Problem von Cinja - 18 Jahre

Mein Vater übt psychische Gewalt aus

Hallo,

Ich bin vor zwei Monaten Volljährig geworden und hatte gehofft das ich es mit meiner Mutter zusammen Regeln kann, aber ich weiß nicht mehr weiter.

Ich habe einen Vater, der so wohl mich als auch meine Mutter Psychisch misshandelt. Er beleidigt, sagt das wir dumm sind und nichts können.Er tut es vor den Freunden meiner Mutter und auch vor meinen. Es ist erniedrigend und tut weh. Mein Vater nimmt auch keinerlei rücksicht auf uns. Heute Morgen ist er durchs Haus getrammplt noch vor 6 Uhr. Ich habe Ferien und Mama Urlaub. Mama schläft schlecht und wird von geräuschen sehr schnell wach. Er macht das aber nicht nur Morgens sondern den ganzen Tag, jeden Tag nicht mal Sonntags ist es ruhig hier. Mein Vater Meckert immer rum und gibt uns die Schuld an allem. Er sagt wir sollen im Haushalt helfen, aber wenn ich den Abwasch mache beleidigt er mich aufs schlimmste weil ich es ja ´´Flasch´´ mache. Egal was wir im Fernsehn schauen es ist alles dumm und unnötig und nur ER macht es richtig und hört Radio. Alles ist Falsch und dumm was Mama und ich tun. Ich hatte vor ein paar Jahren schon Starke Depression wegen der ganzen Situation und habe auch versucht mich umzubringen. Es ist ihm aber völlig egal das er mich wieder in diese richtung drängt und nicht nur mich.

Leider ist es so das meine Mutter diejenige ist, die das Geld verdient und deswegen Angst vor der Scheidung hat, weil mein Vater nie arbeiten gegangen ist und sie so mit Unterhalt zahlen müsste. Sie möchte das Haus in dem wir leben nicht verlieren, da es das Letzte ist was ihr von ihren Eltern geblieben ist und sie hier groß wurde.

Ich brauche dringend Hilfe. Ich bin bereit alles zu tun um sie und mich von ihm zu lösen.

Liebe Grüße Cinja

Janine Wochnik Anwort von Janine Wochnik

Liebe Cinja,

es tut mir sehr leid für dich und deine Mutter. Mit so einem Menschen zusammen leben zu müssen ist schrecklich.
Ich finde es großartig das du selbst einen Weg aus dieser Situation finden möchtest.
Das erste was man für so ein Unterfangen benötigt, hast du also schon.
Den Willen da heraus zu kommen!

Ich würde dir am liebsten sagen, dass es ganz einfach ist. Das einen Weg gibt, der nicht sehr steinig ist.
Doch leider habe ich einen solchen nicht im Petto.
Was ich dir jedoch mitgeben kann ist folgender Rat:
Rede mit deiner Mutter. Sage ihr wie schlecht es dir wirklich geht.
Erkläre es ihr auf eine Art, die sie nachvollziehen und verstehen kann.
Zeige ihr auf, dass es auch für sie kein Leben ist. Das es so nicht weiter gehen kann.
Weder für dich noch für sie. Das macht euch beide kaputt.
Wenn man in seinem eigenen zu Hause keinen Zufluchtsort mehr hat, dann fühlt man sich verloren.
Irgendwie ist man das dann auch. Dadurch kann es einem auf Dauer nur schlecht gehen.
Dieser Zustand ist nicht haltbar.

Normalerweise würde ich den Parteien raten ein klärendes Gespräch zu führen. Ich befürchte jedoch, in diesem speziellen Fall werdet ihr damit nicht allzu weit kommen. Dein Vater wird sich bestimmt nicht daran beteiligen, oder zumindest nicht produktiv oder hilfreich sein.
Versuchen könntest du es dennoch.
Frag ihn doch mal wieso er das tut. Warum er so gemein ist. Frag ihn ob ihm klar ist, wie sehr es euch verletzt.
Du kannst auch alleine mit ihm reden. Dann solltest du aber auch nur von dir sprechen und nicht von deiner Mutter.
Solltet ihr gemeinsam versuchen mit ihm zu sprechen, dann gestaltet es ruhig und friedlich. Haut ihn nicht sofort aus den Socken. Dadurch werdet ihr nämlich gar nichts erreichen.

