Problem von Kasia - 22 Jahre

An Christina B.: http://mein-kummerkasten.de/328497/Sackgasse-in-der-Liebe.html

Liebe Christina B.,

ich möchte mich bei dir für deine ausführliche Antwort bedanken und dass du dir die Zeit dafür genommen hast :) Meine Antwort kommt jetzt leider etwas später, weil Ende Juli auch immer Klausurenzeit ist.
Ich habe in der ersten Woche nach deiner Antwort tatsächlich mehr geweint als in den 3 Monaten zusammen und ich denke du hast Recht, dass ich vieles aufgeschoben habe und mich mit der Hoffnung aufrecht gehalten habe. Auf der anderen Seite war es so, dass ich nach der Trennung einfach keine Tränen mehr hatte, weil ich während der Beziehung schon viel zu lange litt wegen der Fernbeziehung und weil er für mein Empfinden viel zu wenig Zeit für mich hatte und der allermeiste Kontakt die letzten Monate nur von mir aus ging. Ich hatte dabei oft an mich gehalten, das weiter auszuhalten, weil ich ihn wirklich sehr geliebt habe und mir immer wieder selber vor Augen führte, dass es im Moment eben nicht anders geht. So ist es auch jetzt: Vor ein paar Wochen als wir über unsere Freundschaft sprachen, meinte er, er würde mir ja schreiben, aber er denkt aktuell einfach nicht an mich. Das hat mich natürlich verletzt, weil ich nicht verstehen kann, dass ich auf einmal völlig egal geworden bin. Nach der Trennung lag ich tagelang traurig in meinem Bett und habe nachgedacht und gelesen, nur weinen konnte ich kaum. Und ich denke du hast Recht, dass ich ihn immer noch liebe.

Das mit der Hoffnung ist so eine Sache. Ich glaube, ich habe gar keine Hoffnung, dass er zu mir zurückkommt. Das Problem ist eher, dass ich ein sehr viel grübelnder Mensch bin und Angst vor einer mehr oder weniger Fiktion in meinem Kopf habe. Am besten beschreibe ich die Fiktion mal: In meinem Kopf besteht immer noch die Möglichkeit, dass sich Menschen, also er und ich, ändern können und wir in ein paar Monaten oder Jahren ähnliche/ gleiche Weltansichten haben. Dann wäre er nicht nur derjenige, den ich liebe, sondern wir würden auch zusammenpassen und mein Traum wäre erfüllt. Die Frage ist nur, wie stark sich ein Mensch tatsächlich verändern kann im Leben und wie wahrscheinlich das ist. Oder manchmal komme ich einfach nicht los von dem Gedankenspiel, dass er wieder mit mir zusammensein will, wenn ich einen neuen Freund habe und wie ich die Kraft aufbringen sollte, ihn dann abzuweisen.
Genau dieser Knoten in meinem Kopf hindert mich daran, ihn loszulassen und mich auf anderes einzulassen.

Du hast gemeint, ich kann mich erneut melden, wenn ich auf die Fragen eingehen möchte, die an mich gerichtet waren. Ich denke, mein Bild von Beziehungen und Sexualität ist etwas falsch rübergekommen. Nein, ich habe nicht verlangt, dass unsere Beziehung für die Ewigkeit sein muss und ich denke auch nicht, dass er diesen Eindruck hatte. Nur dass es mir sehr ernst damit ist, das hat er ziemlich sicher gespürt. Eine Beziehung für die Ewigkeit ist so eine Idealvorstellung, aber ich denke auch, dass manchmal Dinge passieren, nach denen eine Beziehung/ Ehe vielleicht nicht mehr weitergehen kann. Und nein, ich möchte nicht erst heiraten, bevor ich mit demjenigen Mann schlafen würde. Eine Ehe erhöht für mich den Verbindlichkeitscharakter der Beziehung und die Hochzeit ist ein Ritual und Fest dazu. Aber ich denke, es kommt mehr darauf an, was dahintersteckt und dass man sich die Versprechen dazu auch an einem an einem anderen Ort als dem Standesamt oder vor dem Altar geben kann.
Ich möchte einfach sicher sein, dass er mich genauso liebt wie ich ihn und wir uns beide in gleichem Maße um die Beziehung bemühen und unser Leben teilen wollen. Einen bestimmten Zeitraum, bis das Vertrauen da ist, habe ich nicht vor Augen, vielleicht mehrere Monate oder 1 Jahr.

