Problem von lukas - 27 Jahre

Unfähig ein "normales" Arbeitsleben zu führen

Hi liebes KuKa Team,

zunächst möchte ich einmal sagen, dass ihr einen super Job macht und klasse Ratschläge erteilt. Macht weiter so ;) Viele Menschen zählen auf euch.

Nun möchte ich auch mal wieder euren Rat einholen. Also die Sache ist die: Ich habe im März mein Studium der Wirtschaftswissensschaften mit dem Master abgeschlossen und befinde mich seit dem auf Jobsuche. Ich habe bis jetzt leider noch nichts gefunden. Aber das ist nicht wirklich der Grund warum ich euch schreibe. Der Grund ist folgender: Ich glaube einfach dass ein "normales" Arbeitsleben nichts für mich ist. Ich habe in den letzten 3 Tagen in einer Firma zur Probe gearbeitet. UND: Ich habe es gehasst. Jeden Tag um kurz nach 6 das Hause verlassen, mit Bus und Bahn zur Arbeit pendeln, bis 16:45 langweiliges arbeiten, dann wieder zurück fahren und um kurz nach 18 Uhr bin ich dann wieder zu hause. Das kann es doch nicht sein. So soll mein Leben nicht verlaufen. Wenn das das Arbeitsleben ist dann habe ich ja fast keine Zeit mehr für irgendetwas anderes: Ich kann mir keine Freundin suchen und eine Beziehung führen ( so wie ich sie mal hatte ) , ich kann viel weniger Sport machen als ich es gerne würde, ich habe keine Zeit mich sozial zu engagieren ( was ich bisher immer gerne gemacht habe ), ich habe weniger Zeit für die Familie und ich bin Abends immer kaputt. Versteht mich nicht falsch: Ich war in der Vergangenheit nicht faul: Ich habe Abi gemacht, habe einen Bachelor und einen Master, 2 Praktika und eine Reihe von Nebenjobs gemacht. Aber irgendwie war das etwas anderes. Bei allem was ich bis jetzt gemacht habe wusste ich, dass es nur temporär ist. Ich wusste zum Beispiel, dass ich mich 3 Jahre durchbeißen muss bis zum Bachelor und nochmal 2 zum Master und die Nebenjobs waren auch immer nur für eine gewisse Zeit ( zum Beispiel für die Semesterferien oder während der Wochenenden ) und ich hatte trotz der "Doppelbelastung" immer noch extrem viel Zeit für Hobbies, Engangement, Freunde und Familie und für mich. Gut, ich hatte zwar extrem wenig Geld aber mir ging es viel besser als es mir mit einem festen 40 Stunden Job je gehen wird. Ich finde es schrecklich keine Zeit mehr zu haben, abends kaputt zu sein und zu wissen, dass morgen "die Musik von vorne los geht", man ist nie "fertig", es gibt kein "Ziel" , ich kann gar nicht mehr abschalten weil ich weiß dass ich morgen wieder zur Arbeit muss und ich weiß: Egal welchen Job ich mache, egal wie lange ich bei einer Firma bin und egal wieviel ich verdiene: Dieses Gefühl wird bleiben. Das ist schrecklich. Ich weiß gar nicht wie das alle anderen Menschen schaffen.

Viele kommen mit dem Argument: "Wenn du nicht arbeitest dann bekommst du auch kein Geld" aber ganz ehrlich: Ich bin Minimalist und nahezu anspruchslos. Geld ist mir ( fast) egal: Ich wäre langfristig mit einer kleinen 1 bis 2 -Zimmer Wohnung irgendwo in einem sozialen Brennpunkt zufrieden, vielleicht in einer WG so wie es während des Studiums war. Dann brauche ich noch ein bisschen Essen ( nottfalls geh ich containern) und hier und da mal Geld für Sportklamotten ( Lauf- oder Fußballschuhe, Fahrradreperaturen etc. ) . Ließe sich all das nicht auch mit einem Halbtagsjob finanzieren ?

Vielleicht mag das bei dem ein oder anderen auf Unverständnis stoßen aber ich möchte mein Leben nicht "auf der Jagd nach dem Geld verschwenden" , ich möchte nicht mit Kollegen zusammenarbeiten die nur freundlich zu mir sind weil wir eben im gleichen Unternehemen arbeiten und ich möchte nicht jeden Tag früh aufstehen und abends platt nach hause kommen.

Könnt ihr das verstehen ? Mein Umfeld versteht mich nämlich absolut nicht.

und viel wichtiger: Was soll ich jetzt tun ? Ich möchte ja kein "Sozialschmarotzer" sein, ich bin auch bereit zu arbeiten aber eben nicht 40 Stunden + pendel in der Woche.

Anna Anwort von Anna

Lieber Lukas,

vielen Dank für deine Nachricht. Ich möchte ehrlich mit dir sein - und sage deswegen: Willkommen im Club. Es gibt bestimmt sehr viele Menschen, die eine ähnliche Denkweise haben. Ich selbst musste auch bei der einen oder anderen Text-Passage schmunzeln und nicken. Wenn man in einer Phase des Lebens ist,die zu einer bestimmten Zeit abgeschlossen ist (Bachelor, Schule, Studium etc.), tut man sich sicherlich leichter. Ich selbst war auch über den Gedanken erschrocken, dass ich nun noch mehr als 30 Jahre in meiner "Job-Lebensphase" sein werde.

Ich kann dich somit ganz gut verstehen. Allerdings sehe ich dich als mutigen Menschen. Du hast nicht nur den Mut mit dem Gedanken zu spielen, dich entgegen der "gesellschaftlichen Norm" zu entscheiden, sondern würdest auch die damit verbundenen Konsequenzen akzeptieren - also weniger Geld verdienen etc. Das könnte ich persönlich nicht. Dafür arbeite ich auch Vollzeit. :-)

Natürlich wäre es toll, wenn man mehr Zeit für seine Freizeitgestaltung haben könnte. Ich persönlich habe das Glück, dass ich richtig gerne in die Arbeit gehe (auch wenn´s mal nicht so läuft). Einfach aus dem Grund, weil ich echt gerne das mache - was ich mache. Das war aber nicht von Anfang an so, ich bin seit 13 Jahren im "Berufsleben" und seit bald 6 Jahren in der aktuellen Firma und glaub mir die 6 Jahre waren nicht einfach.

Was ich dir versuche mitzugeben ist eine positive Sichtweise auf das vor dir liegende. Du hast dich bei so vielem schon durchgebissen, Abi, Studium, Master,Triathlon, Nebenjobs. Ich kann dabei vollkommen verstehen, dass man irgendwann aus diesem Hamster-Rad aussteigen möchte.
Keiner zwingt dich einen Job zu machen - der deinem Studium entspricht oder ähnliches. Was macht dir Spaß? Wo ist deine Leidenschaft? Wenn du morgen ein Leben führen könntest, wie du es dir wünschst, wie wäre es? Und wenn du am Ende halbtags irgendwo etwas machst, Hauptsache es macht dir Spaß und die Umstände machen dich glücklich.

Wenn man etwas mehr Geld verdienen möchte - muss man auch mehr Leistung, Freizeit etc. mit hineinbringen. Aber da du auf so etwas nicht aus bist, hast du alle Möglichkeiten der Welt.

Frage dich was dich glücklich macht, mit welchen Dingen möchtest du dich beschäftigen und welcher Beruf gibt so etwas her?

Viele Grüße
Anna