht als Freundin vorgestellt. Das nach Max. zwei Wochen nach unserem ersten Treffen. Wir haben es dann "ernst" gemacht, nachdem ein Freund von ihm uns darauf ansprach. Seit dem entwickelte sich die Beziehung emotional nicht weiter, wenn wir uns treffen machen wir nichts außer Bett+Tv/Musik , obwohl ich andere Sachen vorschlage.. Moment zweifel ich sehr an der "Beziehung", da ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe.. vielleicht ist es aber Verzweiflung, dass ich bis jetzt niemanden gefunden habe, zu hohe Ansprüche etc..
Unsere Beziehung ähnelt in meinen Augen mehr einer Freundschaft Plus als allem anderen..
Man sollte doch gerade in den ersten Wochen/Monaten total verliebt sein oder? Klar, er sagt auch, dass er mich liebt, aber zeigen tut er es mir nicht und es zu erwidern fällt mir auch sehr sehr schwer. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass er es wirklich so ernst meint, dass er mich wirklich liebt, weil er wie schon gesagt es kaum zeigt.
Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn ich versuche darüber zu reden klappt es aus welchen Gründen auch immer nicht.. tiefgründige Gespräche sind generell schwierig und gerade das ist mir wichtig.
Aber wenn es doch nicht der Richtige ist, warum fällt es mir dann so schwer loszulassen? Ich denke mir auch, naja vielleicht wird es noch besser, wir müssen uns kennen lernen, aber ich weiß nicht, ob ich mich da nicht selbst belüge.
Eigentlich wollte ich garnicht mit ihm in die Heimat fahren, aber meine Eltern meinten ich soll mich mal trauen, nur so könnte ich auch mal etwas Ernsthaftes finden.
Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll.. mit ihm reden klar! Muss ja irgendwie! Aber ich bin mir so unsicher mit mir selbst. Was wäre das Richtige?

Christina B. Anwort von Christina B.

Hallo liebe Anonyme!
Danke, dass du dich mit deinen Sorgen und Problemen an uns gewandt hast.
Ich kann gut verstehen, dass dich diese Situation sehr belastet. Eigentlich hast du einen Freund und eigentlich solltest du glücklich sein, Schmetterlinge im Bauch haben und das Leben einfach nur als wunderbar betrachten - doch das hast du alles nicht und du verstehst nicht warum, weil dein Freund doch eigentlich ein ganz lieber ist.

Du hast schon recht mit deinen Überlegungen, gerade am Anfang sollte man doch eigentlich total verliebt sein. Ich kann mir schon vorstellen, dass das bei euch mehr in die Richtung Freundschaft Plus gerutscht ist, weil ihr es eigentlich sehr rasch angegangen seid und nach kurzem Kennenlernen schon ein Paar geworden seid. Auch dass er dich gleich seiner Familie in der Heimat vorgestellt hat, kommt, finde ich, sehr schnell und ich finde ehrlich gesagt, dass man nach so kurzer Zeit (2 Monaten) Beziehung noch lange nicht von Liebe sprechen kann. Daher finde ich es eigentlich recht merkwürdig, dass dein Freund dir sagt, dass er dich liebt und von deiner Seite völlig verständlich, dass du dir sehr schwer damit tust, diese Worte zu erwidern. Mir ist auch in den Sinn gekommen, dass es womöglich seine erste Beziehung ist und er deshalb schon so früh "Ich liebe dich" gesagt hat, weil er es bisher noch nie erlebt hat und nur so aus "Film und Medien" kennt? Zwischen Liebe und Verliebt-Sein besteht ein himmelweiter Unterschied. Wenn man sich verliebt, dann ist alles aufregend, es kribbelt im Bauch und überall im Körper, wenn man nur an den anderen denkt, man schwärmt total vom anderen, will ständig und so oft wie möglich beim anderen sein, und man kann sich oft auf gar nichts konzentrieren, weil man so verliebt ist. Das ist eher ein schwärmerisches und in den Himmel gehobenes Gefühl - man fühlt sich eben wie auf Wolke 7, oder wie ich es gerne scherzhaft nenne, man befindet sich im 16-Jahre-Girly-Modus ;) Die berühmte rosarote Brille trägt man normalerweise einige Wochen bis Monate, meist ein halbes Jahr und dann kehrt Normalität in der Beziehung ein, sie wird zum Alltag. Aus der rosaroten Brille heraus wächst die Liebe und meistens kann man erst nach fünf, sechs oder sieben Monaten wirklich von Herzen sagen, dass man den anderen liebt. Und es auch so meinen.

Anscheinend versteht ihr euch gut und harmoniert ganz gut auf körperlicher Ebene, doch du erzählst, dass tiefgründigere Gespräche nicht möglich sind, welche dir aber in einer Beziehung unheimlich wichtig sind. Ihr scheint auch wenige Gemeinsamkeiten zu haben, wenn ihr immer nur im Bett liegt und der TV läuft. Klar kann es wunderschön sein, mit dem Partner viele Stunden zu zweit gemütlich im Bett bei tollen Filmen oder Serien zu verbringen, aber es sollte nicht das Hauptthema in der Beziehung sein. Habt ihr sonst Gemeinsamkeiten? Dieselbe Musik oder Sport? Unternehmt ihr etwas?

Ich finde, deine Eltern haben mit dem Ausspruch "Man sollte sich mal was trauen." durchaus recht - so prinzipiell ist es oft gut, ins kalte Wasser zu springen und nicht zu lang über etwas nachzudenken - allerdings geht es in deinem Fall um etwas anderes. Es bringt nichts, sich etwas zu "trauen" und sich selbst zu etwas zu "zwingen", damit eine ernsthafte Beziehung entstehen kann. Wenn keine Gefühle (oder eben nur schwach) da sind, dann hat eine solche Beziehung auch keinen Sinn. Ich könnte verstehen, wenn du jetzt sehr enttäuscht bist, wenn du das liest, aber ich glaube, tief in deinem Inneren kennst du die Antwort ja selbst. Dein Gespür, deine Intuition, dein Gefühl sagt dir, dass da was nicht stimmt, dass sich das nicht richtig anfühlt und du zweifelst daran. Nur dein Verstand spricht dagegen und meint, dass er doch zu dir sagt, dass er dich liebt, dass ihr vielleicht noch mehr Zeit zum kennen lernen braucht usw. - aber die Intuition hat immer recht. Kennst du das Gefühl, wenn man auf den Verstand hört anstatt auf die Intuition und sich später denkt "Ich hab's gleich gewusst."? Außerdem - Zeit zum ersten kennen lernen hattet ihr und wenn ihr eigentlich nicht mal richtig verliebt seid, wie soll daraus Liebe wachsen und entstehen?

Du hast gefragt, warum es dir, wenn es das richtige ist, das Ganze zu beenden, so schwer fällt, ihn loszulassen. Dazu sind mir mehrere Ideen gekommen. Könnte es sein, dass das deine erste Beziehung ist? Es hat mich doch stutzig gemacht, dass du geschrieben hast, deine Eltern hätten dir gesagt, nur so könntest du "auch mal etwas Ernsthaftes finden". Wenn dem so ist, dann ist es klar, dass du trotz allem Gefallen daran gefunden hast, jemanden zu haben, der sich um einen kümmert und liebevoll mit einem umgeht. Wenn dem nicht so ist, ist es trotzdem klar, dass du nicht so einfach loslassen willst - du hast dich an ihn und seine Gesellschaft gewöhnt und eigentlich magst du ihn ja auch ganz gern, es hat ja auch viele Vorteile: er kümmert sich, ist da, ihr verbringt schöne Zeit miteinander, vielleicht auch toller Sex usw. Aber im Endeffekt weißt du, dass eine solche Beziehung nirgendwohin führt. Es gibt Leute, die sich mit solchen Beziehungen durchaus wohl fühlen. Sie sehen den anderen dann mehr als Zeitvertreib denn als Partner und es geht ihnen gut dabei. Aber ich glaube nicht, dass du zu diesen Menschen gehörst.

Mein Rat ist: Hör auf deine Intuition. Was sagt sie dir? Willst du wirklich noch mit ihm zusammen sein? Wäre es nicht besser, sich zu trennen, damit sowohl du als auch er jemanden finden könnt, der wirklich zu euch passt und den du auch wirklich liebst? Ich fände es schade, wenn du diese fundamentale Erfahrung des Lebens einfach aus Angst vor der Veränderung vielleicht nicht erlebst. Du verdienst jemanden, mit dem du auf einer Wellenlänge bist, der dir Schmetterlinge in den Bauch treibt und wo du ganz du selbst sein kannst. Jemanden, mit dem du lachen und weinen kannst, reden bis in die Nacht und mehr. Jemanden, der einfach passt. Diesen Jemand könntest du finden - aber nur, wenn du ungebunden bist.

Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen.
Wenn du noch Fragen hast oder mir noch etwas erzählen willst, oder noch auf meinen Text eingehen willst, kannst du mich gerne erneut kontaktieren. Richte dazu einfach am Anfang deines Textes deine Nachricht "An Christina B.", dann wird mich deine Nachricht erreichen (:
Alles Liebe und herzliche Grüße,
Christina B.