Problem von L - 20 Jahre

Selbstzerstörerisch herbeigeführte einsamkeit

Hallo,

eigentlich mache ich so Kummerkastenzeug nicht. ich rede generell so gut wie nie über probleme und habe mir angewöhnt mich dauernd mit leuten zu umgeben die mir nicht wirklich helfen oder zuhören (wollen) und auch sonst nicht zu mir passen.

Ich habe das problem dass ich jetzt ja studiere, Medizin, und dass ich es immer wieder schaffe selbst jede tiefere freundschaft zu zerstören. Meistens wegen dummen kommentaren und einer rücksichtslosen art (die ich eigentlich nur als schutz aufsetze). angefangen hat dieses dümmliche verhalten glaube ich damit, als mein aller bester kumpel mich nach ca. 12 jahren freundschaft während derer ich quasi wie ein zusätzliches kind bei dieser familie war, abgesägt hat. Pubertät schätze ich? Auf jeden fall haben wir uns mehrfach extrem heftig gestritten und enorm gelitten und das ohne jeden grund. Ich glaube ich habe ihm auch ein paar mal sehr verletzt und auch die freundschaft gekündigt und das war endgültig für ihn. Ich habe es jahre später sogar immer wieder versucht selbst mit 17/18 jahren, aber wir sagen uns nicht mal hallo.

dazu kommt dass mein vater eine bipolare störung hat. darüber habe ich noch nie wirklich geredet wie ich mich damit fühle. Mit niemandem, nicht mal meiner mutter.

Zu beginn meines studiums hat noch dazu meine ex (2,5 jahre beziehung) mit mir schluss gemacht und das über skype ... und zwar absolut verdient, weil ich mich wie das allerletzte verhalten habe zum Ende hin - wieder ohne jeden grund, wie ein wahnsinniger habe ich auch diese beziehung unwiderruflich zerstört und zwar restlos und das obwohl sie extrem geduldig war. Ich habe das enorm bereut und einen richtigen selbsthass entwickelt.

Als ich dann zum studium ausgezogen bin in eine neue stadt fühlte ich mich komplett verlassen denn nicht mal meine familie meldete sich mehr bei mir, obwohl mir die familie immer das allerwichtigste war.. aber auch das habe ich wohl nie genug gezeigt.

Jetzt habe ich neue freunde im studium gefunden weil ich mich sehr zum besseren gewandelt habe und mir sehr mühe gebe mit meinen mitmenschen. Doch auch das habe ich jetzt nach einem jahr wieder zerstört. Ein mädchen in der gruppe hat schlecht über mich geredet und mein kumpel kam um mir das zu erzählen und mir auch zu sagen dass da ein kern wahrheit drin ist, dass ich oft schroff bin. Und ich war sofort enorm traurig und frustriert. das restliche semester habe ich nur alleine zuhause gelernt, niemanden mehr getroffen und auch sonst einfach nur zu 100% alleine verbracht. Keiner hat sich gemeldet um zu fragen ob etwas los ist. Wirklich keiner, außer der eine kumpel der mir das sagte und den habe ich abgewiesen und gesagt ich will meine ruhe.

Ich habe jetzt beim praktikum ib den ferien ein mädchen kennen gelernt, die in meiner heimat studiert zusammen mit ihrem langjährigen partner. Ich mag sie wirklich als freund, obwohl wir uns noch nicht so oft getroffen haben außerhalb der arbeit. sie hat echt dieselben interessen, ihr freund auch und ist super nett. Ich habe mir echt gewünscht wir könnten gute freunde werden. Und eigentlich steht dem nicht viel im weg! Nur habe ich bemerkt dass ich bei unseren treffen angefangen habe nur noch negatives zu erzählen und dauernd nur von mir zu reden und jetzt grübele ich dauernd darüber nach ob sie mich vielleicht doch nicht mag, ob sie jetzt wo sie mich persönlicher erlebt hat auch nicht mag. Ich wünschte wirklich ich könnte einfach mehr und offener zeigen was ich denke. Einfach, mich öffnen. Keine angst haben müssen. Und vor allem sehne ich mich einfach danach endlich eine tiefe Freundschaft zu jemandem zu haben der dasselbe cool findet wie ich.

Meint ihr das haut hin? Wie kann ich mich mehr öffnen, wie kann ich aufhören zu grübeln und negativ zu denken und mehr positiv denken und reden sodass ich nicht dauernd verbrannte erde hinterlasse.

