Problem von Anonym - 21 Jahre

Verlustangst

Hallo zusammen,
ich, (m, 21) bin seit knapp 3 Jahren mit meiner Freundin zusammen. Seit ich sie das erste mal gesehen habe, war ich schon Hals über Kopf in Sie verliebt. In den knapp 3 Jahren haben wir sehr viel Zeit miteinander verbracht, waren zusammen im Urlaub, haben kaum einen Tag ohne einander gehabt. Selbst ihre 3 1/2 monatige Reise durch Südamerika hat uns nichts ausgemacht. Es war sogar so, dass das verlangen zwischen uns von Tag zu Tag größer wurde. Sie ist einfach der perfekte Mensch für mich, wir ergänzen uns in jeder Hinsicht.
Seit kurzem macht sie ein FSJ und ist dafür Zuhause ausgezogen. Ich hingegen studiere Maschinenbau, ebenfalls weg von Zuhause. Bisher hat uns auch das nichts ausgemacht, weil wir die gemeinsame Zeit dann umso mehr geschätzt haben.
Doch seit einem Monat ist alles anders. Wir waren bei einer Veranstaltung wo ich mich etwas daneben benommen habe. Ich habe da schlechte Laune gehabt und über alles gemeckert. Ihr hat das sehr zu schaffen gemacht. Dass ich öfter mal ein paar falsche Bemerkungen gegenüber manchen Leuten raus lasse stört sie schon seit längerem. Auch habe ich sie nie ernst genommen wenn sie etwas an mir gestört hat. Das war natürlich ein riesen Fehler. Wie schlimm das aber für sie ist, habe ich bisher nie begriffen. Bis sie mich vor einem Monat zur Rede gestellt hat. Es ist ihr sichtlich schwer gefallen, da sie sonst ein durch und durch positiver Mensch ist. Ich habe meine Fehler eingesehen, und wir haben noch lange geredet in dieser Nacht. Wenn ich es nicht eingesehen hätte, dann hätte sie wahrscheinlich sogar Schluss gemacht.
Ich bin dann am nächsten Tag wieder gegangen, weil ich zutiefst verletzt war, dass es überhaupt so weit kommen konnte. Der Schmerz war unerträglich.
Von da an dachte ich erst, dass nun alles wieder besser wird. Doch dem war nicht so. Sie meinte, dass sie etwas Zeit braucht um ihre Gedanken zu sortieren (vor genau 14 Tagen).
Immer wenn wir uns dann getroffen haben (3 mal), war in Gegenwart anderer Menschen scheinbar alles normal, doch sobald wir alleine waren, wurde die Stimmung schlagartig sehr beklemmend. Wir haben auch noch ein paar mal geredet, und ich habe ihr deutlich gemacht, dass ich alles tun würde, um unsere Beziehung zu retten. Doch jedes mal brauchte sie noch Zeit. Einmal sagte sie, dass sie gerade nicht weiß was sie fühlt.
Nun feiert sie Silvester bei ihrer FSJ Stelle. Wir sehen uns also erst im neuen Jahr wieder. Dafür hat sie aber schon zugesagt, dass wir uns zusammen einen Wellnesstag gönnen.

Das klang für mich zwar in diesem Moment sehr schön, zumal es das erste mal seit dem Gespräch war, dass sie auf mich zugegangen ist. Allerdings lebe ich immernoch ununterbrochen in der Angst, dass sie sich gegen mich entscheidet. Mit jeder Sekunde die sie nachdenkt wächst diese Sorge in mir. Geschlafen habe ich deswegen schon seit 2 Wochen nicht mehr. Ich wache ständig mitten in der Nacht auf. Meist weil ich träume davon habe, wie sie mir mit Schluss macht. Auch tagsüber breche ich regelmäßig in Tränen aus, ich habe selbstzweifel ohne Ende. Und die Gedanken werden von Tag zu Tag finsterer. Nach wie vor ist sie der wichtigste Mensch auf der Welt für mich, ich liebe sie mehr als alles andere. Nur Dank ihr mache ich permanent eine ganze Reihe von positiven Veränderungen durch. Ich habe z.B. ein sehr verdrehten Essverhalten, doch nur dank ich kriege ich das immer besser in den Griff. Auch wenn es trotzdem sehr langsam geht.

