Problem von Anonym - 25 Jahre

Depression des Partners

Hallo liebes Team,

seit einigen Monaten zieht sich mein Freund mehr und mehr zurück.
Verkriecht sich zuhause und scheint mir völlig motivationslos und leidenschaftslos zu sein.

Es wirkt sich negativ auf unsere Beziehung aus, sodass er vieles auf unsere Beziehung schiebt,
was damit nichts zu tun hat.
Wenn ich ihn auf die derzeitige Situation anspreche, blockt er ab oder geht sogar einfach weg oder
redet Tage lang nicht mehr mit mir.
Ich fühle mich von ihm im Stich gelassen. Er fragt nicht mehr nach mir oder meinem Wohlbefinden.

Das selbe Problem hatten wir ein Jahr zuvor auch und haben uns für vier Monate getrennt.
Er hat damals alle Probleme auf die Beziehung geschoben und damit unsere Beziehung am Ende zerstört, bzw. beendet.

Als wir den Neustart gewagt haben, war er wieder normal, voller Motivation und ich dachte, er hätte es überwunden.
Neues Jahr - selbe Jahreszeit - das Problem kam wieder.

Ich weiß nun wirklich nicht, was ich noch tun soll. Ich liebe ihn wirklich und möchte gerne mit ihm zusammen sein,
aber wie lange ich diese Beziehung so aufrecht erhalten kann, weiß ich nicht. Es zieht mich herunter.
Manchmal weiß ich nicht, was ich sagen darf und was nicht, um keinen Streit auszulösen.
Oftmals schaffe ich es aber auch nicht, mich so zurückzunehmen.

Ich habe Angst, dass er sich niemals Hilfe holt und ich diese Monate langen Phasen immer wieder mitmachen muss.

Hinzu kommt, dass ich selbst schon immer recht wenig Freunde und Anschluss habe und
Angst habe, dass ich im Falle einer Trennung alleine dastehe.

Anna Anwort von Anna

Hallo liebe Unbekannte,

und vielen Dank für Dein Vertrauen uns gegenüber. Dass Du unter dieser Situation leidest und Dich immer mehr fragst, ob Du mit Deinem Freund überhaupt noch zusammen sein kannst, kann ich mir gut vorstellen. Der Partner ist neben der Familie, den Freunden und Bekannten meist die wichtigste Säule im eigenen Leben und wenn man das Gefühl hat, sich auf diese nicht verlassen zu können und sie vielleicht sogar zu verlieren, schafft das Angst und Unsicherheit.

So wie Du die Situation schilderst, gehe ich davon aus, dass es Deinem Freund so schlecht geht und er in eine solche Ecke gedrängt ist, dass er selbst kaum einen Ausweg finden kann. Sicherlich leidet er unter einer Depression, aber was heißt das schon? Ich denke, dass das Wort oder die Diagnose selbst hier keine Rolle spielen, sondern dass es nur darauf ankommt, wie Dein Partner sich fühlt. Was er am wenigsten braucht, ist sicher ein Wort, von dem man oft glaubt, es würde alles über einen Menschen sagen und diesen Menschen selbst oft objektiviert, als etwas, das nicht mehr "funktioniert" und das man behandeln müsse. Viel eher sehnt sich Dein Freund sicher nach Mitteilung, nach Hilfe, auch, wenn er noch nicht so ganz weiß, wie er sie annehmen soll, weil er sich so festgefahren fühlt. Du beschreibst, dass er abblockt und sogar weggeht, wenn Du ihn auf die Situation ansprichst. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er vollkommen überlastet ist und das Gefühl hat, nur noch weiter in die Enge getrieben zu werden. Die Flucht zu ergreifen, heißt, dass er sich mit Worten (so) nicht mehr weiterhelfen, nicht mehr ausdrücken kann.
Doch ganz abblocken tut Dein Freund nicht, er macht nicht GANZ dicht und hat auch noch nicht GANZ aufgegeben: wenn er von euer Beziehung spricht und davon, dass da was nicht stimmt. Dieser einzige Strohhalm, der einzige Draht nach außen von ihm zur Welt, wo er wirklich sagen kann, was in ihm vorgeht und ihn stört, ist die Kritik an euer Beziehung. Und ich denke, solange Du ihn in dem Punkt nicht so ernst nimmst, wie er ernstgenommen werden will, wirst Du Dich ihm nicht annähern können und mit ihm nicht auf einen grünen Zweig kommen.
Ich will damit nicht sagen, dass alles was er kritisiert, so stimmt, oder dass er es nicht auch übertreiben kann oder vielleicht zu viel darauf projiziert. Aber ich bin mir sicher, dass es in dem, was er sagt einen wahren Kern gibt, den zu finden eure gemeinsame Aufgabe sein sollte. Solange Dein Freund von sich heraus wenigstens DARÜBER bereit ist zu reden, gibt es eine Chance, wie er aus seiner Depression herausfinden und ihr wieder eine glückliche Beziehung aufbauen könnt.

