Problem von Anonym - 21 Jahre

hilfe

Hallo, ich habe vor einiger Zeit bemerkt das ich andere Frauen aktraktiv finde oder sie sehr hübsch... War bzw, bin zurzeit mit einer männlichen person zusammen. Ich weiß nur nicht ob ich jetzt bi oder lesbisch bin. Ich schaue mir bei "musically" oft videos von LGBT Mädels an. Und ich finde manche echt sehr anziehend. Natürlich könnte ich es ausprobieren nur bin ich sehr unerfahren in sowas und somit auch sehr nervös. Ich habe s bisher nur einem besten Freund erzählt. Außerdem gibt es in meiner Gegend sehr sehr wenige bis gar keine LGBT und wenn sind sie vergeben. Ich weiß nur nicht ob ich es jetz wirklich bin oder nicht... was kann ich tun... mich beschäftigt das schon ne ganze weile weil ich auch viel besser mit jungs klarkomme als so freundschaftlich mit weiblichen personen und wenn dann sthe ich ihnen sehr nahe.... genauso wie meiner Aller besten Freundin... ich mag sie sehr... ich denke auch mehr als nur freundschaft... nur sie hat einen freund und ich wei0 das sie es nicht ist.... und es nicht sein wird.... wiir haben uns mal freundschaftlich gekpsst.... aber es hat einwenig gekribbelt... ich weiß einfac langsam nicht mehr weiter.... ich bin nur noch am nachdenken und kann kaum mehr schlafen....

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Du stehst mitten in einer spannenden Entwicklung, die dir zwar Kopfzerbrechen bereitet, doch dich auch enorm wachsen lassen und dir förmlich Flügel verleihen kann! Wenn du deine Neigungen eines Tages in voller Form zulassen und ausleben kannst, wirst du dich wahrscheinlich "vollständiger" und damit glücklicher fühlen, unabhängig davon, wie ausgeprägt dein lesbischer/bisexueller Anteil in dir nun genau ist.
Vielleicht hilft dir diese Vorstellung, dich selbst nicht so zu verunsichern, was du nun "bist" und lieber alles zuzulassen, was dir gefällt, ohne es gleich einzusortieren in feste Kategorien!
Ich vertrete die Auffassung, dass es gar nicht so hilfreich ist, sich selbst streng einzuordnen in "hetero", "bi" und "lesbisch"/"schwul", wenn man noch ganz am Anfang seiner sexuellen Identitätsfindung ist. Ich denke, die meisten Menschen könnten sich potenziell in alle Geschlechter verlieben, weil Geschlecht ja nur eine von vielen Merkmalen ist und es auf den ganzen Menschen in seiner Wirkung auf andere ankommt. Und ich glaube, dass es längst nicht so festgelegt ist, dass man ausschließlich hetero - oder homosexuell ist, wie uns immer Glauben gemacht werden soll. Wenn wir in einer wirklich freien Gesellschaft leben würden, würde es vermutlich viel häufiger vorkommen, dass Personen zwischendurch eine Beziehung oder ein Abenteuer mit einer Person eines gleichen oder anderen Geschlechts eingehen würden, wenn sie sich ansonsten zu einem hohen Prozentsatz als hetero oder homo sehen würden. Dann käme es z.B. öfter vor, dass eine Frau wie du, die meistens mit Männern liiert ist, sich zwischendurch eine Sexualpartnerin sucht / eines Tages eine langjährige Liebesbeziehung mit einer anderen Frau eingeht und gleichzeitig sagt, dass sie sich sehr stark zu Männern hingezogen fühlt (aber eben auch manchmal zu Frauen). Sie würde sich dann vielleicht trotzdem als heterosexuell betiteln und nicht als bisexuell.

Davon abgesehen, sehe ich in deiner Darstellung vorrangig die Schwierigkeit, dass du deine Gedanken und Gefühle mit den zwei wichtigsten beteiligten Menschen bisher nicht besprochen hast.

