Problem von Anonym - 31 Jahre

Angst/mangelnde Selbstliebe

Hi, ich weiß gar nicht so richtig wo ich anfangen soll, ich versuch es mal kurz zu erklären, als Kind /Jugendlicher wurde ich in der Schule viel gemobbt über Jahre und hab mich auch meist nur in meiner Freizeit vor die Konsole gesetzt, ich hatte zwar "Freunde" aber bin eher seltener weg gewesen, da ich schon immer unter Sozialer Phobie litt, auf Partys ging das immer da ich ordentlich getrunken habe.
Beim anderen Geschlecht hatte ich es immer schwer, konnte nur mit Alkohol Frauen kennenlernen. Ich hatte auch immer mal wieder mit Depressionen zu tun, ich hab Verkäufer gelernt trotz der Ängste, bin aber nie wirklich weiter aus mir rausgekommen, mit ca 25 lernte ich meine ex kennen, mit der ich dann 3 Jahre zusammen war, sie war einfach alles für mich und ich war noch nie so glücklich in meinem Leben, bis dahin wurde mein Freundeskreis immer kleiner und als meine ex Schluss machte war ich am Boden zerstört und wollte auch nicht mehr Leben, ich kam so viel rum in der Beziehung und war immer unter Menschen, (ihre Familie und ihre Freunde) Das einzig positive ich bin nicht mehr ganz so Schüchtern wie Früher, konnte also was dazu gewinnen. Ich hab mich nach der Trennung, mit Persönlichkeitsentwicklung auseinander gesetzt, (jetzt schon 2,5 Jahre) und ich war auch 10 Wochen in einer Klinik, wo man mir auch eine Kombinierte Persönlichkeitsstörung diagnostiziert hat, mittlerweile konnte ich meine Schüchternheit und meine Depression verbessern, Aber mir wurde klar das ich dennoch trotz das ich Groß, Sportlich, gut Aussehend, belesen, Ehrlich, Treu bin, einfach keine Chance bei Vernünftigen Frauen habe und ich Weiß auch Warum, weil ich mich mit den Themen intensiv auseinander setze, (Selbstwertgefühl,Selbstvertrauen,Sellbstbewusstsein etc.) auch mit Coaching zu diesen Themen um es Kurz zu sagen.
Alles was ich mir wünsche ist, mir mit einer Frau, glücklich werden, so wie ich es mit meiner ex war und mir ein Leben mit ihr Aufbauen.
Ich merke aber das ich auch wenn ich schon so viel versuche, ich nicht alleine sein mag, ich bin sehr viel alleine und dann geht es mir an manchen Tagen, wenn ich mich nicht beschäftige oder ablenke, wieder sehr schlecht, ich bin viel auf Dating Seiten und merke es kommt nix bei rum und denn fühle ich mich wieder schlecht.
Ich entwickel mich langsam auch zum Hypochonder,
Ich hab vor kurzem anscheinend ein HWS-Syndrom bekommen und seitdem viele Missempfindungen, Kribbeln, Taubheitsgefühle, Muskelzuckungen, Schwindel und renne Seitdem zu verschiedenen Ärzten und das Problem konnte leider noch nicht genaustens gefunden bzw behoben werden.
Ich hab meine Ernährung Umgestellt und nehme auch einige Nahrungsergänzungsmittel und habe mich sehr in den Themen eingelesen, leider auch über Krankheiten und wie sie entstehen und durch meine Symptome oft Angst, grade wenn ich zur Ruhe komme, das ich ein Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommen könnte und lebe mein leben z.t. mit angezogener Handbremse, grade was den Sport betrifft halte ich mich etwas zurück.
Ich hatte schon als Kind häufig Angst vor dem Tod.
Ich bin ein sehr Sensibler Mensch mit dem Hang leicht Ängste zu entwickeln, welche Frau möchte schon sich ein leben mit so jemanden wie mir aufbauen?
Ich hab das gefühl mir läuft die Zeit davon und habe gefühlt schon alles versucht, ich lerne aber auch keine neuen Menschen kennen weil ich dafür einfach noch zu introvertiert bin, ich seh mich in Zukunft an meinen Ängsten und meiner Einsamkeit zugrunde gehen wenn sich nicht etwas ändert, ich warte im Grunde genommen auf die Frau die mich rettet, obwohl ich selber weiß das dass nicht funktionieren wird, aber wie schaff ich es endlich mit all diesen Problemen mich selbst zu lieben und zu akzeptieren?
Ich kenne doch die Mittel und Übungen, aber ich komm einfach nicht weiter.
Ich hab inzwischen Umgelernt und bin jetzt als gelernter Glas und Gebäudereiniger tätig und fühle mich auch mit dem Job nicht wohl, aber ich wüsste auch gar welcher Job mich erfüllt, da ich schon so viel probiert habe, ich hab auch ein Aggressions Problem womit ich mich aber nur selbst schade, da ich immer alles in mich hineinfresse und dann irgendwann explodiere und evtl irgendwas kaputt mache. Ich seh mich immer mehr als hoffnungslos an, aber ich weiß auch nicht was ich machen soll oder wo ich hin soll.