Natürlich musst Du für Dich selbst aber entscheiden, was Du noch aushalten kannst und was nicht. An den Depressionen des Partners teilzuhaben und damit auch belastet zu werden, ist sehr schwer auszuhalten. Viele wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Sie suchen die Schuld bei sich oder beim Partner und wünschen sich doch einfach nur, dass es wieder leichter werden würde. Dein Freund hat sich die Gefühle, in denen er gerade steckt, nicht ausgesucht und sicher wünscht auch er sich einfach nur, dass alles wieder gut wäre. Aber er steht momentan in seinem Leben an einem Punkt, an dem er nicht weitermachen kann wie bisher. Wo sich sein Leben, seine Beziehungen, sicher auch seine Vergangenheit wie eine Schlinge um seinen Hals zu ziehen scheint und er wie gelähmt ist. Weitermachen wie bisher geht nicht. Fliehen geht, aber damit riskiert er, Dich und sicher auch andere zu verlieren. Der einzige heilsame Weg, der noch bleibt, ist zu reden. Reden über das, was ihn stört. Und er braucht jemanden, der ihm zuhört. Ohne Vorurteile, ohne dazwischen zu reden, ohne ihm zu sagen, dass das was er da sagt, falsch sei, übertrieben, nicht angebracht, nur projiziert.
An Dir liegt es, ob Du diesen Weg mit ihm noch weiter gehen kannst. Wenn Du ihn liebst und noch die Kraft für Auseinandersetzung hast, versuche ihm zuzuhören, auch, wenn er Dich kritisiert. Wenn Du die Kraft nicht hast, versuche Dich selbst etwas nach außen zu orientieren. Du sagst ja, Du willst ihn nicht gleich verlassen. Versuche selbst Ausgleich und Kontakt bei anderen Menschen zu finden. Vielleicht hast Du ja eine gute Freundin, mit der Du über Deine Sorgen sprechen kannst? Einen ersten Schritt hast Du getan und Deine Gefühle in Worte gefasst, uns geschrieben. Du kannst nichts dafür, dass es Deinem Freund jetzt so geht, wie es ihm geht und ich denke, es ist sehr wichtig, dass Du auch an Dich denkst und Kraft tankst.

Die Situation ist wirklich schwierig. Ich kann Dir nicht empfehlen, Deinen Freund zu verlassen, aber will Dir auch nicht raten, Dich jahrelang aufzuopfern.. Dein Herz sagt Dir, wie stark eure Liebe ist und Dein Gefühl, ob Du die Hoffnung haben kannst, dass auch wieder schöne Zeiten kommen. Ich würde Dir raten, es einfach mal mit einer anderen Form der Kommunikation zu versuchen. Ihm wirklich zuzuhören und nachzuhorschen, ob seine Probleme schon bei eurer Beziehung aufhören, ob das Ganze nicht noch tiefer geht und weiter zurückreicht, wo es mit euch eigentlich gar nichts mehr zu tun hat. Ich würde Kritik an ihm möglichst erstmal zurückhalten und versuchen ihn nicht zu bedrängen, denn das wird seine Gelähmtheit nur noch verstärken. Bei alldem ist es wichtig, dass Du Dein Leben trotzdem möglichst stabil und einigermaßen unabhängig lebst. Dass Du Zeiten ohne Deinen Freund verbringst und versuchst, Dich selbst emotional etwas abzuschotten. Wenn Dir das gelingt und Du Kraftinseln für Dich findest, kannst Du die Zeit vielleicht etwas überdauern, in der Du mit Deinem Freund nicht gemeinsam sein kannst und vielleicht, ganz vielleicht springt diese Kraft auch auf Deinen Freund über.
Du kannst uns aber gerne jederzeit wieder schreiben. :-)

Bis dahin wünsche ich Dir alles Gute,
Anna