Problem von Mireille - 25 Jahre

Er will Kinder, ich aber überhaupt nicht

Eigentlich sollte ich mich über die Beziehung freuen, aber es gibt ein Problem bei dem ich mich nicht traue mit meinem Freund zu sprechen. Momentan läuft es in unserer Beziehung gut, nur es gibt ein Problem: mein Freund würde gerne eine Familie mit mir gründen, aber ich habe was Familie betrifft ein schweres Trauma. Es besteht darin, dass ich 20 Jahre Psychoterror von meiner tyrannischen Mutter, und später vom aggressiven Sohn von meinem Ex erlitten habe. Zuerst sage ich was meine Mutter gemacht hat, sie hat mich 20 Jahre mit Prügel, Erpressung, Druck, Zwang, Diebstahl, Stalking, Missbrauch, Alkoholismus, und vielen anderen Tyrraneien so schwer gequält, dass ich immer noch schwer traumatisiert bin. Als ich bei ihr ausgezogen bin hat sie mit schwerster Erpressung und anderen Sauereien versucht mich dazu zu zwingen zu ihr zurück zu kommen.
Jetzt komme ich zu den Taten vom Sohn von meinem Ex: Er war zu uns sehr aggressiv wenn er uns seinen Willen aufzwingen wollte , Selbstmorddrohungen, und ähnliches), er hat Drogen genommen, gesoffen, alle tyrannisiert, also er war genau so ekelhaft wie meine Mutter und hat mein Trauma so weit verschlimmert, dass ich in eine Klinik musste und nach der Therapie bei meinem Ex ausgezogen bin.
Jetzt bin ich 2 Jahre mit meinem jetzigen Freund zusammen und er träumt von einer Familie, bei mir kommen aber die traumatischen Erinnerungen an die 22 schrecklichen Jahre voller schwersten Qualen hoch und ich weiß nicht was ich tun soll. Ich weis nicht wie ich ihm das sagen soll, weil ich ihn liebe und nicht verlieren will. Er weis wirklich nur sehr wenig von der sehr schlimmen Zeit, die ich mit Familie erlebt habe, allein schon beim Wort "Familie" kommen diese schrecklichen Gefühle und Erinnerungen hoch. Ich habe auch Angst davor die gleichen Fehler wie meine Mutter und mein Ex zu machen und das selbe wieder zu erleben. Wie soll ich ihm sagen dass ich davon schwerstens traumatisiert bin und deswegen auf keinen Fall Kinder haben will? Bitte helft mir, ich brauche dringend eure Hilfe.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Mireille,

deine Zuschrift liegt zwar jetzt schon gut zwei Wochen zurück. Ich nehme aber an, dass dich (euch) das Thema nach wie vor beschäftigt?

Grundsätzlich ist es mal so: Ihr seid jung - und dein Freund ist es, der den Kinderwunsch hegt, nicht du. Insofern könnt ihr euch auch erlauben, noch fünf Jahre oder länger mit der Entscheidung zu warten. Selbst wenn du ebenfalls den Wunsch nach einer Familie hättest, aber dir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher wärst, wäre es sinnvoll, zu warten.

Andererseits kann es natürlich keine Lösung sein, deinen Freund zu vertrösten. Das würde das Problem nur aufschieben. Das einzig Positive, was man dann sagen könnte, ist dass - sollte es später zur Trennung kommen - du nicht die Leidtragende wärst, weil ein Mann sich den Kinderwunsch aus biologischen Gründen auch später erfüllen kann, als eine Frau. Aber, wie gesagt: Das alles führt natürlich zu nichts.

In meinen Augen gilt es zunächst zu trennen zwischen deiner Angst, einem Kind eine schlechte Mutter zu sein - und dem Gedanken an das Mutter-werden an sich. Denn wichtig ist: Du bist kein Mensch, der Kinder nicht ausstehen kann. Auch das körperliche Grenzerlebnis Schwangerschaft ist es weniger, was dir Angst macht. Es ist deine Furcht, dass du deine eigenen Erfahrungen bei deinen Kindern reproduzieren könntest - und dass deine Kinder so werden könnten, wie Menschen, von denen du großes Leid erfahren hast.

