Problem von Anonym - 18 Jahre

Zu viel

Ich war nicht sicher in welche Kategorie das hier gehört, weil es von fast allem etwas ist.

Ich besuche, seitdem ich die Realschule abgeschlossen habe, ein Gymnasium und fühle mich dort sehr wohl. Natürlich gibt es immer Schüler und Lehrer die einen nicht leiden können, aber dass macht mir nichts aus. Jedoch gehen meine Noten immer weiter abwärts. Ich lerne wie verrückt und alle um mich herum liefern Glanzleistungen ab, wärend ich immer an der Grenze der mindestens nötigen Notenpunkte kratze. Ich bin einfach so sehr gestresst, dass ich in regelrechte Fressattacken verfalle. Ich esse alles was süß und/oder fettig ist.
Dies führt zu meinem nächsten Problem: Meine Mutter mäkelt an meiner Figur herum. Ich bin nicht dick, im Freundeskreis werde ich als schlank und gesund bezeichnet (stabile Größe M), aber meine Mutter hat mich tatsächlich schon einmal gefragt ob ich schwanger bin. Jetzt habe ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir nach einem schlechten Tag einen Lebkuchen nehme. Ich will für sie versuchen, meine Ernährung um zu stellen auf "weniger" und "gesünder". Jedoch scheint sie nie wirklich zufrieden mit mir zu sein.
Ich will sie glücklich machen. In der Realschule hatte ich meinen Führerschein angefangen (ist jetzt schon ne ganze Weile her). Jedoch war ich einfach zu faul und als ich dann die Schule wechselte, hatte ich für den Führerschein gar keine Zeit mehr. Jetzt ist sie enttäuscht und immer wenn wir Freunde meiner Eltern treffen, werde ich hämisch gefragt was denn mein Führerschein machen würde.
Leider häufen sich auf die Streitereien zwischen meiner Mutter und mir. Es vergeht kein Tag und geschrei, ausziehen ist aufgrund meiner schulischen Situation noch keine Option. Durch den ganzen Stress, leidet mein Vater nun unter Bluthochdruck. Er macht Sport, lebt gesund und ist dennoch immer angespannt. Ich bin nur eine weitere Belastug, sobald ich mich aussprechen will.
Ich zweifel einfach, ob ich jemals etwas in meinem Leben richtig gemacht habe. Ich tue nichts mehr für mich. Ich stehe auf und setze ein Lachen auf, weil ich weiss dass es meine Eltern und meinen Freund beruhigt und zufrieden stellt. Ich scherze und albere mit meinem Freund, weil ich ihn glücklich sehen will. Ich bin frech und stets fröhlich in der Schule, da ich weiss dass alle mich dort nur als absolute Frohnatur kennen. Ich zweifel an meinem Körper, bin ich wirklich zu "breit"? Überall Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen und Ziele die ich ausfüllen will, damit alle zufrieden sind. Daneben Sticheleien und Streit in der Familie und ich einfach nur noch dass es aufhört. Und jetzt ist auch noch mein Vater wegen mir krank geworden. Ich bin ein Unglücksrabe.
Ich habe geplant, bei meinem Freund ein Studium anzufangen, will aber meine Freunde nicht enttäuschen... Ich kann weder vor noch zurück. Wahrscheinlich ist es für alle einfacher ohne mich. Der Stress lässt mich fast zum Messer greifen, noch reichen die Fingernägel... Was soll nur aus mir werden? Alkoholikerin? Drogensüchtige? Oder gar eine Selbstmörderin?

Frauke Anwort von Frauke

Hallo!

Da sprichst du wirklich eine Reihe von Dingen an, ich kann verstehen, dass du dir nur schlecht eine Kategorie aussuchen konntest. Aber du hast ja absolut recht: Es ist alles mit allem verwoben.

Ich möchte erst einmal auf deine Eltern eingehen.

Kommen wir zu deiner Mutter. Du trägst Größe M, also, dann gibt es keinen objektiven Anlass auch nur ansatzweise über deine Figur zu mäkeln. Du sagst, sie scheint nie wirklich zufrieden mit dir zu sein. Meine Intuition sagt mir, dass es hier absolut nicht um dich geht. Ich behaupte einfach einmal, dass sie mit sich selbst nicht wirklich zufrieden ist. Vielleicht bedrückt sie etwas ganz Anderes? Hast du ihr schon einmal gesagt, dass ihre Bemerkungen und ihr Verhalten dich verletzt? Habt ihr darüber gesprochen, warum du im Moment so gern Fettiges oder Süßes isst? Dass du dich sehr gestresst fühlst? Vielleicht kennt deine Mutter dieses Verhalten auch von sich selbst?

Dein Vater: Für Bluthochdruck gibt es viele verschiedenen Ursachen. Manchmal (oder sogar meistens) finden die Ärzte keine erkennbare Ursache. Du bist nicht Schuld am Bluthochdruck deines Vaters! Viele Menschen bekommen Bluthochdruck wenn sie älter werden.

Darf ich mal ein paar deiner Sätze direkt hintereinander stellen?

Ich will sie glücklich machen. Ich ... setze ein Lachen auf, weil ... es meine Eltern und meinen Freund beruhigt und zufrieden stellt. ich scherze ... weil ich ihn glücklich sehen will. Überall Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen und Ziele die ich ausfüllen will, damit alle zufrieden sind.

Das ist ein Gedankenmuster, dem ich vor allem bei Frauen oft begegne.