Nun weiß ich nicht was ich weiter tun soll. Jeder Augenblick, den ich nichts von ihr höre, tut weh. Ich brauche dringend ihre Nähe. Und die Angst, sie zu verlieren, zerfrisst mich völlig.

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Anonymer,

ich habe mir nach deinem Text zuerst mal ein paar Gedanken gemacht, in dem Versuch, die Dynamik eurer Beziehungsprobleme zu verstehen. Auffällig ist: So wie du deine Beziehung beschreibst, waren (was das betrifft) die letzten Jahre für dich wie ein Traum, so schön. Es scheint nichts zu geben, was dich an ihr stört, beziehungsweise mit dem du (wenigstens gelegentlich) Schwierigkeiten hättest - zumindest hast du nichts dergleichen beschrieben. Kurzum, du fühlst dich bei deiner Freundin aufgehoben, glücklich und auch befriedigt. Was sie betrifft, scheinen die Dinge ein wenig anders zu liegen.

Du bist hinsichtlich der Begebenheiten, die deine Freundin gestört haben, recht unpräzise geblieben; ich muss gestehen, dass ich mir nur sehr schwer eine Vorstellung machen kann, was du meinen könntest. Das ist von meiner Seite kein Vorwurf, auch keine Aufforderung, es mir zu erzählen - ich respektiere, dass du bestimmte Dinge nicht teilen möchtest. Jedoch hoffe ich, dass es mir dann gelingt, mit meiner Antwort nicht an dir und deinem Problem vorbeizuschreiben. Nun: Was auch immer vorgefallen ist, es sieht danach aus, als würde deine Freundin zumindest einen Teil der vergangenen drei Jahre etwas nüchterner wahrnehmen als du. Während du das Gefühl hast, bei ihr die totale Erfüllung zu finden, hinterfragt sie gerade, ob du der Richtige bist. Es klingt banal, wenn ich das so schreibe - ich will auf Folgendes hinaus: Der Konflikt, in dem ihr euch befindet, kam für dich ziemlich überraschend, auch wenn du jetzt reflektierst, woran sie sich gestört hat. Für sie hingegen war schon länger etwas nicht mehr optimal, ist es womöglich nie gewesen. Was ihr erlebt, ist also nicht das, was man als "Routine" bezeichnen könnte, als die Art von Konflikten, die aus Gewohnheit und einem Mangel an Aufmerksamkeit und Spannung entstehen, was Gewohnheit immer gern mit sich bringt. Es ist nicht so, dass ihr auf einmal auf Distanz seid, weil ihr merkt, dass es auch Züge des Partners gibt, die euch stören - dafür habt ihr schon zuviel miteinander erlebt und durchgestanden. Es ist eher so, dass sie über einen längeren Zeitraum etwas in sich "hineingefressen" zu haben scheint. Das kam jetzt zum Ausbruch. Ich weiß nicht, wie lange dieses innere Grübeln bei ihr schon angedauert hat, aber wir haben Grund zu der Annahme, dass sie mindestens ebenso lange brauchen wird, um sich klar zu werden, ob sie an der Beziehung festhalten will.