Paradoxerweise bin ich eigentlich ein mensch der seine mitmenschen sehr gern hat und lange, tiefe beziehungen braucht.

ich bin wirklich an einem dreh und angelpunkt angelangt glaube ich. wenn ich es jetzt nicht schaffe, wenigstens eine ehrliche freundschaft aufzubauen dann glaube ich wirklich dass ich es nie schaffen werde.

Vielen dank fürs lesen.

Euer Ratloser L

Christina B. Anwort von Christina B.

Lieber L!
Danke für dein Vertrauen und dass du dich mit deinem Problem an uns gewandt hast. Ich kann mir gut vorstellen, dass das momentan eine sehr schwierige Situation für dich sein muss. Bisher dürfte es laut deinen Erzählungen sehr schwierig für dich gewesen sein, dauerhafte Freundschaften zu finden. Aber du hast selbst geschrieben, dass du erkannt hast, dass du manchmal schroff oder rücksichtslos bist zu anderen und dir mit dummen Kommentaren alles versaust. Du hast geschrieben, du glaubst dass das ein Selbstschutz ist. Das könnte natürlich gut sein - wovor glaubst du, willst du dich unbewusst schützen? Davor, wieder verletzt oder zurückgewiesen zu werden wie damals bei deinem Kindheitsfreund? Diese Freundschaft ist ja scheinbar ziemlich abrupt und ohne jeden wirklichen Grund in die Brüche gegangen - und du hattest da offenbar lange daran zu knabbern. Da kann sich schnell eine Angst einschleichen, dass du wieder fallen gelassen und verletzt wirst. Ich stelle es mir sehr schwer vor, wenn man niemanden hat, mit dem man über seine Probleme sprechen kann. Aber du hast ja einen Weg gefunden - zu uns! Hier hast du erstmal alles abladen können und wir hören zu. Du scheinst mir schon jemand zu sein, der sehr bewusst an seine Probleme herantritt und sich auch bewusst macht, dass nicht immer nur die Außenwelt an allem schuld ist, sondern man oft an sich selbst arbeiten muss, um etwas zu verändern. Damit zeigst du Reife und Intelligenz, du zeigst, dass du Probleme beim Schopf packst und nicht den Kopf in den Sand steckst. Hut ab! Das sind alles Eigenschaften, die dir auch in einer Freundschaft von Nutzen sein können.

Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig sein muss, wenn dein Vater bipolar ist - natürlich hat so etwas auch Auswirkungen auf dich. Aber nicht darüber zu reden kann doch nicht die Lösung sein. Auch dass deine Beziehung mit deiner Ex-Freundin so in die Brüche gegangen ist, tut mir sehr leid für dich. Das ist aber noch kein Grund, dass du dich selbst nicht mehr magst! Jeder Mensch macht mal Fehler und natürlich ist es schrecklich zu sehen, was man wertvolles in den Sand gesetzt hat, aber es hilft niemandem - und auch dir nicht - wenn du dich selbst nur ewig dafür geißelst. Du kannst ja jetzt dein Verhalten verändern. Es ist immer leichter, durchs Leben zu gehen und das Glas halb voll zu betrachten - das hilft einem auch, weiter zu machen und sich nicht immer wieder von den vergangenen Dingen runterziehen zu lassen.

Offenbar hat deine Familie nicht so gespürt, wie sehr du sie brauchst. Hast du es ihnen denn mal gesagt? Oder dich bei ihnen gemeldet und gefragt, ob ihr was unternehmen wollt? Denn sie können es natürlich auch nicht riechen, ob du lieber deine Ruhe haben willst oder sie sehen möchtest. Wenn du verletzt bist, weil sie sich nicht um dich gekümmert haben, dann musst du ihnen das sagen! Sie können ihr Verhalten ja auch gar nicht ändern, wenn du ihnen nicht sagst, was los ist und warum du sauer oder verletzt bist. Ich habe so beim lesen den Eindruck bekommen, dass du, sobald dich jemand verletzt, nur noch tiefer in deine Schale zurück ziehst und verletzt bleibst. Ich weiß, dass es wahnsinnig schwer ist, sich aus der Schale rauszubewegen, aber nur wenn du das tust und offen ansprichst, warum du verletzt bist, kann sich etwas ändern. Genauso wie bei deiner Geschichte von dem Mädchen in der Gruppe, das schlecht über dich gesprochen hat - du warst total frustriert und hast dich noch mehr zurückgezogen und von allen abgewandt. Aber du hättest auch mit dem Mädchen zu zweit darüber sprechen können. Außerdem: es kann nicht immer jeder jeden mögen. Manchmal muss man es auch hinnehmen, dass man bei diesem einen Menschen nicht so gut ankommt. Es ist schade, dass du auch deinen Kumpel vergrault hast und ihm gesagt hast, er solle dich in Ruhe lassen. Doch noch ist nicht aller Tage Abend. Du kannst deinem Kumpel ja mal schreiben und ihm sagen, dass du eigentlich gern wieder in der Gruppe dabei wärst und dass es dir leid tut. Ich glaube, dass der dich wieder mit Freuden aufnehmen würde.