Dein Partner - welchen Stellenwert hat er für dich? Liebst du ihn und willst ihn als Freund nicht verlieren, muss er allein aus Fairnessgründen erfahren, was in dir vorgeht. Es vor ihm geheim zu halten, ist kontraproduktiv, weil es euch langfristig voneinander entfernt, wenn du gedanklich schon immer mehr wegdriftest. Lässt du ihn aber teilhaben, hat er nicht nur die Chance, dir seelisch beistehen, sondern auch hilfreiche Dinge in den Raum werfen: Er könnte mit dir zusammen zu einem einschlägigen Stammtisch fahren oder dich einfach ermutigen, dich mit einer Frau zu treffen.
Hier komme ich zum Stichwort Beziehungsöffnung - Erfahrungen mit anderen Frauen wären ja in deiner Situation nur in Ordnung, wenn es mit deinem Freund abgesprochen ist, d.h. ihr eine bewusst offene oder sogar polyamore Beziehung lebt. Alles andere wäre ein Hintergehen, das solltest du keinesfalls in Erwägung ziehen!
Natürlich kann er das alles auch ablehnen,. Du müsstest also damit rechnen, dass er weder für eine Beziehungsöffnung, noch für eine aktive Unterstützung deines Entdeckens zu haben wäre. Doch Kompromisse sind erstens ja trotzdem denkbar (z.B. zu sagen, er lässt es zu, dass du dich phasenweise mit Frauen triffst, um es einfach einmal ausprobieren zu können oder dass du mit deiner besten Freundin erotischen Kontakt pflegen darfst - oder, wenn das alles schon zuviel für ihn wäre, dass du wenigstens lesbische Pornos sehen darfst). Solche Konfrontationen brauchen auch Zeit, dass man sich an bestimmte Vorstellungen gewöhnen kann. Es kann also sein, dass dein Freund auf lange Sicht nichts dagegen hätte, das am Anfang aber schlicht nicht abschätzen kann und sich z.B. ersteinmal bedroht oder überrumpelt fühlt. Dann gib ihm die Zeit, sprich es immer wieder vorsichtig an und frage ihn, was ihm Angst macht, was für ihn in Ordnung wäre und ob es für ihn vielleicht auch reizvoll wäre, mit anderen Menschen sexuell aktiv zu sein. Denn das ist ja das Schöne an der Offenheit: Dass beide Partner:innen gleichberechtigt andere (Sexual)beziehungen eingehen dürfen.

Wogegen er faktisch nichts tun kann: Du hast eben großen Gefallen an Frauen, Punkt. Diese Information bringt ja eure Beziehung nicht in Gefahr. Eine Gefahr wäre, wenn ihr euch nicht mehr liebt, euch betrügen oder auseinanderleben würdet (oder alles zusammen).
Sollte er sehr ablehnend reagieren, musst du ihm klar machen, dass du nicht einfach Anteile deiner sexuellen Identität ausknipsen kannst! Es gehört zu dir dazu und darf nicht unterdrückt werden! Hier ist es besonders heikel, weil es dann schon in die Richtung gehen kann, wie wichtig ist dir die Partnerschaft mit ihm - und worauf kannst du ihm zuliebe verzichten...
Reagiert dein Freund positiv auf dein "Geständnis", kannst du im nächsten Schritt versuchen, bei deiner besten Freundin einen Treffer zu landen. Auch das sollte dein Freund natürlich wissen. Außerdem kannst du dann sowohl virtuell als auch im echten Leben aktiv(er) nach Frauenkontakten suchen.

Dann finde ich als zweites Gespräch wichtig, mit deiner besten Freundin zu klären, wie sie den Kuss mit dir empfunden hat, ob sie sich grundsätzlich was mit dir vorstellen könnte, was reine Freundschaft übersteigt oder ob sie dich sexuell absolut nicht anziehend findet. Du hast geschrieben, dass du weißt, dass sie nichts empfindet. Aber hast du da wirklich so konkret nachgehakt oder glaubst du es nur zu wissen?
Egal ob sie sich mehr mit dir vorstellen kann oder nicht: Als beste Freundin kann sie dir helfen, dich zu trauen, mit anderen Frauen und/oder einfach bei LGBT - Veranstaltungen dabei zu sein (in Abklärung mit ihrem Freund).

So, und neben der realen Treffen kann ich dir zum ersten "Herantasten" das Internet empfehlen. Da gibt es ja einschlägige Foren und Netzwerke für LGBT - Personen, die du bestimmt schon kennst. Als Dating-Plattform, in der sich auch viele nicht-heterosexuelle Leute finden, kann ich dir OkCupid nennen: https://www.okcupid.com/ Das ist eine für alle sexuellen Spielarten und geschlechtlichen Identitäten deutlich offenere und nicht so konservative Datingseite wie die allermeisten anderen. Es lassen sich auch platonische Bekanntschaften machen - und einfach unverbindliche Gespräche beginnen, was z.B. zum Erfahrungsaustausch sehr nützlich sein kann. Vielleicht würdest du dort Frauen kennenlernen, die gar nicht an den Treffen und Stammtischen in deiner Region teilnehmen wollen oder können!

Ich wünsche dir viel Erfolg, dass deine Beziehungen klären und dann hoffentlich bald weitere Erfahrungen mit Frauen haben kannst! Viel Spaß :)

Nuala