„Denn du hast dann geschrieben, dass er dir beim Trennungsgespräch erklärte, er würde erst mit einem Mädchen eine Beziehung eingehen, nachdem er mit ihr geschlafen hat, was ich, wenn es um eine Beziehung für die Ewigkeit gehen soll, auch verstehen kann.“
Ist es denn wirklich so komisch, dass ich erst wissen möchte, woran ich bin, bevor ich mit einem Mann schlafen möchte? Ich kann das einfach nicht über mich bringen, mich fallen zu lassen, wenn ich gleichzeitig ständig im Hinterkopf habe, dass das Ganze eine Art Bewährungsprobe oder ein „Einstellungstest“ ist. Kann man so wie ich denke heutzutage wirklich keinen Partner mehr finden?
Ist es nicht normal, dass man zuerst ein Paar wird, auch öffentlich und dann nach gewisser Zeit eben miteinanderschläft? So kenne ich das von vielen meiner Freundinnen oder meinem Bruder, aber dann muss es ausgerechnet bei mir so seltsam anders sein…

Danke für eine Antwort & liebe Grüße,
Kasia

Christina B. Anwort von Christina B.

Liebe Kasia!
Entschuldige bitte, dass meine Antwort so spät kommt, doch bei mir gab es einen Todesfall in der Familie, wodurch ich mit der Arbeit im Kuka Team etwas kürzertreten musste. Es freut mich aber, dass du meine Antwort so zu schätzen weißt und dich nochmal gemeldet hast (:

Ich kann gut verstehen, dass die Zeit für dich nach diesen Ereignissen turbulent und tränenreich war. Aber das ist gut, denn Tränen sind der Fluss des Lebens und wenn sie raus dürfen, dann löst sich auch ein Teil des Schmerzes mit ihnen. Auf der anderen Seite hast du eben geschrieben, dass du während der Beziehung aufgrund der Entfernung schon so lange gelitten hast, sodass vieles von dem Schmerz schon währenddessen verarbeitet worden war. Auch wenn das furchtbar ist, dass er dir diese Dinge gesagt hat ("er denkt aktuell einfach nicht an mich" hast du geschrieben), so ist es auch gut, weil du jetzt siehst, woran du bei ihm bist. Er scheint offenbar mit seinem Leben weiter zu machen.

Hm, das mit deiner beschriebenen Fiktion und der Möglichkeit kann ich verstehen - aber ich habe den Eindruck, das ist nur eine andere Beschreibung von Hoffnung. Vielleicht gefällt dir dieses Wort nicht, weil es zu standardmäßig ist oder du es einfach nicht magst - das ist okay - doch prinzipiell stellst du dir auch vor, dass ihr irgendwann ähnliche Weltansichten habt und dann dein Traum erfüllt wäre, weil ihr perfekt zusammenpassen würdet. Du stellst hinterher aber gleich die entscheidende Frage, wie stark das tatsächlich möglich ist bei einem Menschen und auch, wie wahrscheinlich es ist. Und damit, finde ich, triffst du den Nagel auf den Kopf. Natürlich ist es möglich, dass Menschen sich ändern, doch meist nicht um 180 Grad. So eine drastische Veränderung kann manchmal passieren, aber meist nur, wenn der oder die Betroffene ein traumatisches Erlebnis hatte, das ihn oder sie prägt und dann in die völlig entgegengesetzte Richtung schleudert. Aber sehr häufig kommt auch das nicht vor. Wie glaubst du, können sich Weltansichten ändern? Was muss dafür passieren? Muss nur er sich ändern? Musst du dich auch ändern? Wie könnte das deiner Meinung nach geschehen?