In deiner Situation bringt es nicht das Geringste, dir Vorwürfe zu machen, was du wann eventuell früher hättest bemerken und ändern sollen. Wahrscheinlich gibt es solche Dinge, und es ist gut und richtig, dass du sie wahrnimmst und bewertest. Jedoch hat es keinen Sinn, dich in Selbsthass zu versenken, weil du in der Vergangenheit Fehler gemacht hast. Das wird dir deine Freundin, sollte sie sich gegen dich entscheiden, nicht zurückbringen. Und es wird dich auch nicht zu einem anderen Menschen machen. Fehler zu haben, ist keine Schande. Viel schlimmer ist es, sie nicht einzusehen oder sich darüber selbst zu belügen. Den entscheidenden Schritt hast du also bereits getan: Du hast gesehen, was sie belastet und stört, und dir vorgenommen, es zu verändern. Ob es dir gelingt, können wir heute noch nicht sagen. Wenn du jedoch ernstlich daran arbeitest, wird deine Freundin das sicherlich auch anerkennen - sofern sie dir noch eine Chance gibt, dich zu bewähren. Das wissen wir natürlich nicht.

Was sie beschäftigt, ist möglicherweise weniger das, was schiefgelaufen ist, an sich, als die Tatsache, dass sie diesen Schritt gehen musste, um dich darauf aufmerksam zu machen. Es mag sich furchtbar ungerecht anfühlen, wenn sie dir jetzt, wo es dir klar geworden ist, keine Chance mehr geben sollte. In diesem Fall solltest du allerdings nicht vergessen: Was dir dann bleibt, ist eine verbesserte Kenntnis deiner selbst. Du gewinnst nichts, wenn du dich dafür grämst, Dinge zu spät begriffen zu haben. Du gewinnst aber sehr viel, wenn du das Leben, das noch vor dir liegt, nutzt, um an dir zu arbeiten. Möglicherweise wird deine Freundin das Gefühl haben, dass eure Beziehung keinen Sinn mehr macht. Das ist dann nicht zwangsläufig eine Geringschätzung gegenüber dir und deinen Anstrengungen. Vielleicht wird sie sich damit ebenso schwer tun, jedoch das Gefühl haben, dass die Zeit, die du brauchen würdest, an dir zu arbeiten, zu lange für sie ist. Dafür müsste sie sich erst etwas über sich selbst klar machen, und das mag nicht einfach sein, wenn sie (wovon ich ausgehe) immer noch Gefühle für dich hegt. Wenn sie aber zu dem Schluss kommt, dass der Weg, den ihr zu gehen hättet, ihre Kräfte übersteigt, solltest du das respektieren. Denn sie hat dich nun mehrere Jahre lang aus der Außenperspektive erlebt, und kann dich in diesem Punkt vielleicht besser einschätzen, als du selbst es gerade kannst. Es ist nicht unbedingt ein Zeichen von Abwertung, jemandem eine Bewährungsprobe zu versagen - es gehört auch Bereitschaft zur Härte gegen sich selbst dazu, das zu tun, wenn man weiß, dass der Wille groß, aber die Chancen gering sind. Denn seien wir ehrlich: Vielleicht ist das, was sie an dir gestört hat oder stört, etwas, das in erster Linie nach ihren Maßstäben unpassend ist; andere Frauen würden anders damit umgehen. Wenn ihr in eurer Beziehung also an dem Punkt seid, an dem die Leidenschaft langsam auströpfelt, und die Erkenntnis sich einstellt, dass ihr verschieden seid, verschieden in eurem Verhalten, eurer Wahrnehmung, zu verschieden - dann ist es auch für sie nicht einfach, wenn sie das so sieht, zu gehen. Versuche, wenn du irgend kannst, das im Hinterkopf zu behalten.