Allerdings würde ich an eurer Stelle vorher einen Plan B im Petto haben.
Schnapp dir deine Mutter. Geh einen Kaffee mit ihr trinken.
Und dann versucht zusammen einen Lösung zu finden.
Eine Lösung ist aber nicht, dass alles so bleibt wie es ist. Das hilft keinem von euch.
Dein Vater wird auch seine Gründe haben zu handeln, wie er es tut. Was nicht bedeutet das es richtig oder gut ist.
Wahrscheinlich fühlt er sich ebenfalls nicht gut. Er lässt es nur an euch aus, weil er niemanden anderen hat.
Würde ich zumindest mal tippen.
Männer kommen schlecht damit klar, wenn sie nicht arbeiten. Zum einen sind sie dadurch abhängig, zum anderen nicht ausgelastet. Ein Mann der kein eigenes Geld verdient und zu Hause bleibt, hat in der Gesellschaft eine schlechte Stellung, was vielleicht ebenso Auswirkungen auf ihn hat.
All das soll aber nicht heißen, dass ihr euch das gefallen lassen müsst oder sollt.

Ich schreibe es nur, weil man so einen anderen Blickwinkel auf die Sache bekommt.
Eure Probleme müsst ihr lösen und dein Vater muss seine ebenfalls lösen.
Als Familie könnt ihr es auch gemeinsam angehen. Dazu muss aber der Wille von allen Beteiligten gegeben sein!

Das deine Mutter sich nicht einfach trennen kann oder will, ist nachvollziehbar.
Da hängt tatsächlich eine ganze Menge dran.
Allerdings solltet ihr euch einmal beim Anwalt erkundigen. Ganz so einfach ist die Sache nämlich nicht.
Dinge die man vor der Hochzeit hatte, die nachweislich nur einer Partei gehört haben, bleiben auch bei einer Scheidung im Besitz desjenigen. Außerdem ist dein Anspruch ebenso zu berücksichtigen.
Die Sache mit dem Unterhalt ist ebenfalls nicht ganz so leicht. Je nachdem was du gerade machst, hast du Anspruch auf Unterhalt von deinen Eltern. Von beiden!
Hier kommt es stark auf das Einkommen deiner Mutter an.
Bevor ich dir jedoch weitere Eventualitäten an den Kopf werfe, solltet ihr euch lieber professionell beraten lassen.

Ihr habt die Möglichkeit zu einem Anwalt zu gehen, zu der Frauenberatungsstelle oder zu einer allgemeinen Beratungsstelle. Jede Variante wird euch weiter helfen können. Außerdem würde ich euch beiden ans Herz legen zu einem Psychologen oder Psychiater zu gehen. Ein solches Verhalten eines Familienmitgliedes hinterlässt Spuren.
Je eher ihr euch Hilfe sucht, desto besser.
Solltest du einmal einen ganz schlimmen Tag haben, dann kannst du dich an ein Sorgentelefon wenden :
0800/111 0 111
Es gibt auch einen Chat, die Möglichkeit E-Mails zu schreiben und persönliche Gespräche.
In jeder Stadt gibt es solche Angebote. Am besten du suchst dir bevor es dazu kommt schon mal Adressen oder Telefonnummern heraus.
Damit du sie dann direkt hast.
Du brauchst keine Scheu oder Angst haben. Diese Leute sind geschult, hören zu und wissen was sie tun.

Eure Situation ist nicht leicht. Ihr könnt es aber schaffen. Ihr könnt diese Situation beenden.
Alles steht und fällt mit euch.
Die Macht habt ihr. Zwar erkennt man das in der Not nicht, doch es ist so.

Du bist eine mutige junge Frau. Du willst leben und du willst kämpfen. Das ist klasse!
Kümmer dich gut um dich.
Und einen Tipp möchte ich dir noch geben. Einen der nur für dich bestimmt ist:
Es mag nicht leicht sein dabei zu zu sehen, wie es deiner Mutter schlecht geht.
Du möchtest für sie da sein und helfen. Das kannst und darfst du auch.
Dabei vergiss jedoch nicht, sie ist DEINE Mutter. Sie ist ERWACHSEN.
Sie ist für sich und ihr handeln selbst verantwortlich.
Ebenso wie du es bist.
Ich verstehe deine Lage. Du bist in eine Situation geraten, in der du Verantwortung für deine Mutter übernommen hast.
Das ist aber nicht gut. Sie muss es selber wollen. Nur dann kannst du ihr helfen.
Sonst wird nämlich alles sinnlos verpuffen.
Das bringt dann euch beide in eine blöde Lage.
Deshalb kümmer dich zuerst um dich.
Biete Hilfe an, aber wenn sie nicht will, dann lass es. Bleib dann nur bei dir. Auch wenn es schwer ist.

Ich wünsche dir/euch ganz, ganz viel Glück und Erfolg.
Halte die Ohren steif.
Gib nicht auf, alles hat ein Ende!

Liebe Grüße
Janine