Ich persönlich glaube nämlich, dass es weniger wahrscheinlich ist, dass ihr beide euch ändert - denn es geht bei eurer speziellen Veränderung nicht darum, dass er die Kaffeetasse immer am Tisch stehen lässt - es geht um tiefsitzende Einstellungen und Wertehaltungen. Wie schon in meiner vorigen Nachricht beschrieben, gibt es Wertekonflikte und das sind Konflikte, die nicht gelöst werden können - weil die Meinungen immer unterschiedlich bleiben werden, weil die Werte so tief verankert und verwurzelt sind, dass eine Veränderung bedeuten würde, die eigene Welt komplett auf den Kopf zu stellen und alles zu verwerfen, woran man je festgehalten/geglaubt hat. Und das würde das eigene Weltbild komplett durcheinander werfen, was wiederum bedeutet, dass Sicherheit fehlt - und in der Regel ist kaum ein Mensch dazu bereit, das aufzugeben. Es ist nämlich psychologisch gesehen oft gar nicht möglich, wenn es nicht freiwillig passiert und wenn es freiwillig passiert, gehört unheimlich viel Mut, Stärke, Wille und Durchhaltevermögen dazu. Ich hoffe, ich konnte mich verständlich ausdrücken und du weißt ungefähr, was ich meine. Was dein Gedankenspiel betrifft - "Oder manchmal komme ich einfach nicht los von dem Gedankenspiel, dass er wieder mit mir zusammensein will, wenn ich einen neuen Freund habe und wie ich die Kraft aufbringen sollte, ihn dann abzuweisen." Ich weiß, meine Worte mögen jetzt hart sein, aber wie kommst du überhaupt zu der Annahme, er würde wieder mit dir zusammen sein wollen, wenn du erstmal einen neuen Freund hast? Macht er dir Andeutungen, dass er dich noch will? Oder dass er eifersüchtig ist? Ich habe das Gefühl, dass nur du selbst dir dieses Gedankenspiel in deinem Kopf durchgehst, weil es damit die Vorstellung, dass ihr irgendwann doch noch ein Paar werden könntet, aufrecht erhält. Aber es wird immer nur das bleiben - ein Gedankenspiel und keine Realität. Ich habe das Gefühl, dass du aber unbedingt wissen willst/musst, ob es noch etwas mit euch werden könnte, bevor du ihn komplett los lässt und dich auf eine neue Beziehung einlassen kannst. Aber: So wie er jetzt ist, bzw. so wie ihr als Paar zusammen wart, willst du ihn ja jetzt nicht wieder zurück, oder? Du kannst aber nicht Jahre deines Lebens verschwenden, nur weil du denkst, dass er sich irgendwann ändern könnte und dann zu dir zurück kommt! Das wäre doch sehr schade darum.
Vielleicht herrschen in deinem Kopf alte Muster, die dich daran hindern, ihn loszulassen, z.B.: alte Glaubenssätze oder ähnliches. Solche Muster kann man gut mit einem Psychologen oder Psychotherapeuten auflösen, falls du da Interesse daran hast. Online ist so etwas leider schwierig, weil wir uns einander nicht gegenüber sitzen.