Es ist von Bedeutung, dass du dir das klar machst. Denn dein Freund könnte auf die Idee kommen, dass er dich ja nur davon zu überzeugen bräuchte, dass du bestimmt keine schlechte Mutter wärst - und dann wäre das Problem gelöst. Nein, wäre es nicht. Du musst ihm gegenüber deutlich machen, dass du die rationale Entscheidung gegen Kinder getroffen hast. Das ist dein gutes Recht. Natürlich mag man einwenden, Angst sei nicht rational. Das ist sie auch nicht, aber sie ist auch ein wichtiges Signal, auf das man hören sollte. Wenn du dich nicht in der Lage fühlst, Mutter zu sein, wenn es dir Angst macht und dich seelisch belastet - dann ist es vielleicht wirklich so, dass deine Leiden zu groß waren. Dass es dir nicht gelingt, dieses Wagnis einzugehen. Und das ist in Ordnung so. Du solltest dich zu nichts zwingen, und schon gar nicht drängen lassen. Denn - genau dieser Druck wäre es, der dazu führen könnte, dass die Mutterschaft dich überfordert und du in Gefahr kämst, eine Distanz zu deinem Kind aufzubauen. Eine Familie gründen - da gebe ich dir vollkommen recht - sollte man nur, wenn man wirklich den innigen und tiefen Wunsch danach hat. Alles Andere ist riskant.

Wie kannst du das nun deinem Freund vermitteln? Zunächst - auch wenn das schwer ist: Eine endgültige Gewähr, dass er bei dir bleibt, hast du nie. Du kannst ihm offen und ehrlich sagen, dass er dich glücklich macht, dass du ihm vertraust, aber dich nicht in der Verfassung siehst, einem Kind zu bieten, was ein Kind braucht. Das ist nichts Negatives, ganz im Gegenteil, es zeugt von großer Selbsterkenntnis und Ehrlichkeit. Trotzdem wirst du damit rechnen müssen, dass dein Freund - wenn sein Kinderwunsch so groß ist - sich über kurz oder lang gegen dich entscheidet. Das wirst du nicht verhindern und nicht ändern können, das kannst du höchstens hinauszögern, indem du ihn vertröstest. Aus diesem Grund solltest du auch genau das vermeiden. Zwar kann natürlich niemand sagen, wie es in einem Jahr ist, in zwei oder in fünf - aber darauf kommt es nicht an. Man kann keine Beziehung auf vagen Hoffnungen erhalten, die nur für Frust sorgen, wenn sie sich nicht erfüllen. Deswegen musst du auch unbedingt ehrlich sein - so groß das Risiko ist, denn der Schaden, wenn du deinen Freund hinhältst, wäre größer.

Es muss deshalb deutlich werden, dass du wirklich nicht daran denkst, dich umstimmen zu lassen. Wenn dein Freund daraufhin nicht mehr sicher ist, ob er eure Beziehung erhalten will, kannst du das erst einmal nur hinnehmen. Aber gleichzeitig steigt mit deiner Offenheit auch die Chance, dass er befindet, dass du ihm wichtiger bist. Du musst deine Formulierung so wählen, dass sie das, was du sagen willst, nicht ausbremsen und relativieren - durch Wörter wie "eigentlich", "im Moment" oder "zur Zeit"... denn darum geht es dir nicht. Du hast deine Entscheidung getroffen, und deine Liebe zu deinem Freund verpflichtet dich gerade, absolut ehrlich zu ihm zu sein. Er muss auch seine Entscheidung treffen können - im besten Wissen über die Optionen, die er hat. Die musst du ihm geben. Du ersparst euch beiden Streit und lange Diskussionen, die sich immer wiederholen würden, wenn du ihm klar machst, was du uns klar gemacht hast: Überhaupt nicht ist überhaupt nicht. Du hast dafür deine Gründe, und es sind absolut nachvollziehbare. Wir können von Glück sagen, dass du in der Lage bist, dein Leben selbstständig zu leben und dein Herz einem Menschen zu schenken - nach allem, was du durchmachen musstest. Du handelst richtig, wenn du dir eingestehst, dass das Eis dünn ist und die Gründung einer Familie eine Belastung sein könnte, der du womöglich nicht gewachsen wärest.