Warum glaubst du, dass du verantwortlich für das Glück aller anderen bist? Du bist nur für dein eigenes Glück verantwortlich. Natürlich solltest du dich so verhalten, dass du mit deinem Verhalten keinem anderen schadest. Aber schadest du deiner Mutter damit, dass du Lebkuchen isst? Wohl kaum. Macht es die Freunde deiner Eltern glücklich, wenn du den Führerschein hast? Macht es deine Mutter langfristig wirklich glücklich?

Jeder ist seines Glückes Schmied, wie es so schön im Sprichwort heißt. Deine Mutter sollte ihr Glück nicht von dir abhängig machen und du dein Glück nicht von ihrem oder von irgend jemand anderen. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan.

Doch wenn du dich um dich selbst kümmerst, wenn es dir gut geht, dann hast du Kraft genug, um dich vielleicht auch nebenher noch ein wenig um das Wohlergehen deiner Eltern oder deines Freundes zu kümmern.

Zumindest unbewusst werden sowohl deine Mutter als auch dein Freund sowieso merken, dass du ihnen nur die Fröhliche vorspielst. Und das belastet sie womöglich. Das einzige, was du tun kannst, ist, dafür zu sorgen, dass es dir besser geht.

Und was schreibst du über dich?

Ich tue nichts mehr für mich.
Ich bin ein Unglücksrabe.
Ich zweifle einfach, ob ich jemals etwas in meinem Leben richtig gemacht habe.
Ich kann weder vor noch zurück.

Der Dreh- und Angelpunkt deiner momentanen Situation scheint mir die Schule zu sein und der Stress und Zeitdruck, den du durch sie empfindest. Du schreibst leider nicht genau, warum du auf das Gymnasium gewechselt bist und welches Studium du gerne anfangen möchtest. Für manche Studiengänge reicht auch das Fachabitur (siehe hier: https://karrierebibel.de/studieren-mit-fachabitur/).

Meine Erfahrungen mit Gymnasium und vielen Menschen, die dort hingehen, ist, dass dort wirklich ein sehr hoher Leistungsdruck herrscht, der in keiner Weise vergleichbar ist mit dem Lernen an einer Realschule. Vor allem sprichst du ja das Zeitproblem an und das nehme ich auch so wahr. In der Oberstufe bleibt nur denen Zeit für Hobbys oder Interessen außerhalb der Schule, denen alles einfach so ohne viel Lernen zufliegt. Kannst du deine beruflichen Ziele also nicht auch über andere Wege erreichen?

Was ist dir wichtig im Beruf? Dass du mit Menschen arbeiten kannst? Ein ruhiger Platz im Büro? Geregelte Arbeitszeiten? Abwechslung? Geld? Sicherheit? Kannst du all das, was du dir erträumst auch in einem Beruf finden, der kein Voll-Abitur voraussetzt?

Wenn ich mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis umsehe, dann sind die mit Studium nicht glücklicher oder reicher geworden als die ohne. Das ist jetzt natürlich keine objektive Studie ;).

Und wenn ein Voll-Abitur der einzige Weg ist, den du dir vorstellen kannst, dann überlege, wie du es dir leichter machen kannst. Sprich mit deinen Lehrern und frage sie genau, woran es liegt und wie du dich verbessern kannst. Versuche, eine Lerngruppe zu bilden. Frage deine Lehrer, ob sie vielleicht eine(n) ältere(n) Schüler(in) empfehlen können, der/ die dir Nachhilfe geben kann. Oder überlege, ob du nicht einfach freiwillig das Schuljahr wiederholst, um dir mehr Zeit zu geben, dich auf die höheren Anforderungen am Gymnasium einzustellen.

Du kannst vor und zurück und sogar in eine ganz andere Richtung gehen.

Bist du ein Unglücksrabe? Du hast einen Schulabschluss (mit Quali!), du fühlst dich an deiner Schule wohl, du hast einen Freund ... Das mit dem Unglücksraben können wir also auch streichen. Und definitiv hast du in deinem Leben schon einiges richtig gemacht!

Bleibt noch: Ich tue nichts mehr für mich. Wenn du wieder mehr Zeit hast (z.B. weil du auf ein Berufskolleg wechselst oder das Jahr wiederholst), hast du auch wieder Zeit, mehr für dich zu tun. Wenn du bei deinem gewähltem Weg bleibst, tust du auch etwas für dich, denn du erkämpfst dir das Abitur.

Übrigens, lerne, die Fragen der Freunde deiner Eltern nicht so ernst zu nehmen. Sobald du den Führerschein hast, werden sie dich fragen, wann du denn mit dem Abi fertig bist, oder wann du anfängst mit dem Studium oder du heiratest. Sobald du geheiratet hast, werden sie fragen, wann denn der Nachwuchs kommt. Sobald der Nachwuchs da ist, wann denn das nächste Kind kommt. Solltest du dich irgendwann mal scheiden lassen, geht das mit der Frage nach dem Heiraten von vorne los. Ansonsten geht es dann um deine Kinder: Wann die denn endlich laufen lernen, eingeschult werden, usw. usf. Das ist ein ganz altes Spiel. Spiel mit. Lächle, stelle eine Gegenfrage, wechsle das Thema. Dir fällt bestimmt etwas ein.

Ich wünsche dir alles Gute für deinen Weg - egal wohin er dich führen mag :)

Frauke