Aber, zum Glück: Ganz so weit ist es noch nicht. Noch weißt du nicht, wie es mit euch weitergeht. Nichts Neues zu hören, heißt in den meisten Fällen auch, dass sich nichts verschlimmert hat. Und ebenfalls schön ist es ja, dass ihr schon gemeinsame Pläne für das neue Jahr habt. Dennoch gibt es jetzt einige Dinge, mit denen du es euch beiden leichter machen kannst und solltest. Dazu gehört zum Einen, ihre endgültige Entscheidung von ihr nicht einzufordern, am besten gar nicht zu erfragen, sondern ihr wirklich und ganz und gar die Zeit zu geben, die sie braucht. Das musst du ihr nicht sagen, das solltest du ganz einfach so halten. Ich hoffe nicht, dass es in nächster Zeit zu vielen Situationen kommt, die für euch Konfliktpotenzial haben. Wenn das aber der Fall sein sollte, wirst du weder mit übertriebener Devotheit, noch mit heftiger Gegenwehr etwas erreichen: Sie wird das Fortdauern eurer Beziehung nicht davon abhängig machen, ob es dir gelingt, dich "zu beherrschen" oder nicht. Du bist, wie du bist. Und davon mal abgesehen, dass es durchaus fragwürdige Äußerungen gibt, die man meiden sollte: Vielleicht bist du einfach ein Mensch, der gerne mal "raushaut" und sich auch mal den Mund verbrennt. Das ist kein Manko, sondern eine Qualität, sofern man in der Lage ist, sein eigenes Verhalten zu reflektieren und auch mal Fehler einzugestehen. Du weißt wahrscheinlich selbst, dass, wenn du bestimmte Teile deiner Persönlichkeit auf Dauer unterdrücken willst, du dabei nur verlieren kannst. Denn man kann sich selbst zwar mit viel Disziplin "erziehen" und sich ungeliebte Gewohnheiten abgewöhnen, aber man kann schlussendlich die eigene Person auch nicht verleugnen. Unterm Strich: Ihre Entscheidung richtet sich nicht danach, ob du dir in den nächsten Wochen auch JA keinen Fehltritt erlaubst. Sie richtet sich danach, ob sie auf lange Sicht das Gefühl hat, mit dir zu harmonieren. Sie wird dieses Gefühl nicht am ehesten dann bekommen, wenn du dich radikal ändern willst, sondern vielmehr dann, wenn du versuchst, du selbst zu sein - jedoch kritikfähig und seriös. Fehler anzuerkennen, heißt nicht, sie nie und unter keinen Umständen zu wiederholen. Es heißt zunächst mal, damit zu leben und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Erwarte also nicht, dass deine Freundin sich von dir wünscht, dich fortan in einen anderen Menschen zu verwandeln. Sie wünscht sich, dass du an dir arbeitest und dass ihr Konflikte bereinigen könnt - nicht, dass du versuchst, sie zu vermeiden. Deshalb, begegne ihr möglichst ruhig und möglichst wenig fragend, aber trotzdem so, dass sie das Gefühl hat, den Menschen zu treffen, den sie kennt. Denn in diesen hat sie sich verliebt, und nicht in einen anderen. Wenn deiner Freundin Dinge an dir aufgefallen sind, die sie massiv stören (wofür sie nichts könnte), dann würdest du es auf Dauer nicht hindern, dass es zur Trennung kommt, sofern es sich um gewichtige Punkte handelt. Wenn sie aber mehr den Eindruck hat, dass in eurer Beziehung der Dialog und die Arbeitsbereitschaft fehlt, dann betrachte den momentanen Zustand auch wirklich so: "Es ist etwas in Arbeit", und nicht "Ich muss perfekt sein". Sie wünscht sich jetzt niemanden, der ihr Gewesenes nachträgt, aber auch niemanden, der unterwürfig ist. Sie will einen Partner, mit dem sie leben kann. Und um das zu sein, musst du nicht versuchen, ein anderer Mensch zu werden. Aber du solltest dich fragen, wie du das, was du darstellst, besser umsetzen kannst.