Jetzt hast du ein Mädchen kennen gelernt, mit dem du dich super verstehst. Wenn du gemerkt hast, dass du nur noch negatives über dich sprichst, lass doch das negative mal weg. Versuche dir in der Situation eine Art "Anker" zu setzen, der dich daran erinnert, jetzt nicht nur Probleme zu wälzen, sondern die Zeit mit dem Mädchen einfach zu genießen. Du kannst dir zum Beispiel vor dem Treffen ein Pflaster um den Finger kleben, das ist dein "Ressourcenpflaster", das dich daran erinnert, dass du es schaffen kannst, auch das positive zu sehen und einfach mal die Zeit zu genießen. Und wenn du dann beim Treffen sitzt, und aufs Pflaster schaust, wirst du daran erinnert und kannst deinen Negativ-schwall unterbrechen. Ganz alleine! (:

Ich bin mir SICHER, dass du das schaffen kannst, dich mehr zu öffnen und die Grübel und Negativ Spirale zu durchbrechen. Wie? Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Ich glaube, dass du zuerst mal anfangen musst, dich selbst wieder zu mögen bzw lieben zu lernen. Du kannst dich offenbar selbst gar nicht mehr richtig ausstehen, doch so ein negatives Selbstbild strahlt man ja auch aus und das wirkt auf andere dann eben auch negativ. Wenn du lernst, dich selbst wieder mehr anzunehmen, so verändert sich deine innere Haltung und Einstellung. Wie kannst du das schaffen? Hast du schon mal was von positiven Affirmationen gehört? Das sind einfach nur Sätze, die man sich selbst vorsagt und die durch die Wiederholung wie ein Mantra langsam in die Psyche des Unbewussten vordringen und dort zu wirken beginnen. Das ist psychologisch bewiesen. Das können für dich erstmal Sätze sein wie "Ich mag mich jeden Tag ein Stückchen mehr.", "Ich sehe die Dinge von der positiven Seite." usw. - und diese Sätze schreib dir überall auf, wo du an sie erinnert wirst. Du wirst sehen, dass sich dein Selbstbild dadurch stark verändern kann. Was kannst du noch tun? Die Grübelspirale unterbrechen, indem du dir solche Anker auch zuhause setzt. Mach dir immer wieder bewusst, dass Grübeln dir da nicht weiterhilft. Und dann sieh auch auf deine Fortschritte. Positiv denken lernen kannst du auch durch eine Übung namens "Dankbarkeitssymbol". Suche dir einen schönen Stein oder ein schönes Symbol aus und lege dir das auf deinen Nachttisch. Jeden Abend nimm das Symbol in die Hand und sag dir selbst vor, was heute alles gut war und wofür du dankbar sein kannst. Das können die minimalsten Sachen sein wie "Die Frau heute beim einkaufen hat mich nett angelächelt." oder "Ich habe den Bus rechtzeitig erwischt." usw. - und an Tagen, wo dir nichts einfällt, kannst du dankbar dafür sein, dass du ein Dach über dem Kopf und zu essen hast. Das hilft dir, die Dinge positiver zu sehen.

Ich glaube, dass du nach und nach deine innere Einstellung verändern kannst, und dass es dir dann auch viel leichter fallen wird, Freundschaften zu schließen. Wenn du dich nach Leuten mit denselben Interessen sehnst, kannst du auch verschiedene Apps oder Websites wie https://www.studenteninserate.at/kleinanzeigen/freunde-freizeitpartner/ durchschauen und sehen, ob da wer für dich dabei ist. Heutzutage lernen sich viele Freunde übers Internet kennen (:
Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen. Wenn du noch Fragen hast oder mir noch etwas erzählen willst, kannst du mich gerne erneut kontaktieren. Richte dazu am Anfang deines Textes deine Nachricht "An Christina B.", dann wird mich die Nachricht erreichen.
Alles Liebe und viel Glück wünsche ich dir!
Herzliche Grüße,
Christina B.