Problem von Anonym - 14 Jahre

Ich will mich Umbringen,bin mir aber nicht sicher...

Hey,ich hatte heute nen richtigen "scheiss" tag. Ich habe seit mehreren Monaten Suizidgedanken und war immer am überlegen einfach von einem Haus runter zu springen weil das sehr schnell und schmerzlos sein soll. Ich werde in der Schule gemobbt,habe schlechte Noten. Meine Eltern sind geschieden und meine Mutter hat keinerlei vertrauen in mich. Ich habe keine ahnung was ich hier noch schreiben soll. Dinge wie "rede mit einem Lehrer" helfen leider gottes nicht da ich mich sowas nicht traue.

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Anonymer,

was entscheidend ist: Du äußerst, was dich beschäftigt. Daraus möchte ich den Schluss ziehen, dass du dich - zum Glück - noch nicht völlig aufgegeben hast.

Es ist dein Recht, nur soviel mitzuteilen, wie du auch mitteilen möchtest. Daher kann ich mit meinen Gedanken nur an das anknüpfen, was du geschrieben hast. Aber das ist in Ordnung. Ich will dich zu nichts verpflichten - ich mache dir nur ein Angebot.

Versuche grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den Dingen, die in deiner eigenen Verantwortung liegen - das sind nicht viele, da du noch sehr jung bist und Schüler -, und denen, die außerhalb deiner Macht stehen. Du bist zu jung, um dich selbst für die Lebenssituation deiner Familie verantwortlich fühlen zu müssen. Dass deine Eltern ihre Beziehung nicht retten konnten, dass deine Mutter dir misstraut, obwohl du für ihr Leben nicht das Geringste kannst - das alles ist deren eigenes Problem, liegt in deren Verantwortung. Es ist sicher schwer, dich nicht schuldig zu fühlen für diese Dinge, denn wer hätte nicht gerne eine heile Familie? Das ist der verständlichste Wunsch, den es gibt. Eine Familie, die Schutz bietet, und Eltern, die einem mit Verständnis begegnen, sind ein menschliches Grundbedürfnis.

Da das in deinem Leben aber gerade nicht gegeben ist, ist es wichtig, dass du dich selbst schützt. Damit meine ich: Mach dir klar, dass die Vorwürfe deiner Eltern wegen Dingen, für die du nichts kannst, nicht gerecht sind. Das gilt besonders für deine Mutter, wenn sie dir nicht gut ist. Es ist ihr eigenes Leben, ihre eigenen Fehler, ihr eigener, selbst produzierter Scherbenhaufen, den sie in Misstrauen und Ärger gegen dich umsetzt. Zu Unrecht. Denn du hast ohne Zweifel für deine Eltern während ihrer Scheidung eine Rolle gespielt, weil du ihr Kind bist; mit Sicherheit gab es Streit und böse Worte über dich. Aber "über dich" ist nicht "wegen dir". Das mag deine Mutter sich so einreden - sehr schade bei einer erwachsenen Frau. Trotzdem ist es nicht wahr. Es liegt nicht an dir, dass die Menschen, deren Kind du bist, ihr Leben nicht im Griff haben oder nicht so leben können, wie sie es gerne hätten. Du lebst dein eigenes Leben, und du hast ein Recht auf Ziele und Träume. Schütze dich selbst. Mach dich nicht verantwortlich für etwas, was nicht deine Schuld ist. Lass dich von niemand Anderem dafür verantwortlich machen.

Da du noch zuhause lebst, hast du leider wenig Möglichkeiten, dich deiner Mutter zu entziehen, wenn sie dir etwas vorwerfen will. Entscheidend ist aber: Du weißt es besser. Du bist zu jung, um dich ganz von ihr zu lösen - aber alt genug, um zu wissen, dass sie auch nur ein Mensch ist. Löse dich von dem Gedanken, dass deine Eltern diejenigen sind, die am besten in deine Seele schauen können. Denn sie sind auch nur Menschen, sie kochen auch nur mit Wasser, sind genauso anfällig für Fehlverhalten, sogar für grobe Verfehlungen gegen Andere - einschließlich ihr eigenes Kind. Du erlebst deine Mutter in einer Lage, in der sie ihr eigenes Scheitern auf den Menschen überträgt, der ihr am nächsten stehen sollte: Dich. Das ist absolut unfair und vor allem ungerechtfertigt. Denn nur weil du da bist, weil du eine Rolle in ihrem Leben spielst - sie auch verpflichtet ist, für dich zu sorgen -, bedeutet das noch lange nicht, dass du die geringste Verantwortung für ihre Probleme trägst. Die hat sie selbst geschaffen und muss sie letztlich auch allein lösen. Wenn sie deine Unterstützung nicht will, sondern dir lieber ihre versagt und die Vorwürfe, die sie sich selbst machen sollte, lieber dir macht - dann handelt sie am Ende zu ihrem eigenen Schaden. Denn, wie wir sehen: Sie sorgt dafür, dass du leidest - ganz und gar unverdient -, und dich von ihr entfremdest.

Es wäre schön, wenn dieser Zustand enden könnte. Nur allzu verlockend kann es sein, allem ein Ende machen zu wollen, wenn der Druck gerade zu groß wird. Aber sei ehrlich: Hast du diesen Gedanken, weil du dich selbst für überflüssig hältst? Glaubst du das wirklich? Oder ist es nicht eher so, dass du keinen Ausweg siehst, weil alle um dich herum mit Forderungen und Klagen auf dich einstürmen, die du nicht bewältigen kannst? Es ist verständlich, lieber Anonymer, dass du in dieser Situation nicht mehr ein noch aus weißt. Es ist, als ob du in einen Käfig geraten wärst, aus dem es kein Entkommen gibt als den Tod. Doch dieser Eindruck kann auch trügen: Denn du wirst erwachsen und dein eigener Herr sein. Das, was dir als Käfig erscheint, sind die Ansprüche anderer Leute, mit denen sie selbst nicht umgehen können, und die sie deswegen auf dich werfen. Aber sie können dir nicht schaden, denn du hast Rechte, für die du eintreten kannst. Du wirst noch eine Weile zuhause leben, und wir wissen nicht, ob das Verhältnis zu deiner Mutter sich noch einmal bessern wird. Trotzdem ist der Käfig, den sie um dich baut, in erster Linie ihr eigener. Du empfindest das bedrohlich, weil du aufgrund deiner Jugend nicht fliehen kannst. Doch lass dich nicht täuschen, sieh nach oben: Da wartet noch ein ganzes Leben auf dich.

Es ist nicht so, dass du mit einem Lehrer unbedingt gleich über deine persönlichen Probleme reden musst. In deiner Situation geht es vor allem darum, Prioritäten zu setzen: Es hilft den Menschen, die dir Noten geben müssen, wenn sie wissen, dass dir deine eigene Lage bewusst ist und dass du etwas ändern möchtest. Versuche daher, zunächst einmal zu signalisieren, dass du gerne etwas für bessere Noten tun möchtest. Alles Weitere kann sich dann ergeben. Ehrlichkeit und Offenheit helfen einem immer weiter - davon bin ich überzeugt. Und wenn du es nicht im direkten Kontakt sagen kannst, dann überleg mal, ob du vielleicht eine Mail oder einen Brief schreiben kannst. Denn so verständlich deine Angst ist: Sie bezieht sich auf den ersten Moment des Unbekannten. Sobald du dich einmal geöffnet hast, wirst du dich leichter fühlen. Denn es ist eine Sache, Probleme zu haben; es ist noch schlimmer, privat und in der Schule Probleme zu haben; und am allerschlimmsten ist, beides zu haben und zusätzlich alles in sich "hineinzufressen", weil man sich keine Blöße geben mag. Auch das ist nachvollziehbar, führt jedoch dazu, dass du dich immer bedrängter fühlst und schließlich mit dem Gedanken an den Tod spielst. Damit tust du dir selbst ein Unrecht. Denn du hast einen Anspruch darauf, dass dir geholfen wird, deine Ziele zu erreichen. Nicht die Anderen einen Anspruch, dass du leistest, was sie wollen. Sie sind die Erwachsenen, du bist heranwachsend. Du befindest dich in einem Prozess, in dem du lernst, Erfahrungen machst und dich selbst findest. Dazu können auch Phasen des Misserfolgs gehören. Und wie du weißt, haben sie ihre Gründe. Rede dir nicht ein, dass du funktionieren müsstest - dein Umfeld muss dir erst ermöglichen, ein Mensch zu werden, der sich selbst und allen von Nutzen sein kann. Das kannst du nur, wenn du zufrieden bist.

Du gehst nicht zur Schule, um das zu werden, was jemand anders von dir verlangt. Du gehst zur Schule, um zu erfahren, wer du sein willst, und dich dahin zu entwickeln. Wenn deine Mutter kein Verständnis aufbringt, dass du kein "fertiger" Mann bist - noch nicht sein kannst -, ist das ihre Sache. Aber lass dich nicht davon einschüchtern: Du gehst deinen eigenen Weg, und du wirst ihn gehen.

Du hast nicht viel von dir berichtet, lieber Anonymer. Dass ich dich bitten möchte, dir nichts anzutun - und das tue ich innig! - wirst du dir gedacht haben. Ich will dir nicht vorschreiben, was das Leben für dich bereit hält - du musst es selbst entdecken. Und über das Leben, das du führen kannst, sagt dir deine jetzige Situation noch nichts. Du selbst musst die Neugier und den Mut finden, es zu erfahren - und ich bin sicher, dass du sie findest.

Wenn du den Wunsch oder das Bedürfnis hast, mehr von dir zu erzählen oder zu berichten, wie es für dich weitergeht, würde mich das sehr freuen. Aber ich erwarte nichts von dir. Nur hoffe ich, dass dir klar wird: Du lebst dein Leben, nicht das der Anderen. Es wirkt im Moment, als wäre das dein Leben - die Anderen, die dir böse sind, und deren eigene Baustellen. Aber so ist es nicht. Du lebst. Für dich selbst . Und für Andere nur, wenn du in der Lage bist, dich der Herausforderung zu stellen. So soll es sein - und so kann es auch für dich sein. Doch die Entscheidung dazu treffen, das kannst nur du. Und ich wünsche mir sehr, dass du es tust.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul