Problem von Anonym - 35 Jahre

Kuckuckskind in der Verwandschaft

Ich habe keinen Link für die Antwort finden können, also probiere ich es auf diesem Weg.

Hallo Bernd!

Ja, er ist mein Bruder und älter als ich.

Dadurch wird, denke ich, das Problem meiner Freundschaft klarer. Offensichtlich begreift er es als einen Akt gegen ihn. Dabei war es seit ich denken kann so, dass ich keinen guten Draht zu ihm hatte. Auch deswegen, weil für mich schwer einzuschätzen ist, was seine Behinderung ist und was einfach seine miesen Züge. Schwer zu beschreiben.
Jedenfalls soll ich in dem Fall zur Gänze den Kontakt zu den beiden abbrechen oder mit meiner Kern-Herkunftsfamilie. Mit dem Rest hätte ich größere Differenzen, es gibt dafür kein Verständnis. Das könne man einem Behinderten nicht antun. Aber der Behinderte kann natürlich übergriffig sein, andere für seine Interessen instrumentalisieren u.u. Dabei wäre mir lieber, er würde sich Hobbies zulegen, sich mehr dem Leben zuwenden und seine Selbstständigkeit versuchen zu erweitern. Denn abseits der mitleidigen Aufmerksamkeit, die er jetzt bekommt und davor, wo er nicht so interessant war, ist er ziemlich einsam, den ganzen Tag auf der Couch und lässt sich von den dämlichsten Fernsehsendungen am Vor- und Nachmittag berieseln.

Die Mutter und der leibliche Vater werden von Klagen überzogen. Da hält sich mein Mitleid in Grenzen, das hätten die beiden Ehebrecher wissen müssen und sollen das auch durchstehen. Ich möchte da nicht mitmachen, was von den beiden Akzeptiert wird, aber nicht von meiner Familie. Ich zeige eben nicht genug Loyalität.

Und langsam habe ich keine Kraft mehr.

Bernd Anwort von Bernd

Hallo liebe Unbekannte,

Deine Familie verstehe ich nicht! Weil Du unbedingt Recht hast:
Es gibt keinen Grund für irgend jemanden, übergriffig zu sein!
Und wo Dein Bruder das ist, sollte er sich in fachliche Beratung begeben! Nicht vor den Fernseher.
Niemand darf Menschen, die ihm eigentlich nahestehen wollen "instrumentalisieren"!

Ein Satz von Dir hat es mir besonders angetan: "Denn abseits der mitleidigen Aufmerksamkeit, die er jetzt bekommt und davor, wo er nicht so interessant war, ......"

"mitleidige Aufmerksamkeit" ist die umfassendste Beschreibung einer Situation in nur zwei Worten, die ich mir vorstellen kann! Du erlebt es und allein deswegen glaube ich Dir, dass Du es richtig einschätzt!

Nur "mitleidige Aufmerksamkeit" hat wahrlich kein Mensch verdient!
Was wird Deinem Bruder an konstruktiver Anteilnahme zuteil?
Also an Anteilnahme, die nicht beleidigend mitleidig ist?
Wer macht ihm eine Ansage, die ihm helfen kann?
Wer setzt ihm Grenzen?
Wer sagt ihm, was ihr von ihm erwarten könnt? dürft? Müsst?

Ist er in psychologischer Behandlung?

Wenn Deine Familie Dir sagt, dass Du nicht genügend "Loyalität" zeigst, würde ich Dich - wenn ich es richtig sehe - eher beglückwünschen, dass Du Deine Menschlichkeit gegen eine "mitleidige, verlogene" Loyalität setzt!

Zur von Deinem Bruder geschiedenen Frau und Mutter des Kindes, das Du hier "Kuckuckskind" genannt hattest und dessen leiblichen Vater:
Dazu dass sich die beiden wirklichen Eltern dann auch ihrer Verantwortung stellen (Deinem Bruder z.B. keine Unterhaltspflicht unterstellen), gibt es natürlich keine Alternative!

Wie kannst Du selbst mit dem Ganzen umgehen?

Im Grunde sind nun Deine Schwägerin und Deine (gefühlte) Nichte ganz und gar nicht mit Dir verwandt :-(

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich an Deiner Stelle reagieren würde.
Obwohl: ich bin ein sturer Westfale.
Wo mir mein Vater gesagt hatte: "solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst..."
habe ich meine Füße halt nicht mehr unter seinen Tisch gestellt.
Dafür war ich neben dem Studium dann Installateur, Schornsteinfeger und Bergmann: um nicht von ihm abhängig zu sein!

"Loyalität" ist manchmal im Grunde nur eine Umschreibung Deiner genialen Worte von der "mitleidigen Aufmerksamkeit":
Dein Bruder ist der Ursprung!
Deine Familie ist selbst wohl überlastet, weil sie keine Antworten weiß und sich keine Hilfe von außen holen mag?

Und Du?

Du musst Deine Gefühle zu dem Kind (das nun nicht Nichte ist) für Dich neu definieren!
Solltest auch Gedanken darüber zulassen, die vielleicht Deine Ex-Schwägerin zu dem "Ehebruch" getrieben haben könnten?
Weißt Du. Wenn ein unfähiger Ehemann seiner Schwester sagt, sie sei eine "alte Jungfer" ist das für mich schon auch ein Argument dafür, dass Dein Bruder seine eigene Frau niemals wirklich kennen lerne wollte?
Dein Bruder scheint nur eins zu (kennen) sehen: sich selbst?!

Du bist keine alte Jungfer und solltest Dir auch nicht einreden lassen (von wem auch immer), dass Deine Schwägerin eine Schlampe ist!

Im Grunde würde ich Dir gerne - nur und genau wegen dem Kind, dass nu gar nix mit all dem anzufangen weiß - raten, dass Du Dich keiner "Familienloyalität" unterwirfst.
Bleibe "Du selbst"!
Wie immer das auch ausschauen mag! Bloß werde niemals "Abziehbild" von einer Familie oder sonst wem, dem es darum geht, Dich für sich zu gewinnen!
Ich weiß: mit der Prämisse ist es schwer, Freunde zu behalten.
Aber ich denke, dass es sich lohnt, auch nur einen -wirklichen - Freund zu finden.

Das ist keine Antwort! Nur ein Versuch, mit Dir im Gedankenaustausch zu bleiben!
Ich erwarte Deine Reaktion!

Alles Liebe
Bernd