Ob das wirklich so wäre? Seien wir ehrlich, Mireille: Wir wissen beide, dass du ein viel, viel größeres Herz hast als die, die dich so gequält haben - und auch viel mehr Verstand. Du wärst keine schlechte Mutter, und du würdest auch kein Monster erziehen. Worauf es hier aber ankommt, ist nicht, wie es wäre oder nicht wäre, sondern welche Risiken du eingehen möchtest. Und ein Risiko ist die Gründung einer Familie zweifellos immer. Alles wäre besser, als dass du aus Angst vor dem Ende deiner Beziehung in etwas einwilligst, dem du dich nicht gewachsen fühlst, das dir sogar Angst macht. Du bist du - und um dein Wohlergehen solltest du besorgt sein. Wenn das bedeutet, dass deine Beziehung vielleicht in die Brüche geht, mag das widersprüchlich scheinen. Aber am Ende weißt du doch: Dein Freund verdient die Wertschätzung, die du ihm gibst, wenn du ehrlich bist - und ich vertraue dir vollkommen, dass du ihm auch erklären kannst, dass es nichts mit ihm zu tun hat. Es ist nicht in deinem Sinne, wenn du diesen Mann liebst, ihm etwas vorzuspielen. Und es ist auch nicht in deinem Sinne, denn dadurch vergiftest du gerade, was du so liebst. Wenn eure Pläne sich unterscheiden, können die Folgen vielleicht bitter sein. Aber ich bin sicher - du willst, dass er glücklich ist, und auch er wird nichts weniger wollen, als dich unglücklich zu machen.

Deinem Freund zu erzählen, was du durchmachen musstest, wird nicht leicht sein - doch es ist in deinem Interesse, und auch unumgänglich, wenn eure Beziehung eine Zukunft haben soll. Ob sie hält, kannst du nicht wissen - das ist nie gesichert. Mir scheint aber, dass es vielleicht weniger deine Hemmung ist, dich deiner Vergangenheit zu stellen, die dich davon abhält, mit ihm zu kommunizieren, als vielmehr deine Angst vor der Zukunft: Die Vergangenheit ist es, die erklärt, warum du keine Familie gründen willst. Für dich ist das klar, für ihn nicht. Wenn du nun davon erzählst, wird das die Vergangenheit nicht zurückbringen, aber für die Zukunft hat es Auswirkungen. Dein Freund wird sich keiner Illusion mehr hingeben können, was deine Pläne betrifft, und sich entscheiden müssen. Genau das ist es, was dir Angst macht, denn woran es fehlt - Offenheit - scheint genau die größte Gefahr für den Fortbestand der Beziehung zu sein. Weswegen du zögerst. Aber ist das wirklich richtig so? Was würdest du gewinnen, wenn du die Karten nicht auf den Tisch legst? Die Antwort ist: Vielleicht Woche, vielleicht Monate, vielleicht Jahre. Aber was für welche? An der Seite eines Mannes, dessen Frust immer größer wird, weil er sich nicht erklären kann, was mit dir los ist? Immer häufiger werdender Streit und Unverständnis? Willst du diese Seiten an ihm wirklich herausfordern (glaub mir, sie sind da!), weil du dich vor seiner Entscheidung fürchtest? Wenn klar werden sollte, dass ihr eure Pläne nicht vereinen könnt, muss er nicht aus deinem Leben verschwinden. Er kann ein Teil davon bleiben, ein guter Freund, der für dich da ist. Und eure gemeinsame Zeit als Paar wird in der Rückschau nicht getrübt durch Auseinandersetzungen, die durch Ehrlichkeit hätten vermieden werden können.

Wem willst du dich öffnen - wenn nicht ihm? Wenn es nicht gelingt, dann gibt es vielleicht eine andere Person, der du vertraust, und die für dich Einiges an ihn übermitteln kann? Denn irgendwie muss eine Offenheit hergestellt werden. Das ist für dich erleichternd, und ihm gegenüber fair. Und am Ende ist es die einzige Chance, dass er sich für dich entscheidet. Ich kann dir in diesem Punkt nichts wünschen - denn wir beide wissen, dass es für euch beide am besten ist, wenn ihr so leben könnt, wie ihr wollt. Wenn das bedeutet, dass ihr kein Paar sein könnt, ist das hart, aber das Zusammen-sein zu erzwingen wäre schlimmer.

Ich lege mich daher bei meinem Wunsch nicht fest, dass es in eine bestimmte Richtung geht. Aber ich wünsche dir, dass ihr beide einen Weg findet, der für euch Glück bedeutet, und dass ihr einander nicht verliert. Denn das muss wirklich nicht passieren.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul