Anwort von Nuala

Lieber Nici!

Ich finde es ganz toll und vorbildlich, wie du dich um diese Freundin kümmerst! Auch dass du dir viele Gedanken machst, wie du ihr helfen kannst, ist echt klasse und verdient Anerkennung. Danke dafür!

Am besten hilfst du ihr, wenn du weiterhin für sie da bist und mit ihr redest.
Trefft euch zum Reden bitte an ruhigen Orten, an denen sie sich sicher und wohl fühlt.
Solche Themen solltet ihr nicht per WhatsApp besprechen, weil diese intimen Informationen dort nicht sicher sind. Nutzt dann lieber bessere Chatprogramme, die richtig verschlüsselt sind und dadurch die Privatsphäre geschützter ist!

Ermutige sie, sich einer Lehrkraft oder einem anderen Erwachsenen anzuvertrauen. Es kommen auch Vertrauenslehrer:innen und Sozialarbeiter:innen eurer Schule, Leute vom Jugendamt und Beratungsstellen in Frage.
Du kannst ihr anbieten, sie bei einem Gespräch zu begleiten, damit es für sie leichter ist, sich zu öffnen. Also am besten überlegt ihr gemeinsam, wen sie einweihen kann und ob sie dich dabei haben möchte. Mach ihr dabei aber bitte keinen Druck. Stell dich darauf ein, dass sie einfach nur reden möchte. Das allein ist schon gut, weil sie sich erleichtern und ihre Gedanken ordnen kann.

Der nächste Schritt muss trotzdem der sein, dass zumindest du dir weitere Hilfe suchst. Wende dich an geeignete Erwachsene, um mit ihnen eine Lösung zu finden. Denn du solltest mit dieser Verantwortung nicht allein bleiben, damit du nicht überfordert wirst.

Es kann sein, dass deine Freundin psychologische Hilfe braucht, weil diese Gewalt sehr tiefe Spuren hinterlässt und sie allein mit den schlimmen Folgen nicht leben kann, ohne von Angst, Trauer, Scham und anderen Empfindungen gequält zu werden. Das wäre dann ein späterer Schritt, der nach dem Gespräch mit erwachsenen Vertrauenspersonen und ihrer Mutter folgen kann.

Ihre Mutter muss früher oder später davon erfahren, dass ihr Mann seine Tochter vergewaltigt. Spätestens wenn es um eine Therapie und vielleicht auch eine Strafanzeige geht.
Die eingeweihte Person sollte dann dabei sein, wenn es um eine Aussprache mit der Mutter geht. Das kann verhindern, dass die Mutter sofort "mauert" und alles abstreitet. Dann kann der:die Erwachsene einschreiten und sagen, dass sie ihrer Tochter glauben soll, anstatt einen Täter zu schützen. Sie muss der Wahrheit ins Auge blicken, auch wenn es sehr schmerzhaft für sie ist.

Ich sehe es wie du: Ihr Vater muss dafür bestraft werden. Nur kann niemand deine Freundin zwingen, es ihrer Mutter und der Polizei zu sagen. Du kannst ihr aber gut zureden, sich doch noch ein Herz zu fassen, und sei es erst später. Mach ihr bewusst, dass ihre Mutter sie ja auch liebt. Sie muss zumindest für ihr Kind da sein! Es darf also nicht wichtiger sein, dass sie mit ihrem Mann in einer Liebesbeziehung ist, wenn er gleichzeitig Verbrechen in der Familie begeht!

Hier noch ein Link zu einem Problem eines selbst betroffenen Mädchens, das ebenfalls Gewalt durch den Vater erlebt. https://mein-kummerkasten.de/330549/Angst-vor-meinem-Vater.html
In meiner Antwort habe ich auch Maßnahmen genannt, die sie anwenden kann, um sich daheim mehr zu schützen. Diese kannst du deiner Freundin zeigen und mit ihr überlegen, was sie gut umsetzen und ihr damit etwas mehr das Gefühl von Sicherheit in der Wohnung geben könnte.
Außerdem habe ich unten hilfreiche Links über sexualisierte Gewalt zum Nachlesen eingefügt.

Alles Liebe,
Nuala

PS: Bleib bitte so ein treuer Freund, das ist so viel wert! :)