Versuche deswegen umso mehr, sie nicht zu bedrängen. Bewerte aber auch nicht jede kleine Situation, jede Geste und jedes Wort so, als könne "ES" sich in genau dieser Sekunde entschieden haben. Die Folge wäre nur übersteigerte Nervosität deinerseits, und du gewinnst nichts. Was immer sie bewegt, hat seine Wurzeln weit früher. Sie stellt dir keine Herkules-Aufgabe, sondern sie möchte einen möglichst ruhigen Rahmen, um sich über alles klar zu werden. Auch wenn es dir schwer fällt, lass euren gemeinsamen Tag deswegen einfach so ablaufen, wie du ihn für dich und euch am passendsten hältst - nicht so, wie du meinst, dass SIE es jetzt von dir erwarten würde, wenn du dich damit gar nicht wohl fühlst. Sie wird es bemerken, wenn du dir der Probleme, die aufgetreten sind, bewusst bist. Am ehesten jedoch dann, wenn du deine Zuneigung und Aufmerksamkeit sorgfältig und dosiert einsetzt, sie also weder mit Komplimenten überhäufst, noch versuchst, ihr jede Planung aus der Hand zu nehmen. Ihr seid Partner, und du solltest dich so verhalten, wie du es dir für immer vorstellen kannst. Nicht wie du denkst, dass sie es zurzeit will, damit sie bei dir bleibt. Sondern so, als wärest du sicher, dass noch viele gemeinsame Jahre vor euch liegen. Ihr gemeinsam macht die Regeln, und gerade jetzt, wo sie sich etwas von dir wünscht, ist es umso wichtiger, dass auch du klar machst, was deine Wünsche sind und wo die Grenzen deiner Belastbarkeit liegen. Zögere darum nicht, von dir aus über Probleme zu sprechen, aber nicht unter dem Aspekt "Was wird aus uns?" - diese Frage stellt sie sich gerade selber, und so übst du nur unnötig Druck aus. Versuche lieber, darüber zu sprechen, was deine Pläne und Wünsche sind, und wie du dir eine Beziehung vorstellst, in der du dein Leben würdest verbringen wollen. Sprich nicht über das, wovon du meinst, dass es ihr am meisten gefallen würde. Sprich über das, wovon du gemerkt hast, dass es nicht optimal lief, und wie es deiner Meinung nach richtig wäre. Nicht so, dass du bestimmte Dinge völlig vermeiden willst, sondern so, wie man damit umgehen sollte. Denn das ist am wichtigsten: Wie geht ihr mit zukünftigen Konflikten um? Sie werden kommen, das weißt du. Deswegen, denke lieber darüber nach, was für eine Grundlage zu ihrer Bewältigung du legen willst, und nicht darüber, wie man sie ganz verhüten könnte.

Wenn du etwas von ihr in Erfahrung bringen möchtest, dann tu das nicht so, dass du eine Frage stellst, die eine konkrete Antwort verlangt. Sondern gib ihr Gelegenheit, zu erzählen und laut zu denken, welche Dinge sie bewegen, und zu erkunden, ob eure Visionen zusammen passen. Frag also nicht "Siehst du für uns noch Hoffnung?" (wenn nein, wüsstest du es längst!) Frage: "Ich finde, dass... Was denkst du dazu?" oder "Hast du manchmal nicht auch das Gefühl, man müsste...?" Vermeide es, von "wir" und "uns" zu reden, sondern formuliere unverfänglich. So, als würdest du zu einem Freund oder Freundin sprechen, deren Urteil Gewicht hat, aber nicht schicksalhaft ist. Was ihr zusammen erleben solltet, ist ein Tag, der so ist, wie viele Tage sein könnten - ein guter, aber kein atemberaubender (keiner, nach dem man keine Aufgaben mehr vor sich hat), und auch keine Demütigung deiner durch dich selbst. Je mehr sie das Gefühl bekommt, dass du keine Entscheidung herbeizwingen willst, und bereit bist, mit ihr etwas zu erarbeiten, desto eher wird sie auch Lust bekommen, sich daranzumachen. Präsentierst du ihr jedoch eine vorgefertigte Lösung, ohne dass du sie ihr erklärt und zu ihrer Meinung gefragt hast - zum Beispiel, indem du dich fortan extrem leise und devot gibst -, dann wird es ihr nur noch mehr so erscheinen, als hätte sie dir ihren Punkt nicht vermittelt. Wenn sie im Herzen mit dir abgeschlossen hat, machst du es ihr durch Betteln und Selbstkasteiung nur schwerer. Wenn du aber versuchst, aufzuzeigen, wie und woran ihr zusammen etwas ändern KÖNNTET, und sie nach ihren eigenen Gedanken fragst - dann gibst du ihr Gelegenheit, sich in eine Zukunft mit dir hineinzudenken, und das stärkt ihren Wunsch nach einer solchen. Respektiere es aber auch, wenn sie schweigen möchte. Das wird sie dir dann auch sagen.