Jetzt, da du mir dein Bild detaillierter beschrieben hast, habe ich eine bessere Vorstellung davon, was du meinst,, danke dafür! Ich kann jetzt verstehen, dass es dir nicht um die Ewigkeit geht, sondern einfach darum, dass du dir sicher sein möchtest, dass ihr dasselbe füreinander empfindet, bevor du eine intime Beziehung mit einem Mann eingehst. Da bin ich natürlich voll bei dir - das ist gut so, dass du das so handhabst und auch vollkommen verständlich. Ich hatte eher im Kopf, dass du erst nach Trauung und Hochzeit nach mehreren Jahren des Zusammenseins mit einem Mann schlafen wollen würdest - und das kam mir ein bisschen lang vor, doch da hast du mich ja jetzt aufgeklärt, dass das bei dir so nicht der Fall ist. Um auf deine Fragen zu antworten: Nein, es ist absolut nicht komisch, dass du erst wissen möchtest, woran du bist, bevor du dich einem Mann hingibst - es ist normal und gut so. Wie meinst du das mit einer Art "Bewährungsprobe" oder einem "Einstellungstest"? Kann es sein, dass du meinst, dass der Sex eine Art "Test" ist? Wenn ja, könntest du mir das noch genauer erklären/beschreiben? Ich glaube nicht, dass es so schwierig ist, heutzutage einen Partner zu finden, der es ernst meint. Ich bin auch absolut bei dir, wenn du sagst, du möchtest zuerst mit einem Mann fix zusammen sein, bevor du mit ihm schläfst. Aber ich glaube dennoch, dass die meisten Männer im Kopf die Vorstellung haben, nach drei/vier/fünf Monaten zum ersten Mal mit der Freundin zu schlafen. Du hast geschrieben, du würdest erst intim werden wollen, wenn das Vertrauen, die Liebe und dieselben Absichten da sind, und da läge der Zeitraum zwischen mehreren Monaten oder einem Jahr. Mehrere Monate sind wahrscheinlich normal für die meisten Männer, vor allem wenn es bei der Frau, also bei dir, um dein erstes Mal geht. Ein Jahr auf den Sex zu warten - das ist bestimmt für viele Männer in der heutigen Zeit eine Herausforderung und in der Realität werden wahrscheinlich eher wenige dazu bereit sein, ein Jahr lang zu warten. Mehrere Monate hingegen bei einer Jungfrau - das könnte ich mir gut vorstellen, dass da viele bereit sind, zu warten. Es geht dir aber eben nicht um einen fixen Zeitraum, sondern um das Gefühl der Sicherheit, Liebe und der festen Bindung - wenn das aber nach einem Jahr nicht da ist, dann würde ich diese Beziehung an deiner Stelle aber gar nicht weiter führen - denn wozu, wenn ihr nicht dieselben Absichten habt und er es vielleicht nicht ernst meint? Ich glaube, wenn du jemanden findest, der es ernst mit dir meint, dass du dafür nicht erst ein Jahr abwarten musst, wenn es wirklich tiefe Liebe ist, dann spürst du das vorher.

Sexualität gehört zu einer Beziehung nun mal auch dazu und das ist auch etwas gutes! Im Christentum wird Sexualität durch die Kirche oft als "schmutzig" und "böse" und als "Sünde" dargestellt, doch das ist sie nicht. Ich bin selbst gläubig, aber ich glaube nicht, dass Gott uns das Geschenk der Sexualität gemacht hat, um es als Probe für uns Menschen zu stellen, um zu sehen, wer ein "guter Christ" und wer ein "schlechter Christ" ist und es als Sünde zu deklarieren. Wie siehst du die Sexualität?
Aber: Wenn es dir so unglaublich wichtig ist, wirklich z.B.: ein Jahr zu warten, dann würde ich mich diesbezüglich an deiner Stelle auch nicht für einen Mann verbiegen. Denn dann ist es dein Entschluss, deine Einstellung, und die ist gut so, wie sie ist. Sie mag dann manchen Männern vielleicht altmodisch vorkommen, aber wenn es für dich so wichtig ist, dann solltest du hierbei auch keinen Kompromiss eingehen. Wenn es dann für deinen zukünftigen Freund ein Bedürfnis ist, Sexualität mit dir zu erfahren, du aber noch warten möchtest und er bereit ist, auf dich zu warten, dann siehst du gleich, dass du hier in einer ernsten und vertrauenswürdigen Beziehung bist! Es gibt hier kein "richtig" und "falsch", es ist gut so, wie es für jeden einzelnen gut ist.

Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen.
Wenn du mir noch was erklären möchtest, oder noch etwas hinzufügen oder fragen möchtest, kannst du mich gerne erneut kontaktieren - du weißt ja jetzt, wie es geht (:
Ich würde mich freuen, wieder von dir zu hören!
Alles Liebe und herzliche Grüße,
Christina B.