Problem von Lukas - 18 Jahre

Nichts als Leere

Hallo liebes team!
es ist das erste mal, dass ich mich an irgendein online forum wende, aber ich bin wirklich darueber verzweifelt, wie es mir momentan geht, also probier ich es jetzt auch auf diesem weg aus.

Ich bin seit 6 monaten in Schottland auf einem austauschjahr, in einer kleinstadt in der naehe von Glasgow. Ich habe mich so wahnsinnig auf dieses Jahr gefreut. Ich bin in Ost Africa aufgewachsten und habe dort 10 jahre gewohnt, und habe die letzten 5 jahre in deutschland verbracht und wollte einfach mal wieder was anderes kennenlernen, etwas anderes neues ausprobieren und eigentlich hier meine schule abschliessen und dann stuedieren gehen in St. Andrews.

Nun zu meinem problem: seit ungefaehr 3 monaten schon fuehle ich mich wahnsinnig leer, ich habe sehr komische gedanken, die ich vorher nicht hatte, habe einfach das gefuehl, ich lache gar nicht mehr, habe hier eigentlich keine wirklichen freunde gefunden, da es mir einfach so vorkommt, als sind die leute hier alle noch nicht so reif (das soll keine kritik sein). ich wohne in einem internat und ich komme mir vor wie in einem gefaengnis. ueberall sind videokameras, fingerabdrucksystem an der tuere, schlechtes, sehr ungesundes essen, leute die sich einfach irgendwie gegenseitig fertig machen usw. ich fuehle mich hier einfach sehr unwohl. ich kann keine richtige unterhaltung mehr fuehren mit freunden oder mit meiner familie am telefon, ich hab eigentlich keine richtige meinung mehr, ich wache in der frueh auf und freue mich einfach ueberhaupt nicht auf den tag und wuerde am liebsten liegenbleiben. es tut so weh, meine mutter hat zu mir am telefon gemeint, sie hat das gefuehl, ich bin wirklich auf eine art und weise krank. vor 3 wochen haette ich gedacht, ich bin verrueckt. ich konnte mich nicht mehr konzentrieren in der schule, konnte kein buch mehr lesen, konnte die leichtesten fragen nicht ohne stottern und zittern beantworten und bin wirklich jedem aus dem weg gegangen. dann kamen mein bruder und ein paar freunde rueber, weil ich geburtstag hatte, und sie haben mir echt kraft gegeben. sie waren nur ein wochenende da, aber nach diesen 2 tagen war ich irgendwie wieder so selbstbewusst, so froehlich, so gut drauf, wie ich eigentlich normalerweise bin. lezten sonntag bin ich dann aufgewacht in der frueh, und hatte wieder den eindruck, dass mich dieses gefuehl wieder einholt. am abend ging es mir dann wieder genauso bevor meine freunde kamen. ich hatte echt 2 so schoene wochen und jetzt bin ich seit einer woche wieder in diesem loch drin. ich fuehle mich einsam, sehr unmotiviert, kann mich nicht konzentrieren und ich habe in der naechsten woche ein haufen pruefungen in der schule. wenn jemand mit mir redet dann muss ich ihn oft 2 oder 3 mal fragen, was er jetzt eigentlich gesagt hat, und dann weiss ich gar nicht, was ich darauf antworten soll. ich rede nicht viel momentan, eigentlich war ich immer voll die laberstrippe, sehr schlagfertig, und einfach total irie drauf. momentan bin ich so traurig, dass ich schon garnicht mehr weinen kann.

ich will dieses jahr unbedingt schaffen, ich glaube, ich will es mir selber beweisen, dass ich es kann. in meinem bewusstsein weiss ich zwar, dass ich wieder heim kann, aber in meinem unterbewusstsein ist irgendwas, was mir die ganze zeit sagt, dass ich es schafften MUSS, um es den anderen zu beweisen. im januar bin ich 18 geworden, irgendwie fuehle ich mich ueberhaupt nicht erwachsen und habe momentan vor so vielen dingen angst. ich fuehle mich einfach so verdammt leer, ich will dagegen ankaempfen, aber ich weiss einfach nicht wie.
bitte gebt mir einen rat, wie ich mich aus dieser ELENDIGEN situation retten kann. eins weiss ich ganz sicher: wenn ich aus diesem disaster wieder draussen bin, werde ich auf menschen, die sich schlecht fuehlen ganz anders zugehen, weil ich dann weiss, wie es solchen menschen geht. aber bis dahin muss ich mich erstmal selbst aus dieser schlimmen situation befreien und ich weiss einfach nicht wie. bitte helft mir!
ich freue mich auf eure antwort.
euer lukas

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Lukas!

Nicht erschrecken, aber ich denke, Du bist wirklich krank. Heimwehkrank. Als Du Besuch von 'Zuhause' hattest, ging es Dir wieder gut, hast Mut gefunden, warst wieder Du selbst. So langsam schwinden die Kräfte wieder, die Du daraus ziehen konntest und Du stehst wieder vor den Problemen, die auch da waren, bevor Du Geburtstag hattest.
Dir fehlen all die vertrauten Gesichter, das Leben, das Du vorher kanntest. Du fühlst Dich dort nicht wohl, fühlst Dich fremd und nicht dazugehörig.