Zusammengefasst: Ich denke nicht, dass es dir wirklich helfen würde, dich von Grund auf ändern zu wollen. Wenn du verzweifelt versuchst, jede Kleinigkeit perfekt zu machen, ist trotzdem immer klar, dass sich früher oder später wieder der Alltag einschleicht. Und jede Bemühung nützt gar nichts, wenn sie erzwungen ist, und der Mensch dahinter eigentlich danach trachtet, sie abzuschütteln. Handle selbstsicher, aber behutsam, und versuche, Gespräche über das Thema Beziehung in einem neutralen Ton zu starten. Dein Ziel ist es, auszuloten, was ihr wichtig ist, und was du dir selbst zumuten kannst. Denn auch daran solltest du stets denken: Du bist nicht unendlich belastbar, und auch für dich könnte der Punkt kommen, an dem du dich eingeengt fühlst. Selbst wenn du sie noch so sehr liebst und dich geborgen fühlst, muss das nicht heißen, dass ihr eine Kommunikationsbasis findet. Das wäre nur zu menschlich - und leider ist diese Möglichkeit gegeben. Ich denke, deine Freundin möchte den echten Menschen erleben, damit sie weiß, mit wem sie zusammen ist, in wen sie sich verliebt hat; aber sie möchte auch sehen, dass sie etwas bei dir angestoßen hat. Dieses "Etwas" kann nur ein Prozess sein, und du besorgst ihn selbstständig. Wenn du devot auftrittst und nach Anerkennung buhlst, versetzt sie das in die für sie unangenehme Pflicht, genau vorzugeben, was sie will; aber sie weiß eben auch nicht genau, wie es richtig wäre. Sie weiß, was sich für sie nicht richtig anfühlt. Und auch deshalb müsst ihr beide, da du ihr darin zustimmst, einen neuen Weg beschreiten. Das kann nur im Dialog funktionieren. Du sollst dich nicht "umerziehen", sondern Kanäle offen legen, Probleme mit ihr früher und besser anzugehen. Du wirst nicht in ein paar Wochen ein neuer Mensch, schon gar nicht über Nacht. Das zu bedenken, ist jetzt zu Silvester besonders wichtig.

Du sollst weder passiv sein und auf jeden Fingerzeig von ihr achten, noch sollst du weitermachen wie bisher. Du sollst deine Persönlichkeit erhalten, die sie liebt, aber sie entwickeln - das ist es, was sie sich wünscht, und was du auch schaffen kannst. Genauer gesagt: Was du bereits jeden Tag schaffst. Diese Entwicklung in die Hand zu nehmen und gemeinsam mit deiner Freundin an eurer Beziehung zu arbeiten, euch allmählich immer mehr aufeinander einzuspielen - darum geht es. Und ich denke, du kannst es schaffen.

Ich wünsche dir ein frohes 2018 und besonders alles Gute für den Fortgang deiner Beziehung! Ich lade dich ein, wenn meine Antwort dir zu unbestimmt war, oder du das Gefühl hast, nicht recht verstanden worden zu sein, mir wieder zu schreiben. Es würde mich auch interessieren, wie es mit euch weitergeht. Aber einstweilen wünsche ich dir viel innere Ruhe und Kraft, um die Dinge zu verwirklichen, die dir wichtig sind.

Liebe Grüße,

Paul