Problem von Anonym - 15 Jahre

meine Gefühlslosigkeit

Hallo, ich habe ein Problem und ich weiß einfach nicht mehr was ich machen soll. Vor 2 Jahren ca. habe ich angefangen mich immer öfter mit meiner Mutter zu streiten, es waren oft Kleinigkeiten woran es meistens gelegen hat weiß ich nicht mehr . Es ist aber ganz klar nicht vielleicht deshalb so weil ich in die Pupertät kam oder ähnlichem, es fing einfach an. Durch die ständigen Auseinandersetzungen ist etwas mit mir selbst passiert was eine Reaktion ausgelöst hat zB. kann ich nicht mehr in der Nähe meiner Familie essen, ganz schlimm ist es mit meiner Mama. Es macht mich so aggressiv wenn ich auch nur das kleinste Kaugeräusch höre dass ich aufstehen und gehen muss, es sind schon fast Aggressionen die sich dabei entwickeln. Aber jetzt zum eigentlichen Problem. Ich habe keine Ahnung wie das entstand aber ich kann meinen Eltern so wie meinem kleinen Bruder fast keine Gefühle mehr zeigen, es ist als hätte ich nur eine Laune. Ich bin durchegehend gereizt und schlecht gelaunt, ich gehe Gesprächen mit meinen Eltern so gut es geht aus dem Weg und verkrieche mich in mein Zimmer bzw an einen Ort wo ich ungestört bin. Wenn ich mit meinen Eltern rede sind die Gespräche immer kurz und eher oberflächlich. Selbst wenn sie nichts mit mir reden möchte ich einfach nur weg und nicht in ihrer Gegenwart sein...

Zwar streiten wir jetzt seltener aber das ändert ja nichts am eigentlichen Problem. Wenn wir streiten dann zeigen meine Eltern fast immer wenig Verständnis bzw verstehen sie meine Probleme nicht und nehmen sie nicht Ernst. Das Endresultat ist oft dass ich nur mehr herumschreie weil ich es sonst anders nicht aushalte und ich bin dann auch extrem aggressiv.. ich komme mir einfach ich weiß einfach nicht mehr was ich machen soll. Für manche wirkt das alles vielleicht nicht schlimm aber ich war deswegen schon oft davor mich umzubringen.

Janine Wochnik Anwort von Janine Wochnik

Liebe Fragestellerin,

deine Ängste, dass andere deine Probleme nicht verstehen könnten, sind vollkommen unbegründet. Tatsächlich würde ich sagen das so gut wie jeder nachvollziehen kann, wie es dir geht.
Bei seinen Eltern zu leben und sich so zu fühlen ist nicht schön. Die Personen, die dir eigentlich am nächsten stehen sollten, sind es die dich verletzen.
Das ist schlimm.
Als ich deine Nachricht gelesen habe, bekam ich sofort das Gefühl, du kennst dich sehr genau.
Offensichtlich ist deine Selbstreflexion gut ausgeprägt. Das ist wirklich klasse. Dadurch weißt du was verkehrt läuft und kannst etwas dagegen tun.
Selbst viele Erwachsene bekommen das nicht hin.
Du hast zwar gesagt das es nicht von der Pubertät kommt, doch wahrscheinlich ist das Teil des Problems.
Ich möchte mir nicht herausnehmen zu sagen, dass es nur daran liegt.
Jedoch ist man in dieser Phase einfach grundlos aggressiv, traurig, wütend und vieles mehr.
Das gehört leider einfach dazu.
Man kann aber einiges dafür tun das es besser wird.
Zum Beispiel Tagebuch schreiben. Sport machen. Sich seinen Freunden gegenüber öffnen und auch mit seinen Eltern offen und ehrlich sprechen. Lehrer, Sozialpädagogen und auch Ärzte stehen dafür ebenso zur Verfügung.
In ein paar Jahren wirst du erkennen, dass es tatsächlich zum Problem beigetragen hat. Selbst wenn du es jetzt nicht glauben kannst und fest davon überzeugt bist das deine Einschätzung richtig ist.

So viel zu dem einen Teil des Problems.
Für mich hört es sich so an, als wäre irgendwas schief gelaufen zwischen euch. Du fühlst dich nicht ernst genommen und das ist schwer zu ertragen.
Manchmal neigen wir Eltern dazu die Probleme der Kinder zu bagatellisieren. Wir haben sehr ernste Themen und empfinden die der Jugendlichen als unwichtig.
Dabei vergessen wir, wie es uns früher ging. Wir vergessen, welche Dinge in den Köpfen der Jugend von Bedeutung sind.
Jugendliche haben ganz andere Sorgen und Ängste. Sie stecken zwischen den Welten.
Das macht es extrem schwer. Für die Jugendlichen selbst, aber auch für die Umwelt.

Keiner scheint es zu verstehen. Die kleinen finden die Sorgen lustig, können sie überhaupt nicht verstehen. Und die großen...ja die nehmen es nicht ernst und kommen mit dummen Sprüchen und Ratschlägen.

"Irgendwann wirst du es verstehen."
"Andere Mütter haben auch schöne Söhne."
"Das ist doch keine Liebe, das ist nur verknallt sein."
Das Verständnis fehlt. Nicht weil wir es böse meinen. Sondern weil wir auf einer ganz anderen Ebene denken.
Es ist jedoch unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass wir eure Ebene verstehen. Gelingt uns das nicht, dann hilft manchmal eine kleine Gedächtnisstütze.

Meckert man die Eltern an, werden die erst recht nicht gut reagieren. Redet man aber in Ruhe mit ihnen und versucht es zu erklären, hat man meist Erfolg damit. ZB.:
"Mama, Papa, ich weiß ihr habt ganz andere Sorgen, aber ich bin noch jung. Ich habe nur diese Dinge. Sie sind für mich überlebensnotwendig. Und ich muss lernen. Ihr versteht das alles. Ich nicht."

Sollte das dann noch immer nicht helfen, kann es nicht schaden eine neutrale Person hinzuzuziehen. Jemanden, der weder für deine Eltern, noch für dich ist. Sondern wirklich neutral.
Gemeinsam erreicht man dann meist das Ziel.

Eine andere Möglichkeit ist, dass du mit deinen Eltern gemeinsam zu einem Therapeuten gehst. Dort wirst du Termine alleine haben, deine Eltern allein und auch alle gemeinsam.
Dies kann sehr hilfreich sein.

Solltest du hingegen ernsthafte Probleme zu Hause haben, dann kannst du auch beim Jugendamt anrufen. Hier wird dir Gehör geschenkt und es gibt ganz andere Möglichkeiten.

Abschließend möchte ich dir noch etwas mit auf den Weg geben.
Ich weiß, wie aussichtslos manche Situationen scheinen. Und das man manchmal einfach nicht mehr kann und will.
Doch ich verspreche dir: Das geht vorbei!
Dein Leben hat noch nicht einmal richtig begonnen. Das hört sich blöd an. Aber es ist so.

Wenn du erwachsen bist, dann kannst du essen was du willst. Deine Wohnung einrichten wie du willst. Dir Tiere anschaffen, falls du welche willst. Deine Freunde jederzeit mit nach Hause nehmen. Und es warten noch so viele unglaubliche andere Dinge auf dich!
Das Leben ist nur ein kurzer Moment, der uns manchmal ewig erscheint. Doch je mehr wir gelebt haben, desto kürzer kommt es uns vor!

Selbst wenn es noch so schwer ist. Versuche positive Dinge zu sehen.
Jeden Tag wenigstens eine positive Sache. Egal wie groß oder klein. Zb:
Heute schien die Sonne, heute hatte ich eine gute Note, heute habe ich mich mit meinen Freunden getroffen, usw.

Schaffst du vielleicht sogar mehr? Ich wette darauf!

Die Welt ist zum größten Teil so, wie wir sie sehen wollen. Geht es uns schlecht, ist alles sinnlos und doof.
Geht es uns gut, ist die Welt ein toller Ort.
Versuche das mal. Sei einen Tag mal mit Absicht negativ und schlecht drauf. Schreibe alles auf, was dir auffällt.
Am nächsten Tag bist du positiv , lachst und bist freundlich. Nun schreibst du wieder alles auf.
Am Ende kannst du ja mal vergleichen.

Ich möchte damit nicht sagen, dass man immer fröhlich sein muss. Aber so wie man in die Welt hineingeht, so kommt sie einem auch wieder entgegen.

Nun wünsche ich dir alles Gute.
Liebe Grüße Janine