Anna Anwort von Anna

Lieber Anonymer,

vielen Dank für Dein Vertrauen und für Deine lange Nachricht, aber auch für Deine Offenheit. Mir scheint, Du weißt genau, wo die Probleme liegen; Du bist sehr selbstreflektiert und kannst Deine Gefühle gut in Worte fassen. Du weißt, wo Deine Stärken liegen, aber noch viel mehr, wo Deine Schwächen liegen und bist Dir sicher, dass Deine Stärken bei DIESEN Schwächen nicht allzu viel zählen können. Du scheinst zu denken, dass Du Dich erst ändern musst, bis Dich eine Frau wirklich wollen kann. Ich weiß, Du hast bereits geschrieben, dass Du ein geringes Selbstwertgefühl hast und genau das zeigt sich ja in dieser Sichtweise auch.
Aber ich denke, Du solltest es der Frau selbst überlassen, sich ein Bild von Dir zu machen. Du kennst Dich nur aus Deiner eigenen Perspektive, aber es ist möglich, dass Du nicht alles von Dir kennst, auch, wenn Du Dich schon lange mit psychologischen Themen auseinander gesetzt hast. Wer Dich allerdings ganz anders und aus anderen Perspektiven sehen kann, ist die Frau, die sich in Dich verliebt. Auch, wenn Du sie noch nicht gefunden hast, denke ich, ist es eine Frage der Zeit bis Du den Menschen triffst, der Dich so liebt wie Du bist und für den Deine Schwächen vielleicht gar nicht so sehr zählen und der vielmehr Deine Stärken sieht, die Du selbst vielleicht gar nicht so richtig wertschätzen kannst. Dieser Mensch ünterscheidet Deine Person vielleicht nicht einmal in Schwächen und Stärken, sondern sieht Dich als ganzen Menschen, der genauso liebenswürdig ist, wie er eben ist. Diese Person kann bei Dir vielleicht ihre eigenen Zweifel und Ängste vergessen, ihre eigenen Selbstwertprobleme und selbst zu einem ganzen Menschen werden, ohne sich im Mahlwerk der Selbstoptimierung zerreißen zu müssen. Dass Du so einen Menschen findest, das wünsche ich Dir von ganzem Herzen. Und ich bin sicher, dass wenn Du ihn findest, es keine Rolle mehr spielt, was Du in Selbsthilfebüchern gelesen, wie weit Du schon an Dir gearbeitet hast. Das ist dann vollkommen egal.

Ich möchte damit aber nicht sagen, dass es nicht gut wäre über sich selbst nachzudenken. Manchmal scheinen das die Wenigsten zu tun und gerade die nicht, die es vielleicht mal sollten. Zum Beispiel die, die nur an sich denken, denen es das Wichtigste ist, viel Geld zu verdienen, erfolgreich zu sein, koste es was es wolle und die keine Rücksicht auf andere nehmen. Ich glaube, so ein Mensch bist Du nicht. Du gehörst zu den "Guten", und die sind meistens traurig. Gerade sehr sensible Menschen leiden oft unter unserer beschleunigten Gesellschaft, unter dem Leistungsdruck, unter der Erwartung der ständigen Selbstoptimierung. "Du kannst alles, wenn Du es nur willst." "Du kannst werden, wer immer Du sein willst." Oder noch viel eher: "Werde jemand! Sei bedeutsam!" Der Arbeitsmarkt liebt Menschen, die sich selbst gut profilieren können, die sich dazu noch gut verkaufen können. Und wer das nicht kann, der kann das ja in einem Coaching lernen. Doch das führt zur Selbstentfremdung. So wie Dating-Seiten, Instagram, Facebook. Sie alle sind darauf ausgelegt, "jemand zu sein", besonders zu sein, besonders toll, besonders sportlich, attraktiv, vermögend oder wenigstens doch interessant. Und da das jeder sein will und überlegt, wie er sich wenigstens nach außen so zur Schau stellen könnte, fängt an, sich mit den Augen des Kapitalismus zu sehen, überlegt, was er in seinem Leben am besten ausschlachten könnte und denkt, dass nur wenn er ganz oben mitschwimmt, sich eine Frau für ihn interessieren könnte.
Ich glaube, es ist die Gesellschaft, die Menschen richtig krank machen kann. Und wenn sie dann krank sind und nicht mehr für den Arbeitsmarkt tauglich, dann wird es schwer wieder Fuß zu fassen. Und das gehetzte Individuum sucht die Fehler alle nur bei sich.
Ich möchte aber Deiner Beschäftigung mit Dir selbst auch Rechnung tragen. Es ist nicht nur die Gesellschaft im weitesten Sinne, die einen krank macht. Auch die familiären Strukturen, aus denen man kommt, können schon den Keim für psychische Probleme gelegt haben und sind möglicherweise durch eine Therapie zu beheben. Wie wäre es denn für Dich, regelmäßig Therapiesitzungen zu besuchen? Bei einem Therapeuten oder einer Therapeutin, bei dem/der Du Dich wohlfühlst und wo Du Vertrauen fassen kannst? Ich kann mir vorstellen, dass Dir das weiterhelfen könnte.

Wenn ich Deinen Text lese, kommt mir immer mehr das Gefühl, dass Du irgendwie von Dir selbst entfremdet bist. Dass Du etwas arbeitest, womit Du Dich nicht identifizieren kannst, dass Du Dich selbst im Kreis drehst, wenn Du Dich mit Deiner Psyche beschäftigst, aber dass das Gegenüber fehlt, um Dich zu verankern und das Karussell anzuhalten. Dass Du auf der Suche nach Dir selbst bist und Dich dabei aber immer mehr verlierst. Im Folgenden würde ich Dir gerne einige Links an Herz legen und hoffe, dass Du dort mehr Antworten findest:

Eine Radiosendung mit dem Psychotherapeuten Eugen Drewermann, der meiner Meinung nach, vielleicht weil er auch aus der Theologie kommt, eine sehr menschliche und symbolhaft ästhetische Sicht auf Dinge hat. Wenn Du Dich im Channel rumklickst, wirst Du noch auf viele andere interessante Beiträge zu verschiedenen Themen stoßen, zum Beispiel auch zum Thema Liebe.
https://www.youtube.com/watch?v=E3cGbJeSnpA

Eugen Drewermann interpretiert außerdem Märchen tiefenpsychologisch und oft scheint es, als gäbe es für jeden Menschen meist auch ein ganz persönliches Märchen, das irgendwie von seiner eigenen Tragödie erzählt.
https://www.youtube.com/watch?v=0mrPt5FxqXo

Außerdem zwei Links zum Thema Hochsensibilität:
https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/53/Hochsensibilitaet.html
https://hochsensibelsein.de/

Außerdem ein französischer Film (gibt es aber auch auf deutsch):
https://www.youtube.com/watch?v=FzkEKvtnzeo

Ich hätte gerne noch mehr geschrieben, hoffe aber, dass ich Dir hiermit bereits helfen oder Dich zum nachdenken anregen konnte. Ich wünsche Dir alles alles Gute!

Viele Grüße,
Anna