Persönlich denke ich, man muss nicht alles aushalten, auch wenn man sich selbst einmal dafür entschieden hat. Es geht Dich schlecht und daher muss die Situation geändert werden. Was bringt Dir dieses Jahr, wenn es Dir dabei so schlecht geht? Du solltest Dich nicht so sehr unter Druck setzen und es schaffen wollen müssen.

Als Du noch zu Hause warst, hattest Du Fernweh, wolltest mal wieder was anderes sehen. Irgendwie scheint da in Dir eine innere Zerrissenheit zu sein, weißt nicht genau, wo Du hingehörst. Das mag damit zusammenhängen, dass Du in Deinem jungen Leben schon viel erlebt hast, immer mal in einem anderen Land lebtest. Aber das ist nicht zu ändern. Und die meisten würden Dich darum beneiden. Ich bin sicher, eines Tages wirst Du irgendwo ankommen und wirklich zu Hause sein.

Es ist sehr schwierig, Dir für bzw. gegen die jetzige Situation Tips und Ratschläge zu geben. Denn ehrlich gesagt, kann ich mir das Leben in einem fremden Land nicht wirklich vorstellen. Es ist halt doch etwas anderes, als dort eben mal Urlaub zu machen. Aber da Du schreibst, dass Du dieses Jahr unbedingt schaffen möchtest, für Dich selbst, will ich es mal versuchen.

Du kommst Dir vor wie in einem Gefängnis. Das kann ich auf eine Art nachvollziehen, so wie Du es beschreibst. Aber sag Dir selbst, Du bist frei. Es ist Dir frei, zu gehen, wenn Du das willst. Versuch, all diese Technik um Dich herum aus den Gedanken zu streichen. Die Kameras sind zwar da, aber ignoriere sie einfach. Und so ein Fingerabdrucksystem hat ja auch sein Gutes. Du kannst niemals den Schlüssel verlieren. Sieh es einfach so rum. An dem Haus und seiner Ausstattung wirst Du nichts ändern können, zieh die guten Dinge daraus. Was wirklich zählt, ist das, was zu ändern ist.

Ich weiß ja nicht, wie die Schulordnung bei Dir so vorsieht, aber vielleicht ist es ja möglich, einfach öfter mal essen zu gehen? Wenn es Dir dort nicht schmeckt und noch dazu ungesund ist, dann musst Du Dir eben etwas anderes suchen. Das muss ja nicht immer sein, nur dann und wann. Und ich kann mir vorstellen, dass es Dir sehr gut tun wird, auch mal etwas anderes zu sehen, als den Speiseraum im Internat. Vielleicht würden ja auch ein paar Mitschüler mitkommen?

Womit wir bei dem größten Problem wären. Ich denke, dass größte Unwohlsein resultiert daraus, dass Du wenig Anschluss hast, Dich reifer fühlst, als Du die anderen siehst. Und dadurch verlierst Du immer mehr Deine Motivation, Du musst Dich wenig auseinandersetzen, also wozu eine feste eigene Meinung haben? Wenn man zu sehr für sich ist, verliert man sich selbst schneller als man denkt.

Ich kenne weder Dich noch Deine Mitschüler und weiß auch nicht, wieviele ihr seid. Aber ihr seid doch alle so ziemlich in einem Alter, da müssen sich doch gemeinsame Interessen finden lassen. Eine Sportart, Filme, Ausgehen, Spiele, irgendetwas. Ich weiß nicht, was Du schon versucht hast, um mehr in eine Gruppe hineinzukommen und dagegen anzusteuern, dass man sich untereinander immer nur fertig macht. So etwas kostet viel Kraft und davon hast Du im Augenblick sehr wenig. Aber der Aufwand kann sich lohnen. Halt die Situation nicht einfach aus, sondern versuch, sie zu ändern. Bleib nicht allein.

Ich kann mir vorstellen, dass es Deinen Mitschülern in manchen Punkten auch nicht viel anderes geht als Dir; schließlich habt ihr eines alles gemeinsam: ihr seid in diesem Internat. Was nicht negativ klingen soll. Es ist eine erste Gemeinsamkeit, auf der man aufbauen kann.

Wenn man keine Motivation mehr hat, muss man sich etwas suchen, was sie zurückbringt, wenn man von dieser inneren Leere gequält wird, muss man versuchen, sie zu füllen. Das ist leichter gesagt, als getan, ist mir vollkommen klar. Tu Dinge, die Dich aufmuntern und Freude bringen. Such Dir etwas in jedem Tag, auf das Du Dich freuen kannst. Mach Dir jeden Tag ein kleines Geschenk.

Wenn Du mir darin Recht gibst, dass Du auf eine Art Heimweh hast, dann hol Dich doch ein Stück Heimat nach Schottland. Das können Bilder sein, kleine Teile im Tagesablauf, habe öfter Kontakt mit Deiner Familie, versuch, sie Dir gefühlsmäßig näher zu bringen.

Ich wünsche Dir alles Gute und endlich eine schöne Zeit in Schottland!